Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
DIETER
(getauft am
17.03.2017)
Am 16.03.2017 entwickelte
sich auf der Ostseite der Kaltfront eines über der kanadischen Provinz Québec
liegenden Tiefdruckgebiets eine Tiefdruckwelle, welche nordostwärts über den
Atlantik zog und sich dabei verstärkte. Das entstehende Tief hatte ein
eigenständiges Frontensystem ausgebildet, welches zum Abend zu okkludieren
begann. In der Meteorologie bezeichnet eine Okklusion oder Okklusionsfront eine
Mischfront aus Kalt- und Warmfront, die entsteht, wenn die nachfolgende und
schneller ziehende Kaltfront die vorlaufende Warmfront einholt und die warme
Luft vom Boden anhebt. Der Punkt, an dem Kalt- und Warmfront zusammentreffen,
heißt Okklusionspunkt.
Bis 01 Uhr MEZ des
17.03. war das Tief über die Labradorsee gezogen, wobei der Luftdruck im Kern
des Tiefs auf unter 990 hPa gesunken war. An den Fronten, welche weit über den
nördlichen Atlantik reichten, trat kräftiger Niederschlag auf. Dieser konnte
jedoch aufgrund der Lage über dem Ozean von keiner Wetterstation erfasst
werden. Da das Tiefdruckgebiet das Wettergeschehen in den darauffolgenden Tagen
in Mitteleuropa mitbestimmen sollte, wurde es am Morgen des 17.03.2017 von den
Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen DIETER getauft.
In den folgenden
Stunden zog das Tief DIETER an der Südspitze Grönlands entlang, wo es zu
leichten Schneefällen kam. Die Warmfront erreichte am späten Vormittag den
Nordwesten Großbritanniens und Irlands. Dort intensivierte sich der zuvor schon
aufgetretene leichte Regen. Am Mittag und Nachmittag des 17.03. zog die
Warmfront des Tiefs DIETER langsam über Großbritannien hinweg, wobei besonders
an den Westküsten und in Irland hohe Niederschlagssummen zustande kamen. Das
Frontensystem des Tiefdruckwirbels okkludierte derweil weiter und das Zentrum
des Tiefs verlagerte sich bei leicht abnehmendem Luftdruck in Richtung Island.
Zum Tagesanbruch
des 18.03. befand sich der Kern des Tiefs DIETER ca. 1500 km westlich vor der
Küste Islands. Von dort aus reichte die Okklusion bis nördlich von Irland und
spaltete sich in die nun bis zur Nordsee gezogene Warmfront und die über den
Atlantik verlaufende Kaltfront auf. In der zweiten Nachthälfte regnete es vor
allem an den Westküsten Großbritanniens ergiebig weiter, sodass hier in einem
24-stündigen Zeitraum bis 07 Uhr MEZ die höchsten Niederschlagsmengen gemessen
werden konnten. Im walisischen Capel Curig wurden 33,0 mm registriert, im englischen Keswick
29,0 mm und an der irischen Militärstation Finner
21,1 mm. Gegen Mittag erreichte die Warmfront von Tief DIETER die
Beneluxstaaten und die weit über den Atlantik reichende Kaltfront Schottland.
Im Warmluftsektor zwischen Warm- und Kaltfront konnte maritime Subtropikluft in
den Süden und die Mitte Großbritanniens strömen, rückseitig der Kaltfront wurde
jedoch maritime Subpolarluft herantransportiert. So wurden an diesem Tag in
London Höchsttemperaturen von 15°C gemessen, im schottischen Hochland hingegen
wurden zumeist nur Temperaturen um den Gefrierpunkt erreicht. Zum Abend entwickelte
sich auf der Südseite des Tiefs DIETER ein starkes Windfeld, welches in
Großbritannien auch für Sturmböen sorgte. Zudem regnete es in einem Streifen
von Nordirland bis in den Westen Schottlands und nach Nordengland kräftig.
