Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet DETLEF
(getauft am 07.11.2019)
Dynamische Tiefdruckgebiete entstehen im
Bereich der Polarfront und werden auch als Zyklonen bezeichnet. Die Polarfront
trennt warme Tropikluft von kalter Polarluft. Durch die vorhandenen Temperatur-
und Dichteunterschiede zwischen der Warm- und Kaltluft kommt es zu Einbrüchen
der Kaltluft in die Warmluft und im Bereich der mittleren Troposphäre (etwa 5,5
km Höhe) bilden sich sogenannte Höhentröge und Höhenkeile aus. An der
Vorderseite eines Höhentroges bewirken aufsteigende Luftmassen einen sinkenden
Luftdruck am Boden, wodurch Tiefdruckgebiete entstehen. So begann sich auch am
05.11.2019 über dem Westen Kanadas eine Zyklone zu entwickeln. Ein Bodentief
beschränkt sich dabei nicht auf eine bestimmte Höhe. Es setzt sich als Wirbel
bis in die höheren Luftschichten fort. Das korrespondierende Höhentief befand
sich dabei nordwestlich der Zyklone. Da
die Durchmischung der beiden verschiedenen Luftmassen im Tiefdruckgebiet Zeit
benötigt, bildet sich ein typisches Frontensystem mit einer vorlaufenden
Warmfront in Richtung Süden und einer nachfolgenden Kaltfront in südwestlicher
Richtung aus. Entlang der Höhenströmung wurde das Tiefdruckgebiet in den
folgenden Tagen weiter ostwärts in Richtung Atlantik gelenkt und konnte
erstmals am 06.11.2019 mit einem Kerndruck von 1010 hPa im Ausschnitt der
Berliner Wetterkarte analysiert werden. Über dem Atlantik konnte sich das Tief
im Laufe des Tages weiter intensivieren. Dadurch wurde die Wetterwirksamkeit
des Tiefdruckgebiets für Europa absehbar und wurde am 07.11.2019 in der
Prognose für den Folgetag auf den Namen DETLEF getauft. Dabei befand sich der
Kern des Tiefs DETLEF mit einem Luftdruck von 985 hPa vor der Atlantikküste der
Labradorhalbinsel.
In den folgenden 24 Stunden sank der
Luftdruck im Kern der Zyklone DETLEF weiter und sie erreichte ihren Höhepunkt.
Mit einem Kerndruck von nur noch 975 hPa wurde der Tiefdruckkern am 08.11.2019
um 00 Uhr UTC über der Labradorsee vor der Südwestküste Grönlands analysiert. Währenddessen
näherte sich das korrespondierende Höhentief an und befand sich zu diesem
Zeitpunkt genau über Tief DETLEF. Auch das Frontensystem des Tiefs entwickelte
sich weiter. Die schneller vordringende Kaltfront holte die Warmfront ein und
die Zyklone begann zu okkludieren. Die Okklusion, also der Zusammenschluss aus
Kalt- und Warmfront, begann im zentralen Bereich des Tiefs und setzte sich von
dort aus reißverschlussartig nach außen fort. Die Okklusionsfront erstreckte
sich dabei in südliche Richtung über den Nordatlantik und spaltete sich am
Okklusionspunkt nördlich der Azoren in eine kleine, nach Süden verlaufende
Warmfront und eine südwestlich verlaufende Kaltfront auf.
In den folgenden Stunden schwächte sich Tief
DETLEF allmählich ab und verlagerte sich mit der Höhenströmung weiter in
Richtung Osten. Am 09.11. um 00 Uhr UTC befand sich die Zyklone mit einem
Kerndruck von 990 hPa über dem Nordatlantik südwestlich von Island. Die Kaltfrontokklusion
erreichte mit ihrem Regengebiet in den Morgenstunden zunächst Irland. So wurden
in Mace Head an der Westküste bereits um 6 Uhr UTC 12 mm in den vergangenen 12
Stunden gemeldet, in Dublin 8 mm. Im Laufe des Tages verlagert sich die
Okklusionsfront weiter ostwärts, wodurch auch im Süden Großbritanniens, in der
Bretagne sowie im Norden Spaniens teils kräftiger schauerartiger Regen
einsetzte. Zwischen 06 Uhr und 18 Uhr UTC fielen dadurch beispielweise in Lyneham nahe Bristol und Renne in der Bretagne 15 mm, in
Laval sogar 30 mm und auch in Hondarribia konnten 21
mm gemessen werden. In Küstennähe frischte auch der Wind auf und erreichte
verbreitet Stärke 6 bis 8. Die
Temperaturen im Einflussbereich blieben dabei mit rund 10°C relativ mild. Vor
allem an der Nordküste Spanien verstärkte sich der Regen in den Abendstunden.
