Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet DIETER

(getauft am 11.01.2011)

 

Im Bereich eines kräftigen Höhentiefs über der kanadischen Insel Neufundland, wo im Druckniveau von 500 hPa, also etwa 5,5 km Höhe, eine Temperatur von ungefähr -30°C herrschte, bildete sich auch am Boden ein Tiefdruckgebiet, das am 11. Januar 2011 auf den Namen DIETER getauft wurde. Knapp östlich von Neufundland herrschte im Kern der Zyklone ein Druck von unter 975 hPa. Am nächsten Tag war das Tief DIETER mit der westlichen Höhenströmung über den Nordatlantik nach Osten gezogen. Dabei hatten sich, analog zu zwei Zentren im 500 hPa-Druckniveau, zwei Kerne im Bodendruckfeld gebildet, und zwar DIETER I ca. 1000 km südlich von Grönland und DIETER II ungefähr 500 Kilometer südlich von Island. Vom letztgenannten Zentrum reichte eine Okklusionsfront, also eine Luftmassengrenze mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, bis in den Nordwesten Irlands. Dort befand sich der Okklusionspunkt, wo sich die langsamere Warmfront und die schnellere Kaltfront wie ein Reißverschluss zusammenzogen. Vom Okklusionspunkt ausgehend verlief die Warmfront über den Westen Englands bis nach Südwestfrankreich, während die Kaltfront nach Südwesten bis auf den Atlantik vor die irische Küste reichte. Mit der Überquerung durch die Fronten gerieten die Britischen Inseln in ein ausgedehntes Niederschlagsgebiet. So meldeten am Morgen unter anderem die englischen Wetterstationen in London und Manchester sowie im schottischen Glasgow Regen. Im Tagesverlauf wurde die Struktur des Tiefdrucksystems  DIETER noch komplexer, und es bildete sich ein dritter Kern. DIETER I war das westlichste Zentrum über dem zentralen Nordatlantik, gefolgt von DIETER II südwestlich von Island, und DIETER III lag über der nördlichen Nordsee. Die drei Teiltiefs waren durch Okklusionsfronten miteinander verbunden, die sich im Satellitenbild in Form von Wolkenbändern bemerkbar machten. Ausgehend von den Tiefdruckzentren DIETER I und II zog sich eine Okklusion bis nach Nordwestirland. Vom Kern DIETER III reichte eine weitere Okklusion bis nach Niedersachsen. Die schnell aufeinanderfolgenden Fronten sorgten in Nordwesteuropa für weitere teils ergiebige Niederschläge. Bis zum Morgen des 13. Januar kamen an den Stationen Plymouth in Südengland und Shannon in Irland innerhalb von 24 Stunden jeweils 11 l/m² zusammen, im niederländischen Rotterdam waren es sogar 28 l/m². Mit der weiteren Verlagerung des Tiefdrucksystems DIETER nach Osten wurde auch Deutschland überquert. Dabei wurde die vorher vorhandene kalte Luft durch mildere, aber auch feuchte Luft von Westen ersetzt. Mittags gab es an der Ostsee gebietsweise Nebel bei Temperaturen zwischen 1°C auf Rügen und 4°C in Rostock, während es am Mittelrhein bis zu 12°C mild war. Mit der Milderung verbunden waren auch ausgedehnte Niederschläge, wobei die höchsten Mengen in höheren Lagen und im Westen bis Südwesten Deutschlands auftraten. Bis zum Morgen des 14. Januar wurden beispielsweise auf dem Kahlen Asten in Nordrhein-Westfalen 36 l/m², auf der Schmücke in Thüringen 47 l/m² und in Freudenstadt im Schwarzwald 55 l/m² erreicht. Dazu kam es im Bergland gebietsweise zu Sturm, und auch der Mittelwind erreichte teils die Stärke 7, wie auf dem Fichtelberg im Erzgebirge, oder 8, wie auf dem Brocken im Harz. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich ein alleiniges Zentrum des Tiefdruckgebietes DIETER mit einem Kerndruck von unter 975 hPa südwestlich von Island gebildet, von dem aus die Okklusion bis nach Mecklenburg-Vorpommern reichte. Ab dort verlief die Warmfront bis nach Ungarn und die Kaltfront ging im Bereich von Sachsen-Anhalt in die Warmfront einer weiter westlich gelegenen Wellenstörung über. Am 15. Januar war das Tiefdruckzentrum vom Vortag als DIETER I weiterhin bei fast unveränderter Position, mittlerweile in Nachbarschaft zu einem neuen Nordatlantiktief namens EVANGELOS, zu sehen, während sich am Okklusionspunkt des Vortages ein weiteres Teiltief, erneut mit DIETER II benannt, gebildet hatte und über Dänemark lag. Von Frankreich über Deutschland bis zur südlichen Ostsee kam es gebietsweise zu Regenfällen, ab etwa 1000 Metern Höhe auch zu Schneefall. Am 16. Januar war das Tief mit einem einzigen Kern, DIETER II, in dem ein Druck von ca. 1015 hPa herrschte, über der Krim zu erkennen. Das Tiefdruckzentrum DIETER I war in den nachfolgenden Tiefdruckkomplex EVANGELOS über dem Europäischen Nordmeer integriert. Im Bereich des Tiefs DIETER II gab es entlang der Kaltfront von Südrussland über den östlichen Balkan bis nach Griechenland Regen. Vom 17. Januar an verlagerte sich das Tiefdruckgebiet DIETER über die Wolga weiter in Richtung Osten, brachte im südlichen Russland weiterhin Regen, zunehmend auch Schnee durch den Zustrom kalter polarer Luftmassen aus Norden am Rande eines umfangreichen Hochdruckgebietes über dem nördlichen Westsibirien, und war am 19. Januar über dem südlichen Ural zum letzten Mal als eigenständiges Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.

 


Geschrieben am 03.03.2011 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 13.01.2011

Pate: Dieter Folgmann