Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet DIETER
(getauft am 22.02.2021)
Am
22.02.2021 erschien über dem Nordatlantik, viele tausend Kilometer südlich von
Grönland ein Tiefdruckgebiet, welches am selben Tag von den Meteorologen der
Berliner Wetterkarte (BWK) auf den Namen DIETER getauft wurde. Das
Ursprungsgebiet des Tiefs befand sich wie so oft vor der Ostküste Neufundlands.
Hier treffen kontinentale Kaltluftmassen auf die warme Strömung des Golfstroms,
was ideale Bedingungen für eine Zyklogenese (Entstehung der Tiefdruckgebiete)
bietet. In diesen als „baroklin“ bezeichneten Zonen
wird eine großräumige Zirkulation angefacht, welche mit der Höhenströmung
(Starkwindband in ca. 9-11 km Höhe) korrespondiert. Barokline
Schichtungen treten typischerweise in Bereichen von Fronten auf, wo also zwei
verschieden temperierte Luftmassen existieren. Entlang der Polarfront gelangt das
entstandene Tiefdruckgebiet dann schließlich mit der Westwinddrift nach Europa.
Das Tiefdruckgebiet DIETER wies am Tauftag um 00 UTC (01 Uhr MEZ) bereits einen
Kerndruck von 955 hPa auf. Auf dem Satellitenbild war der schon recht kräftige Wirbel
gut erkennbar. Im weiteren Verlauf verlagerte sich das Tief weiter ostwärts,
wobei es zunehmend Einfluss auf das Wetter in Europa gewann. Rückseitig wurde
dabei ein großer Schwall maritimer Polarluft um den Kern geführt, in dessen
Kaltluftsektor sich eine Vielzahl von Schauern über dem Meer bildete.
So
erreichte um 00 UTC des Folgetages (23.02.) ein erstes Frontensystem von DIETER
die Westküste Irlands, welches daraufhin die Britischen Inseln überquerte. Dabei
fielen bis zum Abend in Cork (Südirland) ca. 20 mm und in Keswick (England) mit
rund 40 mm das Doppelte an 12-stündigem Niederschlag. Dieser fiel teils
schauerartig verstärkt als Regen. Mit einhergehender Verschärfung des
Gradienten (Drängung der Isobaren, also der Linien gleichen Luftdrucks) nahm
auch der Wind über Großbritannien spürbar zu. So wurde mittags um 12 UTC in den
Küstenregionen verbreitet ein 10-minütiger Mittelwind von 50 km/h
überschritten, was der Windstärke 7 entspricht. In Dublin wurden beispielsweise
Böen der Stärke 10 registriert. Landeinwärts, wo der Wind durch Reibungseffekte
gebremst wird, reichte es z. B. in London für lediglich steife Böen.
Am
24.02. befand sich der Kern von Tief DIETER südwestlich von Island. Östlich der
Insel hatte sich unterdessen ein Randtief etabliert, welches den Namen DIETER
II erhielt. Mittlerweile hatte das Frontensystem die Südwestküste Norwegens
erreicht, wobei eine weitere Okklusionsfront vor Irland an die Tür klopfte. Bis
um 06 UTC am Morgen fielen in den norwegischen Provinzen Hordaland
und Rogaland örtlich bis zu 50 mm Niederschlag in 12
Stunden. Die führende Front des Tiefs, welche den Kern südöstlich flankierte,
befand sich nun quer über Südengland vor der westeuropäischen Atlantikküste. Das
Hochdruckgebiet ILONKA, welches sich währenddessen über dem Alpenraum befand,
machte es Tief DIETER schwer sein Einzugsgebiet in Richtung Süden auszuweiten,
sodass sich das Wettergeschehen zumeist über Nordeuropa abspielte. Einzig der
äußerste Nordwesten von Deutschland wurde von den Wolkenfeldern von Tief DIETER
gestreift. Bei 3 bis 5 Sonnenstunden gab es mit Seewind maximal 10°C bis 15°C.
Derweil brachte Hoch ILONKA im restlichen Deutschland oft viel Sonnenschein,
wobei die Höchsttemperaturen teils die 20-Grad-Marke überschritten wie z.B. in
Jena mit 20,5°C oder in Memprechtshofen, einem
Ortsteil der Stadt Rheinau, mit 21,6°C. Mit weiterer Verlagerung von Tief
DIETER wurde auch im Osten Europas die Kaltluft ausgeräumt. Moskau vermeldete
an diesem Tag noch einen Höchstwert von -12,1°C bei einer Schneedecke von 57
cm, in den nachfolgenden Tagen sollte DIETER dort für deutliche Plusgerade (bis
+7°C) sorgen.
Beide
Tiefdruckkerne von DIETER zogen im Folgenden weiter nordostwärts, wobei sich der
steuernde Kern zunehmend auf das Tief DIETER II beschränkte. So lag das Doppelsystem
in der Nacht zum 25.02. mit einem annähernd konstanten Kerndruck von ca. 985
hPa über dem europäischen Nordmeer. Dazu bildete sich mit südwestlicher
Anströmung im Lee der Skanden ein drittes Randtief aus, welches im Tagesverlauf
über den Finnischen Meerbusen hinweg bis nach Osteuropa zog und den Namen
DIETER III erhielt. Einhergehend weiteten sich auch die Niederschläge auf die
gesamte Westküste Norwegens aus.
In
der Nacht zum 26.02. lösten sich die Kerne DIETER I und III bereits wieder auf,
so dass nur noch DIETER II (weitergeführt als DIETER) am Nordkap anzutreffen
war. Durch eine weitere Wellenstörung im Randbereich bildete sich südseitig ein
neues Tief aus, das als eigenständiges System den Namen ERICK erhielt und über
Finnland hinweg nach Moskau zog. Danach verlagerte sich Tief DIETER in Richtung
Barentssee, welche dann das Einzugsgebiet der nächsten zwei Tage bleiben sollte.
Dabei stieg der Kerndruck tagsüber um ca. 15 hPa auf 1000 hPa an, was mit einer
Abschwächung des Tiefdrucksystems einherging. Mit Durchziehen einer Warmfront
fielen rund um Archangelsk Oblast (Region Russlands östlich des Weißen Meeres)
leichte, teils schauerartige Schneefälle. In nördlicher Strömung bildeten sich an
der Nordküste der Halbinsel Kola rückseitig noch einzelne Graupelschauer,
welche begünstigt durch die wärmeren Wassertemperaturen der See und die Kaltluft
in der Höhe entstehen konnten.
Am
28.02.2021 tauchte das Tiefdruckgebiet DIETER letztmalig über der Barentssee auf.
Nur noch eine schwache Okklusionsfront reichte von Nowaja Semlja bis in die
Ukraine, wo sie an das Frontensystem des Tiefs ERICK mit Kern südlich von Perm anschloss.
Am Tag darauf war der Bereich tiefen Luftdrucks dann verschwunden und schon das
nächste Tiefdrucksystem nahm den Platz des ehemaligen Wirbels DIETER ein.