Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
EKKEHARD
(getauft am
22.05.2017)
Am 19. Mai
konnten in der 500-hPa-Fläche, die in einer Höhe von ca. 5500 m liegt, drei
ausgeprägte Höhentröge analysiert werden. Ein Trog beschreibt ein großräumiges
Gebiet geringen Luftdruckes und entsteht durch Mäandrierung des in dieser Höhe
vorherrschenden Starkwindbandes. Der erste Trog reichte bis Griechenland und die
Türkei, der zweite stark ausgeprägte Trog erstreckte sich von Island über die
Britischen Inseln bis nach Nordspanien. Der dritte, für die Entstehung des Tiefs
EKKEHARD entscheidende Trog, befand sich vor Neufundland. Zum 20. Mai verband
sich der nordatlantische mit dem mitteleuropäischen Höhentrog. So konnten
innerhalb dieses Troges die Tiefs BEN und DANKMAR über Mitteleuropa analysiert
werden. Vor Neufundland bildeten sich indes an der Grenze von warmer und kalter
Luft zwei weitere Tiefdruckgebiete aus. Dieses Doppelsystem verlagerte sich am
21. Mai weiter ostwärts über den Nordatlantik. Am 22. Mai um 01 Uhr MEZ erfolgte
die Taufe des östlicheren Tiefs auf den Namen EKKEHARD.
Die Zyklone
befand sich am 22. Mai ca. 700 km südlich von Island auf der Höhe Schottlands.
Der Druck im Kern sank auf etwas unter 990 hPa, wobei das Frontensystem bereits
vollständig okkludierte. Bei einer Okklusion holt die Warmfront die Kaltfront
ein, sodass eine Mischfront entsteht, welche Eigenschaften beider Fronten
aufweist Die Okklusion von Tief EKKEHARD erstreckte sich bogenförmig vom Kern
in südwestlicher Richtung über den Mittelatlantik und erreichte bereits das
westliche Irland zum 07 Uhr MEZ Termin. Bis zum Folgetag überquerte die
Okklusion den Britischen Raum. Die 24-stündigen Regenmengen nahmen dabei nach
Süden und Osten kontinuierlich ab. So konnten die höchsten Niederschlagswerte
in Schottland verzeichnet werden. Kirkwall meldete 16,8 mm und Tulloch Bridge 16,2 mm. In Irland und Nordengland fielen
noch 2 bis 6 mm, in Westengland nur noch 0,1 bis 2 mm. Der Südosten von England
blieb dabei sogar komplett trocken. Mit Durchgang der Mischfront wurden
verbreitet im nördlichen Großbritannien Sturmböen von 60 bis 80 km/h gemeldet,
wie beispielsweise in Edinburgh mit knapp 67 km/h. Die Temperaturhöchstwerte
staffelten sich von Nordwest nach Südost und erreichten Werte von 9°C auf den
Färöer-Inseln, 12°C in Schottland, 15°C in Westirland und bis knapp 25°C im
Südosten Englands. London verfehlte mit 24,9°C knapp einen Sommertag, welcher
ab einem Höchstwert von 25,0°C eintritt.
Zum 23. Mai
verlagerte sich die Zyklone entgegen der üblichen Westwinde nach Nordwesten und
befand sich um 01 Uhr MEZ knapp südwestlich von Island mit einem Druck von ca.
993 hPa. Grund für die retrograde Zugrichtung waren zwei bis in die
500-hPa-Fläche reichende Höhenkeile, welche sich im Bodenniveau durch die
Antizyklonen VESNA und WALRITA kennzeichneten. Diese stellten eine Blockierung
dar und verhinderten das rasche Vordringen der Zyklone. Ein Keil stellt in der
Meteorologie ein Gebiet hohen Luftdruckes dar. Im Laufe der Nacht, sowie auch
tagsüber überquerte die Okklusion mit dichten Wolkenfeldern, aber ohne Regen,
große Teile Deutschlands. Dabei nahm die Mischfront Kaltfrontcharakter an und
es bildete sich eine vorlaufende Konvergenz aus. An einer Konvergenz treffen
Winde aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander, sodass in diesem Bereich
die Luft zum Aufsteigen gezwungen wird und es zur Konvektion kommen kann. An
der Konvergenz von Tief EKKEHARD trafen nordwestliche Wind auf nordöstliche
Winde über Ostdeutschland, sodass sich am Nachmittag und am Abend Schauer und
Gewitter ausbildeten. In der 500-hPa-Fläche dominierte zudem ein gut
ausgeprägter Jetstream, ein Starkwindband. Durch die Überlagerung von
Konvergenz und Jetstream zogen die konvektiven Ereignisse rasch nach Osten und
konnten aus der Höhe starke Winde in tiefere Luftschichten mischen. Berlin-Schönefeld
vermeldete eine Böe von 87 km/h und Berlin-Adlershof 89 km/h, was Windstärke 9
bzw. 10 auf der Beaufort-Skala entspricht. Die 24-stündigen Regenmengen
beliefen sich von Mecklenburg-Vorpommern bis Sachsen auf 1 bis maximal 15 mm.
