Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CHRISTINE

(getauft am 02.01.2018)

 

Tiefdruckgebiete der mittleren Breiten entstehen bevorzugt im Bereich der sogenannten „Polarfront“, wo subtropische und polare Luftmassen aufeinandertreffen. Beginnend als kleine Wellenstörung an dieser Front bildete sich am 2. Januar 2018 ein neues Tiefdruckgebiet südlich von Neufundland. Dieses entwickelte sich rasch weiter und wurde daher in der Prognosetaufe für den folgenden Tag mit dem Namen CHRISTINE belegt.

Am Morgen des 3. Januar um 01 Uhr MEZ wurde Tief CHRISTINE über dem zentralen Nordatlantik etwa 1500 km südlich von Grönland analysiert und in der Bodenkarte der Berliner Wetterkarte eingetragen. In diesem frühen Entwicklungsstadium war der Kerndruck mit ungefähr 1005 hPa noch recht hoch und auch die Ausdehnung des Wellentiefs CHRISTINE betrug nur wenige hundert Kilometer. Allerdings hatte sich bereits die für Tiefdruckgebiete typische zyklonale Strömung, also die Strömung gegen den Uhrzeigersinn um den Kern, ausgebildet. Dadurch wurde die milde Subtropikluft östlich des Zentrums nach Norden und die Polarluft im Westen nach Süden geführt, es entwickelten sich also eine Warm- und eine Kaltfront. Da die Zyklone CHRISTINE unterhalb des sogenannten Jetstreams lag, also einem Bereich besonders starker Höhenströmung entlang der Polarfront, bewegte sie sich im Tagesverlauf zügig ostwärts über den Nordatlantik. Dabei begannen die ersten hundert Kilometer des Frontensystems bereits vom Kern aus zu okkludieren. Das bedeutet, dass sich die schneller vorankommende Kaltluft unter die Warmluft schiebt und dabei aus Kalt- und Warmfront eine Okklusion, also eine Mischfront, entsteht. Weiter südöstlich des Kerns erreichten am späten Abend die ersten Ausläufer der Warmfront dann bereits die europäische Westküste und brachten bei Temperaturen zwischen 7 und 13°C weiträumigen Regen. Zwischen 19 und 01 Uhr MEZ meldeten die Stationen in Dublin 0,1 Liter und in Plymouth 1 Liter pro Quadratmeter. Über Westfrankreich kam die Front deutlich früher an, was dort im selben Zeitraum zu Mengen von 11 l/m² in Brest, 6 l/m² in La Rochelle und 2 l/m² in Paris führte.

Bis 01 Uhr MEZ des 4. Januar hatte sich der Kerndruck von Tief CHRISTINE auf ungefähr 990 hPa verstärkt und lag kurz vor der Westküste Irlands über dem Nordostatlantik. Dabei war der Wirbel CHRISTINE Teil eines größeren Tiefdruckkomplexes, welcher sich mit seiner Achse von Grönland bis zur Ostsee erstreckte. Dieser setzte sich in der Höhe als ausgeprägtes Höhentief fort. Auf dessen Südseite wurde weiter milde Meeresluft nach Europa transportiert. Zudem zog die Zyklone CHRISTINE im Bereich des Jetstreams weiter rasch nach Osten und überquerte mit ihren Fronten Großbritannien und Mitteleuropa. Zwischen 7 und 13 Uhr MEZ verzeichnete die Station am Flughafen Belfast 9 l/m² Regen und in London St. James wurden 5 l/m² registriert. Diese Niederschläge fielen im Bereich der weiter voranschreitenden Okklusionsfront. Weiter südlich am sogenannten Okklusionspunkt, wo sich die Front in Warm- und Kaltfront auftrennt, wurden die Niederschläge durch zusätzliche Hebung noch verstärkt. Im französischen Rouen konnten sechsstündig 17 l/m² Niederschlag gemessen werden und in Lille waren es 12 l/m². Weiter südöstlich entlang der Warmfront und der dicht darauffolgenden Kaltfront wurden in Saarbrücken 6 l/m² und in Stuttgart 4 l/m² gemessen. Verstärkt durch ein sich bildendes Wellentief, welches feuchte Subtropikluft über die Alpen hob und zusätzliche orographische Hebung verursachte, fielen beispielsweise in Bern 11 l/m² und in Trient 30 l/m² Regen. Einzelne Bergstationen meldeten dagegen über 50 l/m² Schneefall zwischen 7 und 13 Uhr MEZ. In den darauffolgenden sechs Stunden bis zum Abend konnten weiterhin in Emden 4 l/m², in Frankfurt am Main 6 l/m² und in München 15 l/m² registriert werden. Gleichzeitig verstärkte sich der Wind mit Durchzug des Sturmtiefs CHRISTINE deutlich, sodass vor allem in Westdeutschland Windböen über 70 km/h, also Windstärke 8 bis 9 auf der Beaufort-Skala, erreicht wurden.