Um 22 Uhr UTC wurden 3-stündig noch einmal bis zu 17,6mm in Balmaseda
gemessen. Im Tagesverlauf verlagerte sich auch der Tiefdruckkern der Zyklone entlang
der Rückseite des Höhentrogs, der sich über Mitteleuropa aufgebaut hatte und
für das Einfließen kalter Polarluftmassen sorgte, in Richtung Südosten.
So wurde am 10.11.2019 um 00 Uhr UTC Tief
DETLEF mit einem Kern über dem Süden Großbritanniens sowie über Nordfrankreich
und einem zweiten Kern über dem Balearen-Meer analysiert. Durch das Auftreffen
auf die Landmassen schwächte sich das Tief DETLEF weiter ab. Der Luftdruck
stieg dabei auf 1005 hPa bzw. 1010 hPa in Kern DETLEF II an. Ausgehend von Kern
DETLEF I erstreckte sich eine Okklusionsfront in Richtung Nordwesten bis vor
die Westküste Grönlands und in Richtung Süden bis zum Kern DETLEF II. Dort
spaltete sie sich in eine nach Südosten verlaufende Warmfront und eine nach
Südwesten verlaufende Kaltfront auf. Während die Niederschläge im restlichen
Einflussbereich nachließen, brachte das Tief DETLEF II den Balearen in den
Morgenstunden reichlich Regen. In Pollença auf
Mallorca fielen 3-stündig beispielweise 17,4 mm, in Ciutadella-Son
Quim auf Menorca sogar 21,8 mm. Begleitet wurden die
Niederschläge mit Windböen der Stärke 6 bis 7, vereinzelt sogar bis Stärke
10. Über dem 20°C bis 22°C warmen Wasser
des westlichen Mittelmeerraums konnte sich Tief DETLEF im Tagesverlauf zu einem
kleinräumigen Sturmtief verstärken. In der mittleren Troposphäre kam es zeitgleich
über dem westlichen Mittelmeerraum zu einem sogenannten Cut-Off Effekt, wobei ein
Teil der südlich dringenden Polarluftmasse über dem warmen Mittelmeerraum abgeschnürt
wird. So war der Luftdruck im Kern bis zum 11.11. um 00 Uhr UTC noch einmal auf
1000 hPa gefallen. Der einzelne Kern des Tiefs DETLEF befand sich zu dieser
Zeit zwischen den Balearen und Sardinien. In den frühen Morgenstunden wurden
auf Mallorca am Leuchtturm von Capdepera orkanartige
Böen der Stärke 11 registriert. Auch auf Menorca meldete man starke Sturmböen
und zusätzlich 24-stündig bis zu 72 mm Regen. Auch auf Korsika meldete man
24-stündig bis zu 61,9 mm Niederschlag. Die Temperaturen stiegen im Vergleich
zum Vortag um 1-2 K leicht an auf rund 15°C auf den Balearen und auf 18°C auf
Korsika und Sardinien. Auf der Vorderseite des Tiefs gelang warme Luft aus
Afrika nach Italien und in den östlichen Mittelmeerraum, der sogenannte Scirocco
setzte ein. In Ustica auf Sizilien werden so Höchsttemperaturen von 23°C
gemeldet. Auch auf Malta und dem südlichen Adriaraum wurden Temperaturen über 20°C
erreicht.
Am 12.11. um 00 Uhr UTC befand sich der Kern
von Tief DETLEF bei unverändertem Luftdruck von knapp 1000 hPa unweit von
Tunis. Auch eine Warmfront, die sich in Richtung Osten über Süditalien bis nach
Griechenland erstreckte und eine Kaltfront, die in südöstliche Richtung bis
nach Libyen reichte, konnten sich wieder ausbilden. Die Zyklone DETLEF sorgte
damit im zentralen Mittelmeerraum für kräftige Schauer und Gewitter. So fielen
beispielweise in Catanzaro in Kalabrien 12-stündig bis 06 Uhr UTC 78 mm Regen. Im
Laufe des Tages verlagerte sich Tief DETLEF entsprechend der Höhenströmung
weiter in Richtung Norden. Es stellte sich eine sogenannte Vb-Wetterlage
ein. In den Abendstunden kam es am südlichen Alpenrand zur Okklusion der Warm-
und Kaltfront. Dadurch glitt die wärmere feuchte Mittelmeerluft auf die kalte
Polarluft auf, wodurch die typischen kräftigen Niederschläge einsetzten.
