Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CORINNA

(getauft am 29.12.2016)

 

Ende Dezember 2016 beeinflusste eine kräftige Zyklone den Nordosten der Vereinigten Staaten. Vorderseitig konnte Warmluft weit nach Norden vorstoßen, rückseitig Kaltluft nach Süden. Während an den Großen Seen Höchstwerte von -5°C herrschten, wurden in New York am 27. Dezember Temperaturmaxima von 17°C erreicht.

Dieses Tiefdruckgebiet verlagerte sich unter Abschwächung weiter  nordostwärts. Am 28. Dezember positionierte sich das Tief über Neufundland und zeigte weiterhin eine rasche Ostverlagerung. Am 29. Dezember erfolgte in der Analyse der Berliner Wetterkarte die Taufe des Tiefs auf den Namen CORINNA. Um 01 Uhr MEZ befand sich die Zyklone ca. 1500 km südlich von Grönland auf der geografischen Breite von Schottland. Der Druck im Kern betrug ca. 983 hPa, wobei sich bogenförmig um diesen herum die Fronten ausbreiteten.

Eine Zyklone weist einen Drehsinn gegen den Uhrzeigersinn auf. Die Kaltfront hat eine schnellere Zuggeschwindigkeit als die Warmfront, sodass im Laufe des Lebenszyklus' des Tiefs die Warmfront durch die Kaltfront eingeholt wird. Dabei entsteht eine Mischfront, welche als Okklusion bezeichnet wird. Diese befand sich in nordwestlicher Richtung, während Warm- und Kaltfront südlich anzutreffen waren.

In der Nacht vom 29. zum 30. Dezember konnte sich die Zyklone CORINNA verstärken. Starke Temperaturgegensätze sorgten für einen Druckabfall des Tiefs um mehr als 20 hPa. Ursache dafür war ein Tiefdruckgebiet über dem südlichen Grönland, welches arktische Kaltluft nach Süden transportierte. Gleichzeitig konnten an der Westflanke des sehr stark ausgeprägten Hoch YÖRN über Zentraleuropa warme Luftmassen in Richtung Island transportiert werden. Zusätzlich nahm die Zyklone CORINNA ein Tief über Südgrönland auf, wodurch sich ein starkes Sturmfeld westlich und südlich des Kerns ausbildete. Dieses erfasste in der Nacht zum 30. Dezember Island. Der Kern von Tief CORINNA wurde um 01 Uhr MEZ von der Berliner Wetterkarte etwas nordöstlich von Island mit einem Druck von ca. 962 hPa analysiert. In den küstennahen Gebieten konnten dabei maximale Windböen von 75 km/h bis 100 km/h gemessen werden. In der Hauptstadt Reykjavik wurden Sturmböen von 80 km/h registriert. In den Bergen auf der Ostseite Islands konnten sogar Orkanböen von 120 bis 150 km/h verzeichnet werden. Verbunden mit dem Sturmfeld waren starke Niederschläge von meist 10 bis 20 mm in 12 Stunden, wie beispielsweise in Reykjavik wo 14 mm fielen. Während am Abend des 29. Dezembers in der Hauptstadt noch +6°C gemessen wurden, sanken bis zum Morgen die Temperaturen auf Werte um -3°C, sodass der Regen in Schnee überging. Nordwestlich des Kerns von Tief CORINNA befand sich eine kurze Okklusion und in südöstlicher Richtung eine lange Warmfront, die vom zentralen Norwegen bis nach Moskau verlief. In südwestlicher Richtung befand sich die ebenfalls sehr lange und gut ausgeprägte Kaltfront. Diese verlagerte sich im Tagesverlauf vom Atlantik her nach Südfinnland und reichte bis Schottland. Der Bereich zwischen Warm- und Kaltfront wird als Warmluftsektor bezeichnet. Dort wurde mit südwestlichen Winden milde Luft herangeführt. Von Schottland bzw. Irland bis Südnorwegen und Südschweden wurden sehr milde 9 bis 14°C erreicht, wie beispielsweise in Belfast mit 12°C. Auch nachts wurden in diesem Bereich äußerst milde Tiefstwerte von 11 bis 8°C registriert. Südlich der Kaltfront blockierte die Antizyklone YÖRN das weitere Vordringen der Fronten, sodass sich das System um Tief CORINNA nur noch sehr langsam nach Süden verlagerte. In der Folge befanden sich Schottland und das südliche Norwegen über mehrere Stunden im Einflussbereich der Kaltfront. Diese löste intensive Dauerniederschläge mit 24-stündigen Regenmengen von 11 mm bis 26 mm in Schottland und 40 bis örtlich 85 mm im südwestlichen Norwegen aus. Spitzenreiter war der norwegische Ort Modalen mit 86,5 mm. Zum Vergleich: in Berlin fallen im ganzen Dezember durchschnittlich 55 mm. Ein zweiter Niederschlagsschwerpunkt befand sich in Zentralnorwegen mit 20 bis 40 mm in 24 Stunden. Diese Region wurde vom Okklusionspunkt überquert. Das ist der Punkt, an dem Warm- und Kaltfront sich vereinigen und dieser ist ebenfalls durch lang anhaltende Regenfälle gekennzeichnet. Das Sturmfeld der Zyklone CORINNA konnte sich nochmals verstärken und räumlich ausdehnen. Im schottischen Tiefland wurden 80 bis 100 km/h, in den Bergen extreme Böen von 130 bis 154 km/h gemessen. Am intensivsten waren die Windböen mit Durchgang der Kaltfront in Norwegen. Verbreitet wurden Orkanböen im Tiefland registriert. Ab 118 km/h Spitzenböen wird von Orkanböen bzw. der Windstärke 12 auf der Beaufort-Skala gesprochen. So vermeldeten Sula
126 km/h, der Vaeroy Heliport 130 km/h, Nordoyan Fyr und Svinoy 144 km/h und Krakenes 148 km/h. Auf der Heidrun Ölplattform 175 km nördlich von Kristiansund konnten 150 km/h vermeldet werden. Spitzenreiter war der 1894 m hohe Berg Juwasshoe mit 198 km/h.

