Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet DORIS
(getauft
am 12.12.2014)
Am 12.12. wurde in der Prognose für den Folgetag die Entstehung
eines Tiefdruckwirbels über dem Nordatlantik unweit von Grönland vorhergesagt,
weshalb dieser auf den Namen DORIS getauft wurde.
Das Tief DORIS, welches in der Nacht zum 13.12. aus einer
wellenförmig deformierten Front eines über Neufundland liegenden
Tiefdrucksystems hervorging, befand sich gegen 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, mit
einem Druck von knapp unter 995 hPa wenige Hundert Kilometer westlich von
Island über der Irmingersee vor Grönland. Zwei
Fronten gingen zu diesem Zeitpunkt vom Kern aus. Nach Osten verlief einerseits
eine kurze Warmfront, die in die Kaltfront eines anderen, ebenfalls vor
Grönland neu entstandenen Wirbels überging und nach Südwesten zog sich
andererseits eine Kaltfront über den Atlantik. Die Ausläufer des an Stärke zunehmenden
Wirbels erreichten im Laufe des Tages die Küsten von Grönland und Island und
brachten Regen sowie vor allem kräftigen Wind mit sich. So fielen von starken,
mitunter orkanartigen Böen begleitet in 24 Stunden bis 06 Uhr UTC am Morgen des
folgenden Tages in Dalatangi 8,1 l/m², bei Tasiilaq 10,4 l/m² und in Scoresbysund
11,3 l/m². An der Station in Tasiilaq erreichte der
vorwiegend nordwestliche Wind mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von bis
zu 70,4 km/h Stärke 8 und mit Spitzen von bis zu 127,9 km/h die Stärke 12 auf
der Beaufortskala. Orkanstärke erreichte der Wind in Ikermit.
Die Messtation meldete gegen 12 Uhr UTC eine mittlere
Windgeschwindigkeit von 139 km/h, die von Böen von bis zu 189 km/h
begleitet wurden. In Böen entspräche dies Windstärke
16 auf der bis Stufe 17 erweiterten Beaufortskala. Auch über einigen
exponierten Regionen Schottlands erreichte der aus überwiegend südwestlichen
Richtungen kommende Wind in Böen bereits Orkanstärke. Am Aonach
Mòr wurden Spitzenböen von 133,4 km/h und am Cairngorm von 174,2 km/h gemessen. Die Niederschläge
fielen vielerorts ebenfalls ergiebig aus. Im selben Zeitraum wie zuvor wurden
aus Aviemore 12,4 l/m², aus Tullock
Bridge 18,8 l/m² und von der Station am Loch Glascarnoch
35,5 l/m² gemeldet, die zum Teil als in Regen übergehender Schnee fielen.
Auf seiner Zugbahn nach Osten hatte das an Stärke gewinnende
Sturmtief DORIS zum 14.12. zwei eigenständige Kerne ausgebildet. Beide wurden
gegen 00 Uhr UTC vor den Küsten Islands analysiert, der erste mit einem Druck
von 965 hPa vor der Ost- und der zweite mit einem um 5 hPa höheren Druck nahe
Reykjavík vor der Südwest Küste der Atlantikinsel. Vom ersten Kern erstreckte
sich eine Okklusion in Richtung der Inselgruppe der Färöer, ab der sie den
Charakter einer Warmfront annehmend sich weiter über Edinburgh und Wales zog
und über der Keltischen See endete. Als Okklusionsfront wird dabei eine
Mischfront verstanden, die sich aus dem Zusammenschluss von Kalt- und
Warmfronten bildet und somit Eigenschaften beider Frontentypen in sich vereint.