Verstärkt wurden die Niederschläge durch die erzwungene Hebung der Luftmassen im
Alpenraum. Im Nordosten Italiens und
entlang der Adria fielen so von 18 Uhr UTC 12.11. bis 6 Uhr UTC vielerorts 30
bis 45 mm Regen, in Tambre in der Provinz Belluno in Venetien sogar 61,2 mm und auch im Nordwesten Slowenien
konnten an der Bergstation Kredarica 57,1 mm gemessen
werden. Durch die Lage des Tiefdruckgebiets DETLEF intensivierte sich auch der
Scirocco im Tagesverlauf. In Dubrovnik wurden um 18 Uhr UTC Windböen bis 100
km/h gemeldet, in Split sogar bis 119 km/h. Der orkanartige Südwind mit Böen
bis zu 100 km/h dauerte die Nacht über an und verursachte in Venedig die höchste
Flut seit 1966. Zusätzlich zu den üblichen Gezeiten, besonders zum
vorherrschenden Vollmond, ließen die Winde den Meeresspiegel ansteigen. Der Pegel
stieg dadurch um kurz vor Mitternacht auf bis zu 1,87 m.
Bis zum 13.11. um 00 Uhr UTC war der
Kerndruck dabei noch einmal auf 995 hPa gesunken. Die Okklusionsfront erstreckte sich zu diesem
Zeitpunkt in Richtung Süden über Sizilien bis nach Afrika und in nördlicher
Richtung über Norditalien und Slowenien bis zum Okklusionspunkt, der in der
Nähe Zagrebs lag. Von dort aus reichte sie als Warmfront weiter über Ungarn,
Polen und die Ostsee und ging in das Frontensystem des nachfolgenden Tiefs
ELVIS III, dessen Kern sich nahe Trondheim befand, über. Vom Okklusionspunkt in
Richtung Süden spaltete sich eine Kaltfront ab, die über die Adria und
Griechenland bis über den afrikanischen Kontinent reichte. Die Okklusion
erreichte die Kaltfront in den Vormittagsstunden, wodurch die kräftigen Niederschläge
entlang des südöstlichen Alpenrands sowie über der Adria und Griechenland den
Tag über anhielten und sich die Lage hinsichtlich des Hochwassers nicht
entspannen konnte. Mit der über dem östlichen Mittelmeer herrschenden südlichen
Höhenströmung auf der Trogvorderseite verlagerte sich
Tiefdruckgebiet DETLEF im Laufe des Tages rasch nordwärts an den Alpen vorbei und
verlor an Intensität. Auch die Sciroccowinde nahmen
zum Abend hin langsam ab. Wurden um 12 Uhr UTC in Dubrovnik noch Böen bis 93
km/h gemeldet, waren es um 18 Uhr UTC nur noch Böen bis 65 km/h.
Der Kern der Zyklone DETLEF konnte am 14.11.
um 00 Uhr UTC mit einem Kerndruck von 1005 hPa nahe Danzig an der polnischen
Ostseeküste analysiert werden. Die schwache Kaltfront erstreckte sich davon in
südlicher Richtung über Warschau und Budapest bis über das Ionische Meer. Die Warmfront
lag zeitgleich über der Ostsee und Zentralfinnland und erstreckte sich bis hin
zum Hochdruckgebiet PALOMA, welches sich mit einem Luftdruck von 1040 hPa im
Zentrum über Westrusslands befand. Dabei kam es in den Morgenstunden im Bereich
der Fronten noch zu vereinzelten Niederschlägen. Im Bereich des Kerns in Lebork fielen 12 stündig bis 06 Uhr UTC noch 15,0 mm. Da
sich auch über Deutschland und dem Alpenraum eine Zone höheren Luftdrucks mit
1010 hPa befand, blieben hier die Niederschläge aus und nach Nebelauflösung gab
es sogar etwas Sonnenschein.
Bis zum 15.11. um 00 UTC zog das
Tiefdruckgebiet DETLEF weiter in Richtung Nordosten. So konnte der Kern des
Tiefs mit beständigem Luftdruck von 1005 hPa in der Nähe von Murmansk
analysiert werden. Das Frontensystem der Zyklone bestand zu diesem Zeitpunkt
aus einer schwachen Warmfront, die sich in Richtung Südosten erstreckte, einer
okkludierten Warmfront, die in südlicher Richtung lag und bis zur Slowakei
reichte, sowie einer weiteren Okklusionsfront, die in südwestlicher Richtung
bis Helsinki reichte. Im Laufe des Vormittags intensivierte sich Tief DETLEF
noch einmal über der Barentssee und der Luftdruck im Kern sank auf 995 hPa. Am
16.11. 00 Uhr UTC lag der Kern der Zyklone über der Petschorasee,
vor der Nordküste Russlands. Am 17.11.2019 um 00 UTC konnte das Tiefdruckgebiet
DETLEF letztmalig auf der Bodenwetterkarte der Berliner Wetterkarte mit einem
Kerndruck von 1015 hPa bei Workuta in Russland analysiert werden bevor es in
den folgenden Stunden endgültig aus dem Darstellungsbereich der BWK verschwand.