Um 01 Uhr MEZ des Folgetages lag der Kern des Tiefs CHRISTINE mit etwa 985 hPa über der Nordsee. Von Schottland aus zog sich die Okklusion durch den Kern bis zum Okklusionspunkt über Tschechien. Dort trennte sich das Frontensystem in eine kurze Warmfront bis über Ungarn und die Kaltfront in einem Bogen entlang der Nordalpen auf. Die Kaltfront von Zyklone CHRISTINE kehrte sich über Westfrankreich kurz in eine Warmfront um, da dort das neue kleinräumige Wellentief die Fronten steuerte. Anschließend setzte sich die Kaltfront über die Biskaya und weit über den Nordostatlantik fort. Dahinter wurde auf der Rückseite des Tiefdruckkomplexes deutlich kühlere polare Luft nach West- und Mitteleuropa geführt. In der Folge sank die Höchsttemperatur im Vergleich zum Vortag um mehrere Grad. Im nordspanischen Gijon beispielsweise wurden am 5. Januar 12,7°C gemessen, während es am 4. Januar noch 20,2°C gewesen waren. In Paris und London sanken die maximalen Temperaturen jeweils um etwa 3 bis 4 Grad. Während der Kern von Tiefdruckgebiet CHRISTINE auf der Vorderseite des Höhentiefs nach Nordosten über die Ostsee gelenkt wurde, erstreckte sich das Frontensystem an diesem Tag quer über Europa. Beginnend von Spanien und Portugal über Frankreich und Süddeutschland sorgte die Kaltfront bis 18 Uhr MEZ für zwölfstündig 16 l/m² Regen l/m² in Lissabon, 9 l/m² in Bilbao, 2 l/m² in Vichy, 5 l/m² in Saarbrücken und 1 l/m² in Regensburg. Weiter östlich über Serbien bis Polen und dem Baltikum ließ die schwache Warmfront 0,4 l/m² in Belgrad und 1 l/m² Regen in Vilnius fallen. Im Bereich des Zentrums von Zyklone CHRISTINE und deren Okklusion konnten die Stationen in Riga und Helsinki 6 und 2 l/m² Regen l/m² verzeichnen.

In der Nacht zum 6. Januar hatte sich Tief CHRISTINE auf einen Kerndruck von etwa 995 hPa abgeschwächt und lag über Estland. Das Frontensystem bestand weiterhin aus einer Okklusion welche sich in einem engen Bogen vom Kern aus über den Finnischen Meerbusen und dann nach Südosten über Westrussland erstreckte. Dort ging sie in die Warmfront nach Süden bis über Bulgarien über. Ungefähr 200 km hinter dieser ersten Frontenlinie zog sich eine zweite Okklusion vom Kern nach Süden und dann als Kaltfront nach Südwesten über Polen und Tschechien bis Österreich. Verbunden wurden diese beiden Frontalzonen durch eine kurze Warmfront über Weißrussland. Mit der Abschwächung des Kerndrucks waren auch die Fronten weniger intensiv geworden. So konnten zwischen 7 und 19 Uhr nur noch Niederschlagsmengen bis 5 l/m² wie in Helsinki, 1 l/m² in Riga und 3 l/m² in Minsk verzeichnet werden. Auch der Wind hatte sich deutlich verringert. In Böen wurde, außer in sehr exponierten Lagen wie Küsten oder Bergstationen, nur noch die Windstärke 6 bis vereinzelt 7 registriert, also kein Sturm mehr. Nachdem Tiefdruckgebiet CHRISTINE über die Ostsee und Estland weiter nordwärts gezogen war, setzte sich auf der Rückseite aufgrund der zyklonalen Strömung Nordwind durch. Dieser brachte polare Luft nach Mitteleuropa. Da weiträumiger Hochdruckeinfluss über Südosteuropa ein weiteres Vordringen der Luftmassen verhinderte, entwickelte sich quer über Europa von Frankreich bis Westrussland eine recht starke Luftmassengrenze. Zwischen Kopenhagen mit -5°C Tiefsttemperatur in der Nacht zum Folgetag und Karlsruhe mit etwa 7°C konnte dadurch immerhin ein Temperaturgradient von 12 K auf etwa 800 km verzeichnet werden.

