Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CHRISTIAN

(getauft am 17.05.2017)

 

Im Laufe des 16.05.2017 begann sich die Kaltfront des Nordmeertiefs BEN, welche vom Raum Oslo über die Britischen Inseln bis östlich der Azoren verlief, über dem Süden Englands wellenförmig zu deformieren, wobei ein neues Tiefdruckzentrum entstand. Dieses Tief wurde aufgrund seines prognostizierten Einflusses auf das mitteleuropäische Wettergeschehen am 17.05.2017 auf den Namen CHRISTIAN getauft.

Das Zentrum des Tiefs CHRISTIAN wurde an seinem Tauftag um 00 Uhr UTC, d.h. 01 Uhr MEZ, mit einem Kerndruck von nur knapp über 1020 hPa über dem Osten Cornwalls analysiert. Von dort verlief über Mittelengland eine Warmfront in nordöstliche Richtung, die vor der Küste Englands nordöstlich des Gibraltar Points in die Kaltfront des Tiefs BEN überging. Die zum Wirbel CHRISTIAN zugehörige Kaltfront führte in südwestlicher Richtung über die Bretagne, die Biskaya und Galicien, ehe sie vor der portugiesischen Küste in die Warmfront des Tiefs DANKMAR überging. Entlang der Fronten setzte im Tagesverlauf kräftiger und zum Teil schauerartig verstärkter Regen ein, welcher in einem Beobachtungszeitraum von 12 Stunden für 25 l/m² im bretonischen Saint-Brieuc, 28 l/m² in Wainfleet, 29 l/m² in Holbeach und 30 l/m² am Flughafen der Kanalinsel Jersey sorgte.

Bis um 00 Uhr UTC am 18.05.2017 hatte der Wirbel CHRISTIAN die Nordsee erreicht und wies neben dem Hauptfrontensystem, dessen Warmfront nach Nordosten bis südlich von Stockholm und Kaltfront nach Süden bis zu den Pyrenäen reichte, ein nachfolgendes Frontensystem auf. Dabei führte eine weitere Warmfront zunächst nach Nordosten Richtung Trondheim und anschließend nach Osten bis zum Bottnischen Meerbusen. Außerdem verlief eine Kaltfront nach Südwesten über den Ärmelkanal, Nordwestfrankreich und die östliche Biskaya, bis sie bei Aragon in die Warmfront des Tiefs DANKMAR überging. Diese Frontensituation führte im Zusammenspiel mit dem von der Iberischen Halbinsel nach Norden ziehenden Wirbel DANKMAR zu Niederschlägen, deren Maxima sich in den Stauungsbereichen der norwegischen Gebirgsketten, über Frankreich und über dem Norden Spaniens befanden. In 12 Stunden konnten dabei in San Sebastian 17 l/m², in Limoges 28 l/m², in Brive 37 l/m² und im norwegischen Byglandsfjord 42 l/m² gemessen werden. In Abbeville wurden sogar innerhalb von nur einer Stunde 26 l/m² Regen beobachtet.

Sich nordwärts verlagernd bildete das Tiefdruckgebiet CHRISTIAN bis zum Folgetag zeitweilig noch einen zweiten Kern aus. Während sich ein Zentrum über der Küste Schwedens am nördlichen Rand der Ostsee befand, lag das zweite Zentrum nordöstlich von Oslo über dem Grenzgebiet von Norwegen mit Schweden, wobei beide einen Druck von knapp unter 1010 hPa aufwiesen. Die beiden Kerne waren durch eine Luftmassengrenze miteinander verbunden. Außerdem führte vom nördlicheren der zwei Zentren eine Warmfront in südöstlicher Richtung gen Moskau, endete jedoch bereits bei St. Petersburg. Vom südlicheren Kern reichte eine Kaltfront in einem Bogen über Kopenhagen bis zur Elbbucht, wo sie in die Warmfront des Tiefs DANKMAR überging. Die mit Tief CHRISTIAN nun assoziierbaren Niederschläge konzentrierten sich auf Finnland und den Nordwesten Russlands. Die Station Muonio in Finnland registrierte innerhalb von 12 Stunden bis zum 18 Uhr UTC-Termin 12 l/m² und danach nur noch Niederschläge in nicht mehr messbaren Mengen. Im russischen Kalevala wurden in 24 Stunden bis 18 Uhr UTC 7 l/m² registriert, während in Archangelsk die Niederschläge erst gegen 21 Uhr UTC einsetzten und bis zum 03 Uhr UTC-Termin aufsummiert 4 l/m² ergaben.

Die Zyklone CHRISTAN erreichte bis zum 20.05.2017 Nordwestrussland und befand sich östlich von Archangelsk. Der Kerndruck war weiter gefallen und betrug nun unter 1005 hPa, wobei nur noch einer der vormals zwei Kerne analysiert werden konnte. Vom Zentrum führte eine Warmfront ostwärts in Richtung Tobolsk, wo sie bei einem unbenannten Tief endete. Die Kaltfront verlief einen Bogen beschreibend westwärts über St. Petersburg und endete nordwestlich von Stockholm. Während sich das Tief weiter ostwärts verlagerte ließen die Niederschläge in Archangelsk zusehends nach, bis 15 Uhr UTC wurden hier noch 0,3 l/m² gemessen, gefolgt von niederschlagsfreien 12 Stunden. Im weiter östlich gelegenen Vendinga zeichnete sich ein ähnliches Bild ab, welches die Durchquerung des Niederschlaggebietes verdeutlichte. Hier fielen im selben Zeitraum wie zuvor zunächst 6 l/m² und anschließend nochmals 3 l/m². Zum Ural verstärkten sich stauungsbedingt schließlich die Niederschläge. In Petschora fielen bis um 03 Uhr UTC des Folgetages 14 l/m² und in Ust-Schtschuger 18 l/m².

Sich weiter verstärkend war nun der Druck bis zur 00 Uhr UTC-Analyse des 21.05.2017 auf unter 995 hPa gesunken. Das Frontensystem bestand aus einer Warmfront, die in südöstlicher Richtung alsbald den Analysebereich der Berliner Wetterkarte verließ, und aus einer Kaltfront, welche einen weiten Bogen vorbei an Perm und Moskau beschrieb und bei Riga schließlich endete. Dies bescherte Moskau einen spürbaren Temperaturrückgang, innerhalb von 24 Stunden sanken die Tagestiefsttemperatur von 11,1°C auf 4,7°C und der Höchstwert von 23,3°C auf 12,8°C. Die stärksten Niederschlagsfelder lagen nun auf der Rückseite des Urals, in Salechard fielen 13 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis um 03 Uhr UTC des folgenden Tages, während in Petschora im gleichen Zeitraum nur noch 5 l/m² gefallen waren. Am weißen Meer wurden im Bereich zwischen Tief CHRISTIAN und einem Hochdruckkomplex über Skandinavien vermehrt Orkanböen beobachtet, wie unter anderem in Raznavolok mit 129 km/h.

Am 22.05.2017 befand sich das Tiefdruckgebiet CHRISTIAN schließlich südöstlich von Workuta am äußerten Rand des Analysebereiches der Berliner Wetterkarte, wobei der Kerndruck wie am Vortag bei knapp unter 995 hPa lag. Sich weiter ostwärts verlagernd verließ das Tief CHRISTIAN den Analysebereich der Berliner Wetterkarte und konnte in der Folge nicht mehr auf jener namentlich verzeichnet werden.

 


Geschrieben am 05.08.2017 von Patrick Ilmer

Berliner Wetterkarte: 18.05.2017

Pate: Christian Hangen