Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
DANIEL
(getauft
am 30.04.2021)
Aus der
Prognosekarte der Berliner Wetterkarte vom 30.04.2021 für den 01.05.2021 12 UTC
(13 Uhr MEZ) ging hervor, dass ein über dem Balearen-Meer entstandenes
Tiefdruckgebiet das Wettergeschehen Mitteleuropas in den kommenden Tagen
beeinflussen werden würde. Aus diesem Grund entschieden sich die Meteorologen
der Berliner Wetterkarte dieses Tief auf den Namen DANIEL zu taufen. Das Tief
entstand an der Vorderseite eines von den Britischen Inseln bis in den Atlantik
westlich von Portugal reichenden Höhentrogs des in der mittleren Troposphäre
befindlichen Jetstreams.
Am 01.05.2021
um 01 Uhr MEZ befand sich Tief DANIEL mit einem Kerndruck von knapp 1010 hPa
zwischen Mallorca und dem spanischen Festland. Eine Kaltfront verlief von der
Küste Marokkos nordöstlich bis zum Tiefdruckkern. Von dort aus erstreckte sich
die Warmfront der Zyklone weiter in nordöstlicher Richtung bis nach
Norditalien. Das Tief brachte an seiner Nordflanke ein großflächiges
Niederschlagsgebiet mit sich, welches vom Norden Spaniens bis nach
Süddeutschland reichte. In den südwestlichen Alpenregionen fielen die
Niederschlagsereignisse im Luv des Gebirges besonders stark aus, da sich durch
die erzwungene Hebung der Luftmassen an der vom Wind angeströmten Gebirgsseite
oft dichte Regenwolken bildeten. In der italienischen Region Cicogna-Cossogno
wurden 12-stündige Niederschlagshöchstwerte von 76 mm bis 19 Uhr MEZ gemessen.
In Deutschland wurden bis zu 10 mm in Todtmoos erreicht. Der Wind war im
Bereich des Tiefs meist nur schwach ausgeprägt, in Gebirgs- und Küstenregionen
wurden aber vereinzelt Sturmböen der Windstärke 10 verzeichnet. In Capo Pertusato,
die Südspitze der französischen Mittelmeerinsel Korsika, wurde um 22 Uhr MEZ
eine Spitzenböe mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h gemessen. Im Südwesten
Deutschlands war es mit Tageshöchsttemperaturen von teils unter 10°C
ungewöhnlich kühl für diese Jahreszeit. In Münsingen-Apfelstetten wurde
beispielsweise nur eine Maximaltemperatur von 6°C erreicht, in der bayerischen
Stadt Zwiesel im Südosten Deutschlands hingegen stieg die Temperatur bei
ähnlicher geographischer Höhe auf 16°C.
Am Folgetag,
dem 02.05.2021 um 01 Uhr MEZ befand sich Tiefdruckgebiet DANIEL mit seinem Kern
im Osten Italiens nahe Venedig. Sein Kerndruck betrug etwa 1005 hPa. Eine
Okklusionsfront, also eine Mischfront, die durch das Einholen der Warmfront
durch die Kaltfront entsteht, erstreckte sich vom Nordwesten Italiens bis zum
Okklusionspunkt im Zentrum des Tiefs bei Venedig. Als Okklusionspunkt
bezeichnet man den Ort, an dem Kalt- und Warmfront im Bodenniveau
aufeinandertreffen. Von diesem Punkt aus verlief die Kaltfront im Bogen zunächst
südlich über die italienische Halbinsel und Sizilien und weiter südwestlich bis
nach Tunesien. Die Warmfront erstreckte sich ein kurzes Stück nordöstlich durch
einen weiteren Kern des Tiefdruckgebietes über Österreich und von dort aus
weiter östlich bis zur Ukraine. Im Osten der Alpen kam es teilweise zu sehr
starkem Regenfall. Im Dorf Musi im Nordosten Italiens fielen bis 19 Uhr MEZ
sehr hohe 12-stündige Niederschlagsmengen von 116 mm. Auch außerhalb der Alpen
kam es im Osten Europas zu mäßig bis starkem Niederschlag. Die polnische Stadt
Torun an der Weichsel meldete im selben Zeitraum Höchstwerte von 50 mm - das
ist praktisch die normale Monatssumme des Monats Mai an einem Tag.