Der Ort, an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen und eine solche
Okklusionsfront bilden, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. Ein solcher
Okklusionspunkt befand sich westlich vor Irland. Die hier aus einer nach
Südwesten ziehenden Warm- und einer nach Westen reichenden Kaltfront gebildete
Okklusionsfront erstreckte sich vom Okklusionspunkt nach Nordosten und schloss
sich über den Färöer-Inseln mit den Ausläufern des ersten Kerns zusammen. Des Weiteren
zog sich vom zweiten Kern eine Okklusionsfront nach Südwesten, die im weiteren
Verlauf Kaltfrontcharakter annehmend einen Bogen nach Westen über den Atlantik
beschrieb. Über Schottland nahm der Wind vielerorts zu. Bei einem meist steifen
bis starken West- bis Südwestwind maßen die Anemometer
auf Fair Isle Orkanböen von 127,9 km/h, in Cairnwell
von 152 km/h und bei Cairngorm noch bis zu 168,6
km/h. Der teils ergiebige Regen hielt währenddessen weiter an. So wurden bis 06
Uhr UTC des Folgetages binnen 24 Stunden von der Station in Aviemore
9,8 l/m², von Fair Isle 13,8 l/m² und aus Tulloch
Bridge 17 l/m² gemeldet. Über Island wehte der Wind ebenfalls vielerorts
stürmisch bis orkanartig und erreichte im stündlichen Mittel 77,8 km/h in Bergstadir und bis zu 108,1 km/h bei Grimsstadir,
was vielerorts zu anhaltendem, starkem Schneetreiben führte. Starkes
Schneetreiben wurde ebenfalls von der zu Norwegen gehörenden Atlantikinsel Jan
Mayen gemeldet. Der Nord- bis Nordostwind erreichte hier im Mittel 97,3 km/h
und in Böen bis zu 140,5 km/h. Auf Grönland schwächte sich der Wind
zunehmend ab. Wurde von der Station in Ikermit gegen
12 Uhr UTC noch schwerer Sturm mit mittleren Windgeschwindigkeiten von 96,4
km/h und Orkanböen bis 129,7 km/h gemeldet, erreichte der Nordwestwind um 00
Uhr UTC mit einem Mittel 40,8 km/h nur noch Windstärke 6. Ausläufer des
Orkantiefs DORIS hatten im Laufe des Tages auch die Westküste Norwegens
erreicht. Aufgrund orographisch bedingter Aufgleitvorgänge
entlang der Gebirgsketten intensivierten sich die Niederschläge besonders in
der Region um Bergen teilweise erheblich. Bis 06 Uhr UTC am folgenden Morgen wurde
in Sirdal-Haugen eine 24-stündige Niederschlagsmenge
von 48,7 l/m², in Sauda von 52,8 l/m² und in Takle
von bis zu 78,9 l/m² registriert. In Bergen selbst fielen im selben Zeitraum
27,7 l/m². Auch aus Norwegen wurden von Stationen an besonders exponierten
Lagen zeitweise schwerer Sturm mit Orkanböen gemeldet. Die Messgeräte am
Leuchtturm von Krakenes nördlich von Bergen
registrierten bei einem mittleren südlichen Wind zwischen 90 und 112 km/h Böen
von bis zu 172,9 km/h.
Bis zum 15.12. war die Zyklone DORIS mit einem auf 955 hPa
gefallenen Druck nach Nordosten gezogen und befand sich um 00 Uhr UTC mit
wieder nur einem Kern südlich der Insel Jan Mayen über dem Nordmeer. Westlich
des Zentrums ausgehend reichte eine Okklusionsfront nördlich um den Kern herum
über Oslo, Amsterdam und die Bretagne bis weit über den Atlantik, über dem sie
den Frontencharakter mehrfach wechselnd im weiteren Verlauf sich mit den
Ausläufern eines anderen Wirbels verband. Zusätzlich verlief eine südlich des
Kerns ausgehende Kaltfront über die Nordsee bis nach Edinburgh. Der Wind schwächte
sich allgemein ab. Orkanböen wie am Leuchtturm von Slatteroy
in Norwegen oder auf der Insel Jan Mayen mit jeweils bis zu 126,1 km/h wurden
nur noch selten registriert. Die höchsten Windspitzen wurden mit 146,4 km/h
noch auf dem Cairngorm gemessen. Während anhaltende
und mitunter noch recht ergiebige Niederschläge sich an den Gebirgsflanken in
der Region um Bergen hielten, zog ein sich zunehmend abschwächendes
Niederschlagsband über Schweden und Norddeutschland nach Finnland und bis zum
Baltikum ab. Dabei wurden bis 06 Uhr UTC am 16.12. innerhalb von 24 Stunden im
finnischen Pello 13 l/m², in Bergen 18,1 l/m² und im schwedischen Holmon 19,6 l/m²
Niederschlag gemessen, der im Norden Schwedens sowie über einigen Regionen
Finnlands überwiegend als Schnee fiel. Aus Norddeutschland wurden im gleichen
Zeitraum zwischen 3,8 l/m² am Flughafen in Bremen und 7,3 l/m² auf Helgoland
gemeldet.
