Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet CHRISTIAN
(getauft
am 26.10.2013)
Entlang einer wellenförmig deformierten Front, die der Zirkulation
des Tiefs BURKHARD zugehörig war, entstand in der Nacht zum 26.10. südöstlich
von Neufundland über dem Atlantik ein neues Tiefdruckgebiet, das anhand der
Analysekarte für 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, auf den Namen CHRISTIAN getauft
wurde. Vom Zentrum des Wirbels CHRISTIAN, in dessen Kern ein Druck von unter
1015 hPa herrschte, gingen zwei Fronten aus. Eine Warmfront führte ca. 800 km in
östliche Richtung und eine weitreichende Kaltfront nach Westen.
Sich rasch verstärkend verlagerte sich das Tief CHRISTIAN in den
folgenden 24 Stunden nach Osten und befand sich mit einem um knapp 10 hPa
gefallenen Kerndruck am 27.10. nordwestlich der Azoren, in etwa auf der
Schnittlinie von Angmagssalik mit Bordeaux. In
südöstlicher Richtung war der Kern durch eine Warmfront mit dem südlich von
Island liegenden Wirbel BURKHARD verbunden, die westlich von Portugal über dem
Atlantik in dessen Kaltfront überging. Des Weiteren ging südwestlich des Kerns
eine Kaltfront aus, die quer über den Atlantik bis zu den Bermuda-Inseln
reichte. Erste Ausläufer der sich entwickelnden Zyklone CHRISTIAN erreichten im
Laufe des späten Abends die Regionen um den Ärmelkanal und brachte, wie schon
Tief BURKHARD wenige Stunden zuvor, erneut stürmisches Wetter mit sich. Wehte
der Wind in Bournemouth nach Abzug von Tief BURKHARD mit 14 Knoten
zwischenzeitlich wieder mäßig, wurde nur wenige Stunden später, gegen 06 Uhr UTC
des Folgetages, eine Spitzenböe von 64 Knoten und damit Orkanstärke gemessen.
Bis 06 Uhr UTC registrierte die Messstation in Bournemouth zusätzlich eine
Regenmenge von 42 Liter pro Quadratmeter, die in nur 12 Stunden fiel. Auch in
anderen Regionen entlang der Kanalküsten wurden hohe Windgeschwindigkeiten
erreicht. Auf der Isle of Portland und bei Le Heve
erreichte der Wind, der im Mittel zwischen 37 und 42 Knoten lag, Spitzenböen
von 70 Knoten, im französischen Ouesant wurde sogar
eine Böe von bis zu 72 Knoten, was 133 km/h und damit ebenfalls Orkan entspricht,
gemessen.
Bis zum 28.10. hatte sich das Tief CHRISTIAN mit Windstärken, die
in vielen Regionen die Stärke 9 auf der Beaufort-Skala überschritten zu einem
ausgeprägten Sturmtief entwickelt. Sein Zentrum lag um 00 Uhr UTC mit einem auf
unter 985 hPa gefallenen Druck über der Keltischen See unweit der walisischen
Küste. Vom Zentrum verlief eine Warmfront in östlicher Richtung über London und
den Ärmelkanal bis Brüssel, in südlicher Richtung beschrieb die zugehörige
Kaltfront einen weiten Bogen über den Atlantik, bis sie sich nahe Neufundland
mit der Warmfront eines anderen unbenannten Tiefdruckgebiets verband. Die
Ausläufer des Wirbels hatten bis zum Morgen mit teils ergiebigen Regenmengen
auch Nordspanien und Portugal erreicht, wenn auch hier der Wind weniger stark
wehte. Im spanischen Pontevedra fielen in den
vorangegangenen 12 Stunden bis 06 Uhr UTC Niederschlagsmengen von 24 Liter und
im portugiesischen Viana Do Castello bis zu 26 Liter
je Quadratmeter. Im Laufe des Tages verlagerte sich das bis dahin zu einem
Orkan verstärkte Sturmtief CHRISTIAN weiter nach Osten und hatte in den
Mittagsstunden mit seinem Kern die Deutsche Bucht erreicht. Die meteorologische
Messstation in List auf Sylt meldete zwischen 12 und 15 Uhr UTC bei mittleren
Windgeschwindigkeiten von bis zu 54 Knoten schwere Sturm- sowie Orkanböen von
bis zu 85 Knoten. Etwas weiter südlich, am Leuchtturm von Kiel, erreichte der
Wind mit Geschwindigkeiten von 70 Knoten auch im Mittel Orkanstärke. Die
höchsten Windböen betrugen hier 91 Knoten und bis zu 93 Knoten in St.