Um 01 Uhr MEZ am
19.03. befand sich das Zentrum des Tiefdruckwirbels DIETER über dem Süden
Islands, der Druck im Kern war nochmals auf ca. 883 hPa gesunken. Der
Okklusionspunkt befand sich über dem Nordosten Englands, bis wohin die vom
Zentrum aus reichende Okklusion führte. Die Kaltfront zog in südlicher Richtung
über Irland und England hinweg, die Warmfront verlagerte sich über die
Beneluxstaaten nach Deutschland und in den Alpenraum. Entlang der Warmfront
verstärkten sich die Niederschläge auch wieder, während sie sich an der
Kaltfront abschwächten. Auf der Rückseite des Tiefs DIETER hatte sich zudem
eine zweite, südwärts ziehende Okklusionsfront ausgebildet.
Die stürmischen,
teils auch starken Sturmböen zogen in der Nacht von Nordwesten im Bereich der
Kaltfront über Großbritannien hinweg. Auf dem 1211 m hohen Aonach
Mòr wurden dabei orkanartige Sturmböen bis 109,3 km/h
gemessen, auf dem 847 m hohen Great Dun Fell 90,8 km/h und in Capel Curig 85,2 km/h. Doch auch
im Flachland Englands und Irlands konnten stürmische Böen zwischen 60 und 70
km/h gemessen werden. Das Tief DIETER zog in der Folgezeit langsam weiter
ostwärts, wobei vor allem die Warmfront von der Nordsee über die Niederlande,
die Mitte Deutschlands und bis zu den Alpen für sich weiter intensivierenden
Regen sorgte. Bis 07 Uhr MEZ summierte sich so der in
der Nacht gefallene Niederschlag im bayerischen Gelbelsee
auf 24,0 mm, auf dem kleinen Feldberg im Taunus auf 20,0 mm, in Offenbach auf
17,0 mm und in Plauen auf 9,0 mm. Im nordirischen Ballypatrick
Forest wurden binnen 24 Stunden im Zusammenhang mit
den Niederschlagsgebieten des Tiefs DIETER 18,6 mm und im schottischen
Eskdalemuir 21,8 mm gemessen. Die starken Niederschläge an der Warmfront wurden
besonders durch die großen Temperaturgegensätze vor und hinter der Front
hervorgerufen, wodurch die maritime Subtropikluft zum schnellen Aufsteigen
gezwungen wurde. Am Vormittag wurden beispielsweise entlang des Rheins schon 12
bis 13°C gemessen, im Nordosten Deutschlands knapp 10°C weniger. Die kalte Luft
im Nordosten führte auch dazu, dass dort bei der ostwärts gerichteten
Verlagerung der Warmfront der Niederschlag zunächst als Schnee oder Schneeregen
fiel, bevor er später überall in Regen überging. Der Kern des Tiefs DIETER zog
derweil über das europäische Nordmeer in Richtung Norwegen und okkludierte
wieder stärker. Über Norddeutschland regnete es den gesamten Tag über kräftig
und länger anhaltend. Dabei wurden in Wittmund in nur 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ
27,0 mm Niederschlag gemessen, in Bremerhaven 23,0 mm und in Hamburg-Fuhlsbüttel 17,0 mm. Zum Abend erreichte die
Warmluft auch den äußersten Osten Deutschlands, was dazu führte, dass selbst
zur Nacht hin die Temperatur wieder zunahm. Um 19 Uhr MEZ wurden an der
Wetterstation in Angermünde noch 2,0°C gemessen, 6 Stunden später um 01 Uhr MEZ
am 20.03. war diese schon auf 9,4°C angestiegen.
Zu diesem Zeitpunkt
befand sich das Zentrum des Tiefs DIETER zwischen der isländischen und
norwegischen Küste über dem Nordatlantik, wobei der Luftdruck auf unter 975 hPa
gefallen war. Die Okklusion auf der Rückseite des Tiefs war über Island
hinweggezogen, die ab dem Tiefdruckzentrum in umgekehrter Richtung ziehende
Okklusion auf der Vorderseite über das südliche Norwegen und Schweden hinweg
bis zur Ostsee. Von dort aus reichte die Warmfront nun über Polen bis über den
Südosten Europas, die Kaltfront bis auf die Nordsee, wo sie in die Warmfront
des nachfolgenden Tiefs FALK über ging. Die Kaltfront war jedoch nicht mehr
besonders wetteraktiv, an ihr konnten lediglich ein paar Regenschauer entstehen.