Das Zentrum des Tiefdrucksystems DORIS verlagerte sich im weiteren
Verlauf nur unwesentlich und befand sich gegen 00 Uhr UTC des 16.12. mit einem
gegenüber dem Vortag um 15 hPa gestiegenen Kerndruck südöstlich der Insel Jan
Mayen. Die Okklusionsfront reichte südlich des Kerns ausgehend um diesen herum
nach Norden, weiter über Skandinavien und die Ostsee bis nach Wilna. Ab Wilna reichte
sie den Charakter einer Kaltfront annehmend weiter über Polen und Deutschland
bis nach Paris. Die zeitweise gewittrigen Niederschläge um Bergen hielten bis
in den späten Abend an und brachten dort binnen 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des
Folgetages in Bergen 15,5 l/m² mit sich, in Takle fielen 19,8 l/m² Niederschlag
und an der Station Voss-Bo 26 l/m². Das Niederschlagsband, welches sich gegen 00
Uhr UTC von Nordskandinavien über Finnland bis zum Baltikum erstreckte, zog
nach Norden ab. Größere Niederschlagsmengen kamen dabei zumeist nur noch lokal
zusammen. So fielen im russischen Verkhove Lotta 6
l/m², im schwedischen Katterjakk 7,4 l/m² und im
nordnorwegischen Skibotn 16,7 l/m² Niederschlag,
wohingegen aus Murmansk und Archangelsk lediglich zwischen 0,6 und 0,7 l/m²
gemeldet wurden.
Rasch an Stärke verlierend zog die Zyklone DORIS in den folgenden
24 Stunden nach Nordosten und wurde mit ihrem Zentrum, das nach Norden
durch eine Okklusionsfront mit einem bei Spitzbergen liegenden anderen Wirbel
verbunden war, gegen 00 Uhr UTC mit einem Druck von 985 hPa unweit von Murmansk
analysiert. Eine nicht mehr mit dem Kern direkt verbundene und in der Höhe Okklusions- sowie im Bodenniveau Warmfrontcharakter
aufweisende Front reichte von der Kola-Halbinsel über Westrussland bis zur Nordukraine.
Östlich von Vologda schloss sich dieser Front eine
Höhenkaltfront an, die sich über Westrussland zwischenzeitlich Höhenwarmfrontcharakter
annehmend über Moskau und Minsk bis nach Budapest erstreckte und sich mit einem
über Italien liegende Wirbel verband. Entlang dieser Front war ein neues
Niederschlagsgebiet entstanden, welches sich im Laufe des Tages entlang eines
über Finnland neu entstehenden, kurzlebigen Tiefdruckkerns in den Norden
Russlands verlagerte und dort verbreitet zu mäßigen Schneefällen führte. In 24
Stunden fielen bis 06 Uhr UTC des darauffolgenden Tages in Archangelsk 4,2 l/m²,
in Vologda 8 l/m² und in Moskau 10 l/m² Schnee oder
mit Schnee vermischten Regens.
Am 18.12. um 00 Uhr UTC befand sich der Tiefdruckwirbel DORIS, in
dessen Kern der Druck bei etwa 985 hPa verblieben war, über der Barentssee
westlich von Nowaja Semlja. Durch zwei lediglich in der Höhe analysierbare
Okklusionsfronten war das Zentrum der Zyklone DORIS sowohl nach Norden als auch
nach Südwesten mit den Kernen anderer, über Spitzbergen beziehungsweise
Finnland liegenden Wirbeln verbunden. Die dem Tief DORIS direkt, und nicht dem
Einfluss anderer Wirbel zuzuordnenden Niederschläge, konzentrierten sich im Wesentlichen
auf Nowaja Semlja, die Niederschlagsmengen blieben jedoch gering.
Zum 19.12. nahm das Tiefdruckgebiet DORIS, das am Vortag über
Finnland entstandene und ebenfalls nach Osten ziehende Tief, in seine
Zirkulation auf und verlagerte sich geringfügig verstärkend von Nowaja Semlja
nach Süden. Mit einem auf 980 hPa gefallenen Kerndruck befand sich das Zentrum
des Wirbels westlich von Workuta, von dessen Kern sich eine Okklusionsfront bis
zu ihrem Okklusionspunkt nahe Marresala nach Osten
zog. Die zugehörige Warmfront reichte von dort weiter nach Osten, wohingegen
sich die Kaltfront in einem Bogen über Westsibirien nach Südwesten erstreckte
und über dem Südural in die Warmfront eines über der Ostukraine liegenden
Wirbels überging. Letzte Schneefälle brachten in 24 Stunden in Workuta bis 15
Uhr UTC 1,8 l/m² und Tazovskoe 3,2 l/m².
Auf seiner Zugbahn nach Osten verließ der ehemalige Orkanwirbel
DORIS bis zum 20.12. den von der Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereich,
sodass er an diesem Tag nicht weiter namentlich verzeichnet werden konnte.
Geschrieben am 19.01.2015 von Christian Ulmer
Berliner Wetterkarte: 16.12.2014
Pate: Wilfried Eichhorn