Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
EGON
(getauft am 11.01.2017)
In der ersten
Woche des neuen Jahres 2017 hatte sich kältere Luft polaren Ursprungs über
Mitteleuropa etabliert. Nachfolgend baute sich bis zum 11. Januar in der
Großwetterlage eine kräftige Tiefdruckzone über Grönland und dem europäischen
Nordmeer auf. Am Boden war diese Entwicklung verbunden mit mehreren
Zyklogenesen, also neuen Tiefdruckgebieten, welche in der kräftigen
Westströmung über den Nordatlantik nach Großbritannien und Skandinavien geführt
wurden. Im Tagesverlauf des 11. Januar entstand eine neue Wellenstörung, die
sich rasch zu einem Sturmtief entwickelte. Daher wurde dem neuen
Tiefdruckgebiet in der Prognose für den folgenden Tag der Name EGON zugewiesen.
Um 01 Uhr MEZ des
12. Januars war das Tief EGON in der Bodenwetterkarte als kleine Welle ungefähr
1000 km südwestlich von Irland zu erkennen. Der Kern des Drucksystems war noch
nicht ganz abgeschlossen, hatte aber einen Druck von ungefähr 1025 hPa. Etwas höher
in der mittleren Troposphäre, also in ungefähr 5 km Höhe, waren die
Druckunterschiede über dem Nordostatlantik sehr stark, was auch hohe
Windgeschwindigkeiten zur Folge hatte. Mit diesem sogenannten „Jetstream“ wurde
das Tief EGON im Laufe des Tages rasch nach Osten bis über den Ärmelkanal
transportiert. Währenddessen führte die Intensivierung der Zyklone EGON auch
zur Verwellung der Front zwischen polaren und subtropischen Luftmassen, der
sogenannten Polarfront. So reichte vom Kern des Tiefs EGON aus zunächst eine
Warmfront nach Süden bis über die Biskaya und eine Kaltfront nach Südwesten
über den Nordatlantik. Rasch schob sich die Kaltfront jedoch unter die wärmeren
Luftmassen, was zur Ausbildung einer sogenannten Okklusion führte, welche Kalt-
und Warmfrontcharakter besitzen kann. Diese Front mit ihren Niederschlagsgebieten
zog am Nachmittag über Westeuropa und sorgte besonders in Frankreich für viel
Niederschlag. Da hier die Luft im Gegensatz zu Mitteleuropa vorrangig aus
Westen vom wärmenden Ozean kam, lagen die Temperaturen im positiven Bereich. Um
13 Uhr MEZ wurden beispielsweise in London und Paris 7°C und in Santiago de Compostela sogar 11°C gemessen. Aus diesem Grund fiel
sämtlicher Niederschlag als Regen. Zwischen 7 und 19 Uhr MEZ verzeichneten
London 17 l/m², Paris 4 l/m² und Santiago de Compostela
1,9 l/m² Regen. An der Station in St. Catherines Point auf der Isle of Wight
wurden sogar 29 l/m² gemessen. In den folgenden 6 Stunden kam die Front weiter
nach Osten voran und ließen zum Beispiel in Antwerpen 16 l/m² und in Bern 6
l/m² Niederschlag folgen. Da hier die Temperaturen vielerorts nur leicht über
der 0°C-Grenze lagen, schmolzen die Eis- und Schneepartikel bis zum Boden nicht
mehr vollständig, wodurch der Niederschlag mehr und mehr in Schneeregen und
Schnee überging.
Zum Nachttermin
des 13. Januars um 01 Uhr MEZ wurde der Wirbel EGON über Belgien analysiert.