Entlang der norwegischen Küste wurden in der Nacht stürmische Böen und
Sturmböen gemessen, welche im Bereich der Okklusion auf der Vorderseite des
Tiefs DIETER auftraten. Auf der Insel Kråkenes wurden maximale
Böen bis 104,5 km/h und auf Svinøy fyr bis 97,3 km/h registriert. Dort regnete es auch
zumeist, während der Niederschlag an der Okklusion im Skandinavischen Gebirge
und in Schweden bei leichten Minusgraden als Schnee fiel. Bis 07 Uhr MEZ war in
Bremerhaven mit 29,0 mm Niederschlag binnen 24 Stunden knapp die Hälfte des im März
üblichen Niederschlags gefallen. In Pec pod Sněžkou,
eine Ortschaft südlich der Schneekoppe im tschechischen Bezirk Trutnov, wurden 20,8 mm registriert, im norwegischen Kvamsøy 19,8 mm. Da der Niederschlag dort auch teilweise
als Schnee gefallen war, wurde am Morgen zudem eine Schneedecke von 7 cm gemessen.
Das Tiefdruckgebiet DIETER schlug im Tagesverlauf des 20.03.2017 eine
nordwestlichere Zugbahn entlang der norwegischen Küste ein. Dabei konzentrierte
sich die Wetteraktivität hauptsächlich auf den Bereich der Okklusion sowie das
direkte Umfeld des Tiefdruckkerns. Dort fiel in Atlantiknähe weiterhin Regen
und im skandinavischen Hochland und in Schweden Schnee. An der Warm- und
Kaltfront traten kaum noch Niederschläge auf. Das Hauptsturmfeld verlagerte
sich in den Norden Norwegens, dort wurden auf dem 591 m hohen Iskoras Böen bis 104 km/h gemessen, in Banak
86,5 km/h.
Zum Tagesbeginn des
21.03.2017 befand sich das Zentrum des Tiefdruckgebiets DIETER ca. 500 km vor
der nordwestlichen Küste Norwegens, wobei der Luftdruck weiterhin weniger als
975 hPa betrug. Die Okklusionsfront, welche sich vom Kern des Tiefs abgelöst
hatte, verlief von Nordschweden über die Ostsee bis nach Litauen. Die Warmfront
des Tiefs DIETER hatte sich weiter nordwärts bis zur Barentssee verlagert, die
Kaltfront reichte ein kurzes Stück entlang der norwegischen Küste. Da sich
jedoch ein Großteil des Frontensystems des Tiefs DIETER über offenen Gewässern
befand, konnte der überwiegende Teil der auftretenden Niederschläge nicht von
Wetterstationen erfasst werden. Das führte auch dazu, dass bis zum Morgen des
21.03. deutlich geringere Niederschlagssummen gemessen wurden, als noch am Tag
zuvor. So wurden im estnischen Valga 9,5 mm
registriert, im norwegischen Leknes 9,6 mm und in
Hammerfest, der nördlichsten Stadt Europas, 2,9 mm. In der darauffolgenden Zeit
verlagerte sich das Tief DIETER und schwächte sich dabei leicht ab. Die
Niederschläge konzentrierten sich nun auf den Bereich des Nordpolarmeers, den
Küsten im Nordwesten Norwegens und bis zur Südspitze der Insel Spitzbergen. Auf
der Rückseite des Tiefs DIETER strömte nun mit der Kaltfront auch vermehrt
Arktikluft von Grönland über den Nordatlantik in Richtung Skandinavien.
Um 01 Uhr MEZ des
22.03. wurde der Tiefdruckkern des Wirbels DIETER an einer ähnlichen Position
wie am Tag zuvor analysiert, der Druck war jedoch auf über 983 hPa deutlich
angestiegen. Die Warmfront war bis zur russischen Insel Nowaja Semlja
weitergezogen, die Kaltfront befand sich unverändert vor der norwegischen Küste
und sorgte dort für Regenschauer. Signifikant hohe Niederschlagssummen wurden
hierbei aber nicht mehr gemessen. In Leknes kamen bis
07 Uhr MEZ nochmals 6,2 mm zusammen, auf Jan Mayen gerade einmal 0,8 mm. Im
Verlauf des 22.03. zog das Tief DIETER wieder weiter nordwärts in Richtung
Spitzbergen. Die Warmfront zog dabei auf Spitzbergen zu, die Kaltfront
überquerte den Westen Skandinaviens, was dazu führte, dass die postfrontal
einströmende Arktikluft das skandinavische Festland erreichte und dort für
einen deutlichen Temperaturrückgang im Vergleich zum Vortag sorgte. Zudem nahm
die Intensität der Niederschläge über Norwegen wieder zu. Im Skandinavischen
Gebirge schneite es nun kräftig. Auf dem 1294 m hohen Mannen wurden bis zum
Abend 13,0 mm Niederschlag gemessen, in Innerdalen
sogar 15,0 mm. Die Kaltfront verlagerte sich am Abend und in der ersten
Nachthälfte über Norwegen und Schweden hinweg, brachte aber auf der Leeseite
des Gebirges deutlich weniger Niederschlag.