Währenddessen zog der Kern von Wirbel CHRISTINE weiter nach Norden über Finnland und blieb bei einem Kerndruck von ungefähr 995 hPa. Das Frontensystem okkludierte weiter in einem Bogen vom Kern aus nach Südosten bis zur Ukraine und verlief dann als kurze Warmfront nach Südwesten bis zum Schwarzen Meer und anschließend als Kaltfront nach Westen in die Luftmassengrenze quer über Europa. Hinter dieser ersten Frontenlinie folgten zwei weitere mit Kaltfrontcharakter in einem Abstand von etwa 500 und 900 km. Diese wurden durch eine stärker werdende Strömung auf der Südseite des Tiefdruckkomplexes CHRISTINE gesteuert. Da sich über den Britischen Inseln ein Hochdruckgebiet entwickelte, verstärkte sich der Druckgradient zwischen den beiden Systemen und damit auch die Nordwestströmung. Über Skandinavien erreichte der Wind verbreitet Stärke 8 bis 9, also wieder Sturmstärke, und an besonders exponierten Küstenstationen wie bei Trondheim oder Veiholmen mit über 120 km/h sogar Stärke 11 bis 12. Durch diese nordwestliche Strömung auf der Südseite von Tiefdruckgebiet CHRISTINE fand mit dem Heranführen arktischer Meeresluft ein erneuter Luftmassenwechsel in Nordeuropa statt. Entlang der Fronten fiel flächendeckend Schnee mit zwölfstündigen Mengen von beispielsweise 2 l/m² in Tromsö, 4 l/m² in Murmansk, 2 l/m² in Tichwin und 0,5 l/m² in Moskau bis 19 Uhr MEZ. Erst über der Ukraine ging der Niederschlag bei leichten Plusgraden in Regen über und brachte in Kiew 0,4 l/m² sowie 0,7 l/m² in Kattowitz im selben Zeitraum. Am stärksten fielen die Niederschläge in Norwegen aus, wo zum einen ein kleines Wellentief vorbeizog und zum anderen die nordwestliche Strömung die Luft über die Gebirge führte, dabei anhob und Schneeschauer mit beispielsweise 11 l/m² in zwölf Stunden in Bergen und 16 l/m² in Namsskogan bildete.

Bis zum 8. Januar verstärkte sich Zyklone CHRISTINE unterhalb eines kräftigen Höhentiefs noch einmal auf unter 990 hPa und zog bis über die Barentssee. Als Frontensystem wurde auf der Bodenwetterkarte eine Warmfront vom Kern nach Nordwesten und eine Okklusion nach Südosten über Westrussland analysiert. Dort trennte sich die Front am Okklusionspunkt in Warm- und Kaltfront, wobei nur noch die Kaltfront über Westrussland und der Ukraine für Europa von Bedeutung war. An der Wetterstation in Tromsö kam noch einmal 5 l/m² Niederschlag zwischen 7 und 19 Uhr MEZ zusammen. In Kolezma waren es 3 l/m² und in Moskau 2 l/m². An den darauffolgenden beiden Tagen zog Tiefdruckgebiet CHRISTINE weiter nach Osten und schwächte sich dabei langsam ab. Am Rande der Berliner Wetterkarte war Tief CHRISTINE damit kaum noch von Bedeutung für das europäische Wetter. Einzig die schwachen Ausläufer des Frontensystems brachten im Raum der Ukraine und Südwestrusslands noch Wolken und leichten Niederschlag. In der dahinter eingeflossenen arktischen Luft über Nordeuropa sanken die Temperaturen unter dem anschließenden Hochdruckeinfluss auf bis zu -30°C.

Bis zum 12. Januar verschwand Tiefdruckgebiet CHRISTINE schließlich vollständig von der Berliner Wetterkarte.