Zum 31. Dezember wies die Zyklone CORINNA eine Doppelstruktur mit zwei Kernen auf. Der Kern CORINNA I befand sich über dem Nordmeer zwischen Jan Mayen und Norwegen, Kern CORINNA II positionierte sich über der Halbinsel Kola. Beide Kerne wurden mit einem Druck von ca. 972 hPa analysiert und waren durch eine Okklusion verbunden. Die Warmfront reichte bogenförmig von Sankt Petersburg bis Kopenhagen, die Kaltfront nahezu unverändert von Helsinki über Stockholm bis Schottland. Insgesamt schwächte sich das System jedoch etwas ab, sodass im Vergleich zum Vortag die Niederschlagsmengen und Windböen weniger extrem ausfielen. Erneut wurden 24-stündig entlang der norwegischen Westküste 10 bis 20 mm, vereinzelt bis 40 mm gemessen, wodurch es akkumuliert zu 48-stündigen Regenmengen von teils über 100 mm kam. Entlang des Okklusionspunktes fielen in Estland und Lettland 24-stündig 5 bis 9 mm, sonst blieben die Regenmengen meist unter 5 mm. Das Hauptwindfeld befand sich knapp südlich vom Kern CORINNA I und brachte an der Westküste Norwegens örtlich nochmals Böen mit Windstärke 12 Beaufort. Myken registrierte mit 126 km/h eine Orkanböe, ebenso wie Nordoyan Fyr mit 133 km/h. Ähnlich dem Vortag erreichten die Höchstwerte der Temperatur von den Britischen Inseln über Dänemark, Südnorwegen, Südschweden und Südfinnland 7 bis 12°C. London vermeldete 9°C, Dublin 11°C, Kopenhagen 8°C, Stockholm 12°C und Helsinki 7°C. Die Silvesternacht zeigte sich in Deutschland dreigeteilt. Unter Einfluss von Hoch YÖRN blieb es südlich einer Linie etwa von Düsseldorf bis Cottbus klar oder teils neblig bei frostigen 0°C bis örtlich -10°C in Bayern. Nördlich dieser Linie zogen dichte Wolkenfelder der Kaltfront von Tief CORINNA auf und es blieb mit 1 bis 5°C relativ mild. Direkt an der Nordseeküste fielen im Bereich der Front bei 6 bis 9°C bereits erste Regentropfen.

Am Neujahrstag zog der Kern CORINNA I mit einem erhöhten Druck von ca. 1003 hPa nach Süden in Richtung Zentralnorwegen, währenddessen sich der Kern CORINNA II mit ca. 977 hPa nach Osten verlagerte und sich knapp westlich des Uralgebirges befand. Beide Kerne waren über eine ca. 4500 km lange Kaltfront verbunden, welche nahezu ganz Europa in 2 Hauptluftmassen teilte. Sie verlief um 01 Uhr MEZ vom nordwestrussischen Archangelsk über Helsinki, Oslo, Dublin bis zum Atlantik. Gestützt durch die Verstärkung des Hochs ZHYGIMONT südwestlich von Island stellte sich an der Kaltfront eine Nordströmung ein, welche maritime Arktikluft nach Süden transportierte. Damit waren die Bedingungen für den ersten Wintereinbruch in Deutschland geschaffen. Am Abend des 01. Januars erreichte die Kaltfront den äußersten Norden Deutschlands. Bis 19 Uhr MEZ fielen im Norden von Schleswig-Holstein 3 bis 12 mm, wie in Flensburg mit 8 mm und in Leck mit 12 mm Niederschlag, der aufgrund der warmen Vortage bei 4 bis 6°C kein Schnee war. Erneut mild blieb es südlich der Kaltfront mit 7 bis 11°C, am wärmsten wurde es dabei im Süden Englands. London vermeldete beispielsweise 10°C. Im Einflussbereich der langen Kaltfront entwickelten sich Sturmböen von 65 bis knapp 100 km/h, die im norwegischen und schottischen Bergland auch Orkanböen bis 128 km/h darstellten. Die Regenmengen beliefen sich meist auf 3 bis maximal 13 mm.

