Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet DORIS

(getauft am 06.10.2020)

 

Auf der Rückseite vom Bodentief CATHRIN, welches vom 03.10. bis zum 06.10.2020 den Atlantik überquerte, wurde eine polare Luftmasse, dessen Ursprung an der Baffin Bay lag, nach Süden transportiert. Entlang der Luftmassengrenze zur feucht-warmen Subtropikluft entwickelte sich im Laufe des 05.10.2020 südöstlich von Neufundland eine Wellenstörung aus. Diese wird als Wellenstadium bezeichnet und ist das erste Stadium von einer sich entwickelnden Zyklone der mittleren Breiten. Auf der Bodenanalyse vom 06.10.2020 wurde von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte (BWK) erstmals ein abgeschlossenes Tiefdruckgebiet an der Wellenstörung analysiert. Bei einer Bodenanalyse wird anhand von Stationsmeldungen, welche Informationen über Luftdruck, Temperatur, Wind und Wetter enthalten, die aktuelle Situation am Boden zu einem festen Zeitpunkt, hier 00 UTC (01 Uhr MEZ) analysiert. Beim Erstellen der Analyse werden zunächst anhand der Druckwerte Isobaren – Linien gleichen Luftdrucks – eingezeichnet und nachfolgend mit Temperatur, Wetter und Wind Luftmassengrenzen bzw. Fronten analysiert. Solch Analysen werden auch als Ausgabe von Modellen für die Zukunft erstellt. Aus diesen Vorhersagen der Bodenanalyse war es den Meteorologen der BWK ersichtlich, dass sich dieses neu entwickelnde Wellentief in den nächsten Tagen verstärken und nach Europa ziehen würde. Aus diesem Grund wurde dieses Tief in der Analyse am 06.10.2020 auf den Namen DORIS getauft.

 

Bis zum Folgetag entwickelte sich das Tiefdruckgebiet DORIS weiter zu einer Warmsektorzyklone. Bei einer Warmsektorzyklone ist der Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, welcher auch Warmsektor genannt wird, noch weiträumig ausgedehnt. Konkret reichte die Warmfront ausgehend vom Tiefdruckkern über den mittleren Atlantik bis zum Golf von Biskaya und ging dort in die Kaltfront von Tief CATHRIN über. Die Kaltfront, von dem sich noch im Anfangsstadium befindlichen Tief DORIS, hingegen erstreckte sich nach Westen. Auch der Druck im Kern ging im Vergleich zum Vortag um 10 hPa auf unter 1005 hPa zurück, was Ausdruck einer kräftigen Tiefdruckentwicklung war. 

 

In der Nacht zum 08.10.2020 erreichte Tief DORIS das erste Mal europäisches Festland. Mit einem Kerndruck von ca. 1003 hPa wurde die Zyklone von der BWK über dem Südosten von Irland analysiert. Die Warmfront erstreckte sich über den Ärmelkanal nach Frankreich. Die registrierten Niederschlagssummen von Wetterstationen in diesem Gebiet waren alle unter 1 mm innerhalb von 6 Stunden. Dafür fielen erheblich größere Regenmengen entlang der Zugbahn von Tief DORIS. Innerhalb von 12 Stunden wurde bis 06 UTC nördlich von Liverpool 20 mm, in Dublin 16 mm und orografisch begünstigt in Capel Curig, welcher als nassester Ort der Britischen Inseln angesehen wird, 40 mm gemessen. An dieser im Westen von England gelegenen Station wurde außerdem eine stürmische Böe von 78 km/h um 05 Uhr MEZ registriert. Die stärkste Sturmböe wurde in dieser Nacht an der Westküste Englands an der Station Aberdaron mit 89 km/h registriert. Bis zur 12 UTC Analyse der BWK zog Tief DORIS auf die Nordsee hinaus. Der Kerndruck betrug zu diesem Zeitpunkt ca. 1001 hPa. Die Zyklone hatte nun das Reifestadium und somit den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht. Die Warmfront erstreckte sich über die Deutsche Bucht und Hamburg ins Landesinnere bis nach Magdeburg und die Kaltfront zog bereits über den Südwesten von England. Der Warmluftsektor hatte sich somit schon deutlich verkleinert. Dies lag daran, dass die Kaltfront sich schneller fortbewegte als die Warmfront und diese im weiteren Verlauf bald einholen sollte. So wurden bei der Überquerung der Warmfront und Kaltfront vor allem im Norden von Deutschlands und den Benelux-Ländern innerhalb von 12 Stunden bis 18 UTC verbreitet zweistellige Niederschlagssummen registriert, wie zum Beispiel in Schleswig mit 16 mm, Lübeck mit 15 mm, Cuxhaven mit 18 mm oder Emden mit 25 mm. Nach Süden hin nahmen die Niederschlagssummen deutlich ab und in den äußersten südlichen Landesteilen blieb es sogar größtenteils trocken.

 

Bis zur 00 UTC Bodenanalyse des 09.10.2020 begann sich dann ausgehend vom Kern des Tiefs DORIS über Südschweden eine Okklusionsfront, auch Mischfront genannt, auszubilden. Eine Okklusion entsteht, wenn die Kaltfront die Warmfront endgültig einholt. Die Okklusion erstreckte sich bis zur Odermündung. In einem leichten Bogen verlief die Warmfront bis über den Norden von Österreich. Die Kaltfront zog sich westwärts über Berlin, dem Rhein-Main-Gebiet und weiter bis nach Frankreich. Entlang der Okklusionsfront über Schweden konnten innerhalb von 24 Stunden bis 06 UTC des 09.10.2020 an der Westküste zum Kattegat verbreitet zweistellige Niederschlagsummen gemessen werden, wie zum Beispiel in Göteborg mit 13,6 mm. Landeinwärts fiel die Niederschlagssumme deutlich geringer aus und lag meist um 5 mm. Im Verlaufe des Tages zog Tief DORIS nach Norden und brachte innerhalb von 12 Stunden bis 18 UTC über der Mitte von Schweden bis zu 20 mm Niederschlag.

 

Am 10.10.2020 um 00 UTC positionierte sich der Kern des Tiefs DORIS auf der Analysekarte der BWK über dem Bottnischen Meerbusen. Die Zyklone befand sich zu diesem Zeitpunkt im Auflösungsstadium und war wie für diese Phase üblich bereits vollständig okkludiert. Das heißt, die Warmfront wurde komplett von der Kaltfront eingeholt. Die Okklusion ging vom Tiefdruckkern nach Südosten über Finnland ab bis nach Sankt Petersburg und dort weiter als Kaltfront bis nach Weißrussland. Der Kerndruck blieb im Vergleich zum Vortag mit 1005 hPa in etwa gleich. Im Norden von Schweden kam es nach wie vor in der Nähe des Tiefdruckkerns zu nennenswerten Niederschlägen. Hier fielen innerhalb von 12 Stunden bis 06 UTC in Luleå 18 mm, auf der unbewohnten schwedischen Insel Rödkallen 15 mm und in Boden ebenso 18 mm.

Bis zum 12.10.2020 zog Tief DORIS bis an den äußersten nördlichen Rand des Darstellungsbereiches der BWK, verließ diesen dann schließlich im weiteren Verlauf, so dass die Zyklone am 12.10.2020 das letzte Mal auf der Bodenanalyse der BWK nach einer Lebensdauer von insgesamt 7 Tagen verzeichnet werden konnte.