Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet DIETER

(getauft am 08.11.2015)

 

Am 8. November 2015 wurde ein Tiefdruckgebiet, das sich im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Höhentiefs, also einem Vorstoß kalter Luftmassen nach Süden, über dem Osten Kanadas gebildet hatte, auf den Namen DIETER getauft. Zum Zeitpunkt der Taufe lag das Tiefdruckgebiet DIETER mit einem Kerndruck von unter 960 hPa vor der Küste von Labrador. Von dort zog sich in südöstlicher Richtung eine Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, bis zum Okklusionspunkt, der etwa 800 km südlich der Südspitze von Grönland lag. Am Okklusionspunkt traf die in südlicher Richtung bis ungefähr 1500 km westlich der Inselgruppe der Azoren reichende Warmfront mit der weiter westlich folgenden Kaltfront zusammen. Letztere erstreckte sich vom Okklusionspunkt über den westlichen Nordatlantik bis über die Küstengewässer vor der US-amerikanischen Ostküste auf der Breite der Hauptstadt Washington. An der Küste der Labrador-Halbinsel, aber auch im Binnenland kam es im Zusammenhang mit dem Bodentief DIETER und dem erwähnten Höhentief zu wiederholten Schneefällen. In Wabush im Westen der kanadischen Provinz Neufundland und Labrador nahe der Grenze zur Provinz Quebec wurde aufgrund der herangeführten kalten Luftmassen nur eine Höchsttemperatur von -6°C erreicht, während die Temperatur am Vortag bis in den Bereich des Gefrierpunktes gestiegen war.

Bis zum Morgen des Folgetages hatte sich der Wirbel DIETER mit der Verlagerung des zugehörigen Höhentiefdruckgebietes deutlich weiter nach Osten bewegt. Das Tief DIETER lag nun mit zwei Kernen über dem zentralen Nordatlantik. Das Teiltief DIETER I befand sich mit einem Kerndruck von knapp unter 965 hPa etwa 500 km südöstlich der Südspitze Grönlands. Nach Westen bis Südwesten zog sich eine Okklusionsfront, die ungefähr 500 km östlich von Neufundland und Labrador endete. Nach Osten zog sich eine weitere Okklusionsfront, die bis zum Teiltief DIETER II mit einem Kerndruck von etwas unter 975 hPa und einer Position rund 600 km südlich von Island reichte. Weiter in östlicher bis südlicher Richtung beschrieb die Okklusionsfront einen Bogen westlich von Irland bis zum Okklusionspunkt, der etwa 800 km südwestlich von Irland und ungefähr 1000 km nordwestlich der Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel lag. Vom Okklusionspunkt verlief eine Warmfront in südwestlicher Richtung bis etwa 200 km nördlich der Azoren. Wenig weiter westlich der Warmfront folgte eine Kaltfront, die etwa auf halbem Wege zwischen dem Okklusionspunkt und den Azoren in die Warmfront eines weiter westlich gelegenen Wellentiefs überging. Somit war der Bereich zwischen Warm- und Kaltfront des Tiefdruckgebietes DIETER, der sogenannte Warmluftsektor, schmaler geworden. Dies lag an der Eigenschaft von Kaltfronten, sich in der Regel schneller als Warmfronten zu verlagern.

Bis zum Morgen des Folgetages brachte das im Wesentlichen dem Teiltief DIETER II zuzuordnende Frontensystem im Westen und Norden der Britischen Inseln teils kräftigen Niederschlag. Das Wellentief, das sich an die Kaltfront des Tiefs DIETER anschloß, hatte allerdings auch einen entscheidenden Anteil an den Niederschlagssummen in Irland und Schottland. Im westirischen Shannon kamen 24-stündig 10 l/m², während in der Hauptstadt Dublin 6 l/m² fielen. Im schottischen Glasgow wurden 22 l/m² registriert, während an der Wetterstation Stornoway auf den ebenfalls zu Schottland gehörenden Äußeren Hebriden 4 l/m² gemessen wurden. Außerdem kam es bei dem Durchzug der zum Tief DIETER gehörenden Fronten und des nachfolgenden Wellentiefs aufgrund des starken Luftdruckgradienten in Irland, Schottland, Wales und Nordengland in tieferen Lagen häufiger zu Sturmböen, an der Küste und im Bergland wurden sogar schwere Sturmböen oder orkanartige Böen, in den schottischen Highlands Böen der Orkanstärke 12 gemessen. Das als DIETER bezeichnete Tiefdruckgebiet, das aus dem zuvor als DIETER I hervorgegangen war, lag mit nahezu unveränderter Position etwa 500 km südöstlich der Südspitze Grönlands, wobei der Kerndruck nun knapp 970 hPa betrug. Vom Kern des Tiefs DIETER zog sich eine Okklusionsfront über den Süden Islands bis in den Südosten Islands. Dort lag der Kern eines unbenannten Tiefs, das über ein komplexes Frontensystem, welches über Skandinavien, das Baltikum, Norddeutschland und die Nordsee bis nach Nordschottland reichte, mit dem erwähnten Wellentief verbunden war und aus dem Teiltief DIETER II hervorgegangen war.

Am Morgen des 11. November wurden erneut zwei Teiltiefs analysiert. Der Wirbel DIETER I lag mit einem Kerndruck von unter 980 hPa südwestlich von Island. Das Tief DIETER II, hervorgegangen aus dem am Vortag beschriebenen unbenannten Tief, welches über Skandinavien mit der kräftigen Höhenströmung, dem sogenannten Jetstream, nach Osten bis Südosten zog, lag mit einem Kerndruck von etwas unter 995 hPa über der östlichen Ukraine. Zwischen beiden Teiltiefs lag über dem Nordmeer das Tief CARSTEN, und über dem westlichen Alpenraum hatte das umfangreiche Hoch ULRIKE sein Zentrum. Die Wetteraktivität des Teiltiefs DIETER I spielte sich hauptsächlich über dem Meer im Bereich von Island und Südgrönland ab. Dagegen beeinflusste das Tief DIETER II das Festland mit seiner vom Raum Moskau bis zum nördlichen Schwarzen Meer reichenden und dann in die Warmfront des weiter Wellentiefs mit Kern über der mittleren Ostsee übergehenden Okklusionsfront, die zeitweise mehr den Charakter einer Kaltfront annahm.

Bis zum Morgen des 12. November kam es in Folge des Tiefdruckgebietes DIETER II zwischen dem Moskauer Raum und dem Ural zeitweise zu Schneefällen, während es vom Gebiet westlich der russischen Hauptstadt bis nach Südrußland an den Ausläufern des Kaukasus gelegentlich regnete. In Simferopol auf der Krim kamen 24-stündig bis zum Morgen um 07 Uhr MEZ des 12. November 16 l/m² zusammen, während im gleichen Zeitraum im nordosttürkischen Artvin 81 l/m² gemessen wurden, was auf kräftige Schauer zurückzuführen ist. Am 12. November war das Tiefdruckgebiet DIETER mit seinen Teiltiefs DIETER I und DIETER II zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Über dem Nordwesten Europas übernahm in den Folgetagen das Tiefdruckgebiet FRANK die steuernde Funktion, während sich aus dem Teiltief DIETER II eine Tiefdruckrinne im Bereich des südlichen Urals entwickelte.

 

 

Geschrieben am 13.01.2016 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 09.11.2015

Pate: Sven Dieter Laucke