Mit einem Kerndruck von unter 985 hPa kann bei dieser Zyklogenese von einer
sogenannten „Bombogenese“ gesprochen werden, da sich das Tief EGON in 24
Stunden um mehr als 20 hPa verstärkte. Der Okklusionsprozess hatte sich
vollständig vollzogen und die Front zog sich vom Kern in einem Bogen nach
Südosten über die Schweiz, dann nach Südwesten über Südfrankreich und
schließlich nach Westen bis über Portugal. Von dort verlief sie als Kaltfront
weiter nach Westen über den Nordatlantik. Im Tagesverlauf erzeugten die
Hebungsprozesse entlang der Front weiter großräumige Niederschlagsgebiete,
welche zunächst Deutschland, Italien und bis zum späten Abend auch Polen und
Ungarn überquerten. Zwischen 01 und 04 Uhr MEZ registrierten die Stationen in
Fürstenau 14,7 l/m² und in Chambéry 4 l/m². Im
Alpenraum unterstützte die Hebung der Luft über das Gebirge die Bildung von
Niederschlag, wodurch einzelne Bergstationen wie der Säntis bis zu 25 l/m²
bekamen. Mit Ausnahme des Mittelmeer- und Nordseeraums fiel dieser überwiegend
als Schnee. In den 12 Stunden nach 07 Uhr MEZ kamen später in Ljubljana 48,9
l/m² zusammen. Grund dafür war, dass die Luft über dem warmen Mittelmeer viel
Feuchtigkeit aufnehmen konnte und anschließend über das Dinarische Gebirge
geführt wurde. Daraus resultierte teilweise 40 cm Neuschnee in 24 Stunden bis 07
Uhr MEZ des Folgetages. Auch die deutschen Mittelgebirge profitierten von der
Wetterlage. In Tannenberg betrug die Neuschneemenge 15 cm und auf dem Brocken
waren es sogar 37 cm. Weiterhin floss hinter der Front polare Kaltluft ein, in
welcher sich zum einen schwache Schneeschauer bilden konnten und zum anderen
die Höchsttemperaturen beispielsweise in Paris von 7,7 auf 5,9°C sanken. Nicht
zuletzt hatte die starke Tiefdruckentwicklung der Zyklone EGON auch Wind in
Orkanstärke zur Folge. Die höchste Windgeschwindigkeit verzeichnete Weinbiet
mit 148 km/h, mehr noch als auf dem höchstgelegenen Gipfel der deutschen
Mittelgebirge, dem Feldberg im Schwarzwald, wo an der dortigen Wetterstation
131 km/h gemessen wurden.
Anschließend
begann sich das Tief EGON rasch abzuschwächen. Am Morgen des 14. Januars befand
sich der Kern mit einem Druck von etwa 995 hPa über Lettland und zog auf der
Vorderseite des großen Höhentiefs langsam weiter nach Osten. Die Okklusion lief
zunächst in einem engen Bogen um den Kern nach Nordosten und dann nach Süden
über Weißrussland und Ungarn, wo sich ein neuer Tiefdruckkern als Welle an der
Front entwickelte. Von dort zog sich die Kaltfront in einem weiten Bogen weiter
über Sizilien und Nordafrika bis über den Nordostatlantik. Europa wurde
größtenteils von der eingeflossenen Meeresluft polaren Ursprungs beeinflusst.
Hier zeigten sich deutlich die Unterschiede zwischen wärmendem Meer und
kontinentalen Regionen. In Süddeutschland und Tschechien beispielsweise
erhöhten sich die Temperaturen kaum über den Gefrierpunkt, während im weiter
nördlich gelegenen Rotterdam bis zu 5°C gemessen wurden. Die Okklusion war
weiterhin aktiv und brachte in zwölf Stunden über den Tag hinweg bis 19 Uhr MEZ
5 l/m² in Krestzy und 8 l/m² in Minsk. Dahinter
sorgten jedoch in der höhenkalten Luft schauerartig verstärkte Niederschläge
unterstützt durch ein kleines Wellentief für beispielsweise 1,8 l/m² in Dresden
und 4 l/m² in Salzburg im selben Zeitraum wie zuvor.
Im Laufe des 15.
Januar zog der Wirbel EGON langsam weiter nach Nordosten bis zum Weißen Meer.
Der Kerndruck schwächte sich dabei weiter von etwa 1000 hPa um 01 Uhr MEZ bis
1010 hPa 24 Stunden später ab. Dementsprechend war auch das Frontensystem,
welches zwischenzeitig als kurze Warmfront vom Kern nach Nordosten sowie als
Kaltfront nach Süden zum schwarzen Meer analysiert wurde, nur noch schwach
aktiv. Im Zeitraum 7 bis 19 Uhr MEZ verzeichneten St. Petersburg 4 l/m² und
Kursk 7 l/m².
Bis zum Ende des
Folgetages löste sich das Tiefdruckgebiet EGON schließlich vollständig auf und
konnte damit nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.
Geschrieben am 15.02.2017 von Jannick Fischer
Berliner Wetterkarte: 13.01.2017
Pate: Egon Mägdefessel