Peter-Ording. Aufgrund der hohen Zuggeschwindigkeit des Orkanwirbels CHRISTIAN
auf seiner Bahn nach Nordosten fielen die Niederschlagsmengen trotz teils intensiven
Regens weniger stark aus, St. Peter-Ording meldete bis 06 Uhr UTC eine 24-stündige
Regenmenge von 12 Liter und Kiel von 14 Liter pro Quadratmeter. Bis zum Abend
hatten die Ausläufer die Ostsee und in der Nacht Südskandinavien erreicht. Aus
Kap Arkona wurden bis 06 Uhr UTC Spitzenböen von bis zu 62 Knoten gemeldet, bei
Hammerode wurden 65 Knoten gemessen und in Hallands Väderö bis zu 82
Knoten registriert. Auf der dänischen Halbinsel Kegnaes,
die am Ausgang der Flensburger Förde liegt, wurden sogar Böen von 104 Knoten
verzeichnet. Das entspricht einer Geschwindigkeit von 192 km/h. Gegen 14 Uhr
UTC wurden zudem mit 73 Knoten ein mittlerer Wind gemessen, der von der
normalen Beaufort-Skala nicht mehr erfasst wird. Dieser Wert entspricht der
Stärke 13 auf der erweiterten Beaufort-Skala und somit, wenn auch nur für einen
kurzen Zeitraum, Geschwindigkeiten eines Hurrikan der Kategorie 1. Das Gros der
Niederschläge fiel während der Abend- und Nachtstunden über Dänemark und
Südschweden. Bis 06 Uhr UTC des Folgetages wurde in Karup
eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 27 Liter und bei Torpup von 42 Liter
pro Quadratmeter gemessen.
Mit einem Druck von etwa 975 hPa lag das Zentrum des Sturmtiefs
CHRISTIAN um 00 Uhr UTC des 29.10. über der Region der nördlichen Ostsee. Vom Kern
verlief eine Okklusionsfront über Helsinki bis zu ihrem Okklusionspunkt nahe
der estnischen Grenzstadt Valga. Als Okklusionsfront
wird dabei eine Mischfront bezeichnet, die sowohl Warm- also auch
Kaltfronteigenschaften aufweist. Der Ort, an der sich Warm- und Kaltfront
vereinen wird Okklusionspunkt genannt. Vom Okklusionspunkt bei Valga reichte die Warmfront über Weißrussland bis nördlich
von Kiew, die Kaltfront hingegen zog sich nahe Minsk und Wien vorbei Richtung
Südwesten und ging über den Alpen in das Frontensystem eines anderen Wirbels
über. Die Windgeschwindigkeiten gingen allmählich zurück, erreichten aber
dennoch in Böen bis 18 Uhr UTC örtlich Werte um oder über Sturmstärke, wie z.B.
mit 38 Knoten im schwedischen Vigna, 41 Knoten auf
Bornholm und 44 Knoten bei Kegnaes.
Das Niederschlagsfeld hatte sich während der Nacht von Dänemark
über Schweden über das Baltikum verlagert und zog zum 30.10. unter
voranschreitender Abschwächung über den nordrussischen Raum. Binnen 24 Stunden
fielen bis 06 Uhr UTC in Uppsala und Göteborg je 7 Liter, in Tallinn 9 Liter
und im dänischen Karup 13 Liter auf einen
Quadratmeter. An diesem Tag lag das Zentrum der Zyklone CHRISTIAN gegen 00 Uhr
UTC mit einem Druck von 980 hPa zwischen Archangelsk und Perkuta
über Nordrussland. Nach Westen war der Kern durch eine Kaltfront mit Tief
BURKHARD verbunden, nach Osten gingen zwei Okklusionsfronten aus. Beide besaßen
am Boden Warmfontcharakter an und beschrieben im weiteren Verlauf einen Bogen
nach Süden. Die erste, etwas weiter nördlichere, über Workuta und Tobolsk, die zweite, südwestlichere, zog über Perm bis nach
Kiew wo sie erneut in das Frontensystem eines anderen, über Italien liegenden
Tiefs überging. Mit dem Auftreffen auf das russische Festland waren die
Windgeschwindigkeiten als auch die Regenmengen stark zurückgegangen. Der Wind
wehte mit Geschwindigkeiten zwischen 5 und 12 Knoten an der Messstation in Perm
und 7 bis 10 Knoten nahe Archangelsk zumeist schwach bis mäßig. Die
Niederschlagswerte rangierten zwischen 2,6 Liter in Archangelsk und 4 Liter pro
Quadratmeter in Workuta, die jeweils in einem Zeitraum von 24 Stunden bis 03
Uhr UTC des nächsten Tages gemessen wurden. Entlang des nördlichen Urals gingen
nach Durchzug der Ausläufer von Tief CHRISTIAN die Temperaturen rasant zurück.
Wurden in Workuta gegen 06 Uhr UTC noch +0,2°C gemessen, fiel die Temperatur in
den folgenden 6 Stunden auf -7,6°C und erreichte bis 21 Uhr UTC einen
Tiefstwert von -9,9°C. Die Niederschläge, die in der Region anfänglich noch als
leichter Sprühregen fielen, gingen dadurch in teils schauerartig verstärkte
Schneefälle über.
Unter leichter Abschwächung hatte sich der Tiefdruckwirbel
CHRISTIAN zum 31.10. weiter nach Osten verlagert und lag mit einem Druck von
knapp 985 hPa um 0 Uhr UTC über dem westsibirischen Tiefland und damit am
äußersten Rand des von der Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereich. Bis
auf eine Kaltfront, die dessen Kern in westlicher Richtung erneut mit dem
Frontensystem des nach Nordskandinavien gezogenen Tiefs BURKHARD verband,
konnten daher keine weiteren Fronten verzeichnet werden. In den folgenden
Stunden zog das ehemalige Orkantief CHRISTIAN in Richtung Zentralsibirien ab
und konnte infolge dessen am 01.11. nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte
analysiert werden.
Geschrieben am 15.12.2013 von Christian Ulmer
Berliner Wetterkarte: 28.10.2013
Pate: Christian Widera