Durch die
Lage Deutschlands auf der Rückseite des Tiefs folgte eine nördliche
Luftströmung, die weiterhin sehr kühle Luftmassen heranführte. Die
Höchsttemperaturen betrugen meist zwischen 9°C in Cottbus und 15°C in Waghäusel
in Baden-Württemberg. Zudem fühlte es
sich unter den Regenwolken ausgesprochen kalt an. Beispielsweise wurde in
Poznan nur ein Maximum von 6°C verzeichnet. Durch die Niederschlagsabkühlung
wurde es im Tagesverlauf immer kälter, am Nachmittag meldeten mehrere Orte bei
starkem Regen nur noch Werte von 3°C. Zu diesem Effekt kommt es, wenn Schnee
aus höheren Luftschichten in wärmere Luft fällt und schmilzt. Durch den
Schmelzvorgang wird der Umgebungsluft Wärme entzogen. Je stärker der
Niederschlag, desto größer der Effekt. Gleichzeitig erreichte der Wind in Böen
Stärke 7 bis vereinzelt 8, was zu dem ungemütlichen Wettercharakter beitrug. In
osteuropäischen Gebirgsregionen wurden vereinzelt Windböen bis Windstärke 12,
also Orkanstärke, verzeichnet. Auf dem Berg
Kasprowy Wierch an der polnisch-slowakischen Grenze wurden Spitzenwerte von bis
zu 126 km/h erreicht. Ein schwerer Sturm fegte mittags über Wien hinweg, mit
Spitzenböen von bis zu 104 km/h in der Innenstadt und 111 km/h auf der Hohen
Warte bis 13 Uhr MEZ. Aus diesem Grund lässt sich das Tief DANIEL mittlerweile
in die Kategorie Sturmtief einordnen.
In der Nacht
zog das Hauptniederschlagsfeld nach Litauen und Nordostpolen. Dabei sank die
Schneefallgrenze zeitweise ganz bis in tiefe Lagen. Um 22 Uhr MEZ meldete
Allenstein bei 0°C mäßigen Schneefall. Obwohl die Temperatur zum Morgen wieder
anstieg, wurde um 07 Uhr MEZ noch eine 2 cm hohe Schneedecke gemeldet. Im
litauischen Schaulen (Siauliai) wurden am Morgen sogar 6 cm Schnee gemessen.
Dort fielen in der Nacht 45 mm. Um 01 Uhr MEZ am 03.05.2021 befand sich
Sturmtiefwirbel DANIEL mit einem Kerndruck von circa 995 hPa nahe der
litauischen Hauptstadt Vilnius. Die Okklusionsfront der Zyklone verlief vom
Kern östlich bis zum Okklusionspunkt nördlich von Minsk, von wo aus die
Warmfront weiter östlich in Russland hineinreichte und die Kaltfront in süd-
bis südwestlicher Richtung die Ukraine und Rumänien überquerte und bis ins Adriatische
Meer reichte. Besonders im Bereich von Litauen bis Estland und östlich davon in
Russland kam es zu leichtem bis mäßigem Regenfall. Maximale 12-stündige
Niederschlagshöhen von 21 mm wurden bis 19 Uhr MEZ in der russischen Stadt
Waluiki gemessen. Im Kaltluftsektor auf der Rückseite der Kaltfront wurden in
Litauen und Lettland teils geringe Tageshöchsttemperaturen nur knapp über dem
Gefrierpunkt gemeldet. Die geringste Höchsttemperatur erreichte die
Wetterstation in Zoseni in Lettland mit 1°C. Am Vortag betrug die
Maximaltemperatur dort noch 10°C.
Am 04.05.2021
um 01 Uhr MEZ befand sich der Kern von Tief DANIEL mit einem nahezu
unveränderten Luftdruck von knapp 995 hPa südlich von St. Petersburg. Eine
Okklusionsfront erstreckte sich vom Kern aus östlich bis zu einem zweiten
Tiefdruckkern über Russland, der auf der Berliner Wetterkarte mit DANIEL II
bezeichnet wurde und ebenfalls einen Luftdruck von um die 995 hPa aufwies. Von
dort aus verlief die Kaltfront südlich bis ins Schwarze Meer und die Warmfront
weiter östlich durch Russland hinaus aus dem Darstellungsbereich der Berliner
Wetterkarte. Bis auf geringe 12- stündige Niederschlagsmengen von bis zu 9 mm
im Westen Russlands hatte das Tief keinen signifikanten Einfluss mehr auf das
Wettergeschehen Europas.
In den
kommenden drei Tagen verlagerte sich die Zyklone DANIEL, wieder aus nur einem
Kern bestehend, weiter nordostwärts über den Norden Russlands hinweg, bis das
Tief schließlich am 07.05.2021 um 01 Uhr MEZ etwa 300 km östlich von Workuta
ein letztes Mal analysiert wurde, bevor es letztendlich aus dem
Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte entschwand.