Bis zum frühen
Morgen des 23.03. zog das Zentrum des Tiefdruckgebiets DIETER bis südlich von Spitzbergen,
der Luftdruck war dabei nur leicht weiter angestiegen und betrug nun etwas
unter 985 hPa. Die Warmfront reichte quer über Spitzbergen bis über das
Nordpolarmeer, die Kaltfront hatte sich bis nach Finnland verlagert. Eine
zweite Kaltfront hatte sich im Bereich der norwegischen Küste ausgebildet. Auch
in der zweiten Nachthälfte konnten die Hauptniederschlagsgebiete entlang der
norwegischen Küste ausgemacht werden, zudem begann es über Spitzbergen infolge
der Warmfront leicht zu schneien. Bis zum Morgen wurden dort 24-stündige
Niederschlagsmengen von 1 bis 2 mm gemessen, an der norwegischen Küste meist 5
bis 10 mm, mancherorts sogar über 15 mm. In Storforshei
waren 15,7 mm Niederschlag gefallen, wodurch hier die Schneedecke um 15 cm
angewachsen war, in Innerdalen wurden durch 18,1 mm
sogar 18 cm Neuschnee gemessen. Das Zentrum des Tiefs DIETER zog am Vormittag
des 23.03. nördlich des Nordkaps an der norwegischen Küste vorbei, schwächte
sich jedoch dabei stark ab. Die Kaltfront verlagerte sich über Finnland hinweg
bis nach Russland, wo aber nur noch geringe Niederschlagsmengen auftraten. Die
arktische Kaltluft, welche auf der Rückseite des Tiefs DIETER immer weiter ostwärts
strömen konnte, sorgte jedoch dafür, dass sich an den Küsten Nordnorwegens sowie
der Halbinsel Kola stärkere Schneeschauer entwickelten, welche dann weiter ins
Landesinnere zogen.
In der Nacht zum
24.03. zog das Zentrum des Tiefs DIETER, in dem der Luftdruck auf knapp 995 hPa
stark angestiegen war, nördlich der Halbinsel Kola vorbei, wobei die Warmfront über
die Barentssee gezogen war, die Kaltfront über den Nordwesten Russlands hinweg.
Die nachfolgende, zweite Kaltfront hatte bis zu diesem Zeitpunkt auch das
Skandinavische Gebirge überquert und war nach Finnland weitergezogen, wo einige
Zentimeter Neuschnee fielen. Bis zum Morgen summierte sich dort der binnen eines
Tages gefallene Niederschlag auf 3,9 mm in Puolanka,
in Hammerfest auf nochmals 8,4 mm und im russischen Nikel
auf 6,0 mm. Am Vormittag des 24.03. zog das Tiefdruckgebiet DIETER in Richtung
russischer Küste weiter, sein Frontensystem löste sich dabei jedoch zusehends
auf und der Luftdruck im Zentrum stieg weiter an. Bis zum Abend hatte sich der
Tiefdruckwirbel DIETER dann weitestgehend aufgelöst.
Das Tief DIETER
beeinflusste insgesamt über eine Woche lang das Wettergeschehen in West-, Nord-
und Mitteleuropa und hatte dabei besonders in Großbritannien, Norddeutschland
und an der norwegischen Küste für viel Niederschlag und stürmischen Wind
gesorgt.
Geschrieben
am 07.08.2017 von Maximilian Steinbach
Berliner
Wetterkarte: 19.03.2017
Pate:
Dieter Jauernig