Zum 02. Januar vereinigten sich die beiden Teilkerne CORINNA I und II wieder zu einem Zentrum, welches sich mit einem Druck von ca. 988 hPa über Westrussland befand. Die weiterhin lange Kaltfront erstreckte sich von Moskau über die Alpen bis Bordeaux. An der Ostflanke des mittlerweile auf über 1047 hPa verstärkten Hochs ZHYGIMONT und an der Westflanke von Tief CORINNA konnte maritime Polarluft Deutschland erreichen. Während im Norden bei 3 bis 6°C Regen fiel, gingen die Niederschläge nach Süden in Schnee über. Bis 19 Uhr MEZ wurde recht verbreitet eine Schneedecke in Mittel- und Süddeutschland verzeichnet. Bonn meldete 2 cm, Dresden 3 cm, Nürnberg 4 cm und München 2 cm. In Teilen Bayerns und Baden-Württembergs blieb es bei Dauerfrost von -1 bis -3°C, sonst wurden meist 0 bis 3°C als Höchstwerte erreicht. Auch in großen Teilen Skandinaviens blieb es mit 0 bis -5°C frostig kalt und im Norden Finnlands und Norwegens bei -10 bis -15°C eisig kalt. Die Niederschläge nahmen insgesamt weiter ab, entlang der Front fielen 24-stündig meist 0,1 bis 4 mm. Nur nahe dem Kern fielen in Westrussland, Estland und Lettland 4 bis 8 mm. Durch das Erreichen des warmen Mittelmeeres konnten sich einzelne Gewitter ausbilden, welche auf Cap Corse auf Korsika eine Orkanböe von 120 km/h und in Florenz und Pisa 17 bzw. 19 mm Regen in 24 Stunden zur Folge hatten.

Zum 03. Januar änderte sich an der Lage der Zyklone CORINNA nur wenig. Es befand sich mit einem Druck von ca. 988 hPa westlich des Ural. Die Kaltfront kam nur noch ca. 400 bis 500 km weiter nach Süden voran. Deutschland lag unterdessen im Einflussgebiet von Hoch ZHYGIMONT, sodass die Temperaturen in einer südwestlichen Strömung von Westen langsam anstiegen. Dauerfrost gab es noch in Teilen von Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern. Besonders im Erzgebirge kam es noch zu Schneefällen mit 10 bis 15 cm Neuschnee in 24 Stunden. Verbreitet größere Regenmengen blieben an der an Wetteraktivität verlierenden Kaltfront aber aus. Einzig im südlichen Italien und Griechenland konnten vereinzelt bis 20 mm in Verbindung mit Gewittern gemessen werden.

Im nordöstlichen Skandinavien strömte nach Abzug von Tief CORINNA arktische Luft mit selbst in dieser Region ungewöhnlichen Höchst- und Tiefstwerten ein. Am Morgen des 04. Januars konnten in Mittelfinnland und Nordschweden
-20 bis -25°C, in Lappland -25 bis -36°C und im äußersten Norden von Norwegen teils unter -40°C registriert werden. Das norwegische Karasjok registrierte mit -41,6°C die niedrigste Temperatur. Diese stieg im Tagesverlauf aufgrund der Polarnacht kaum an, sodass es bei -20 bis teils nur -35°C arktisch kalt blieb.

Der 04. Januar war der letzte Tag an dem das Tief CORINNA auf der Berliner Wetterkarte auftauchte. Mit einem Druck von ca. 993 hPa befand sich der Kern knapp südlich des Ural. Die Kaltfront reichte von dort bis nach Griechenland, löste sich aber bis zum Mittag auf. Mit weiterer Ostverlagerung spielte das Tief CORINNA für das Wetter in Europa keine Rolle mehr.

Mit der Taufe am 29. Dezember war das Tief CORINNA das letzte getaufte Tiefdruckgebiet des Jahres 2016.

 


Geschrieben am 16.02.2017 von Dennis Schneider

Berliner Wetterkarte: 01.01.2017

Pate: Corinna Hopf