Berlin Dahlem meldete 5,7 mm, Schwerin 10,8 mm und Hoyerswerda 10,7 mm. Für
Berlin und Brandenburg stellten die Niederschläge den ersten Regen seit knapp 9
Tagen dar, welches die vorherrschende Waldbrandstufe 5 jedoch nur ein wenig senkte.
Die Höchstwerte erreichten in Deutschland Werte von 22 bis 29°C. Am wärmsten
wurde es in Berlin/Brandenburg mit 25 bis 27°C, sowie in Südwestdeutschland, wo
es in Riegel am Kaiserstuhl mit 28,9°C am wärmsten wurde. Aufgrund des
Kaltfrontcharakters der Mischfront stellte sich am Abend ein starker
Temperaturgradient über Deutschland ein. Um 19 Uhr MEZ meldete Berlin-Alexanderplatz
23,9°C, Neuruppin im Einfluss eines Schauers 14,9°C und List auf Sylt sogar nur
noch 11,3°C.
Zum 24. Mai
um 01 Uhr MEZ konnte sich an der Okklusion eine weitere Wellenstörung
ausbilden, welche als Teiltief EKKEHARD II bezeichnet wurde. Der ursprüngliche
Kern positionierte sich knapp östlich von Island mit einem erhöhten Druck von
ca. 1003 hPa. EKKEHARD II wurde mit einem Druck von ca. 1015 hPa über dem
Skagerrak analysiert. Da der Druck über dem Normaldruck von 1013 hPa liegt,
spricht man nicht von einem Tiefdruckgebiet, sondern von einem Wellentief oder
einer Wellenstörung. Verbunden waren beide Systeme durch die langgezogene
Okklusion, welche von Island über Südnorwegen bis Südschweden reichte. An dem
südlichen Teil schloss sich eine Kaltfront von Südschweden über Westpolen,
Tschechien bis zur Schweiz an, welche sich rasch nach Osten verlagerte. Über
dem Alpenraum löste die Front teils starke Regenfälle aus, welche bis 07 Uhr
MEZ am 24. Mai 12-stündig in Linz 19 mm und in Innsbruck 23 mm brachten. Auch
in Slowenien und an der Adriaküste konnten 12-stündig bis 07 Uhr MEZ örtlich
Regenmengen von 10 bis 20 mm registriert werden. Im Tagesverlauf löste sich der
nördliche Kern sowie die dazugehörige Front auf, sodass nur noch die Kaltfront
Polen und das Baltikum überquerte. Erneut bildete sich im Vorfeld eine
Konvergenz aus, an der sich Schauer und teils kräftige Gewitter ausbildeten.
Vom südlichen Weißrussland über Ostpolen, Westukraine, Ostslowakei, Ungarn,
Westrumänien bis nach Serbien konnten 24-stündig Regenmengen von 2 bis maximal
35 mm gemessen werden. So fielen in Tirana 25 mm, im polnischen Lodz 10 mm, im
ukrainischen Shepetivka 16 mm und im rumänischen Chisineu-Cris 35 mm. Die Temperaturhöchstwerte erreichten
in den genannten Regionen 20 bis 27°C mit den höchsten Werten in der Ukraine
und Rumänien. Rückseitig der Front floss maritime Polarluft ein, so dass
beispielsweise im nördlichen Deutschland nur 14 bis 18°C, in Westpolen sogar
nur 12 bis 14°C als Höchstwert vermeldet werden konnte.
In den zwei
Folgetagen zog der Kern von Tief EKKEHARD weiter nach Nordosten und befand sich
am 26. Mai um 01 Uhr MEZ ca. 700 km nordöstlich von Moskau. Die Kaltfront
brachte dabei am 25. Mai von Westrussland bis Westrumänien 24-stündig gebietsweise
2 bis 10 mm Regen. Am 26. Mai verlagerte sich diese Zone weiter nach Osten,
sodass von Westrussland bis zum Schwarzen Meer 2 bis 15 mm, vereinzelt auch bis
30 mm in 24 Stunden fielen. Das Tief EKKEHARD bildete zu diesem Zeitpunkt eine
ausgeprägte Warm-, Kalt- und Okklusionsfront über Nordwestrussland aus, welches
eine eher ungewöhnliche Entwicklung darstellt, zumal sich der Druck im Kern auf
unter 1000 hPa vertiefte. Bis zum 27. Mai zog die Zyklone über das Uralgebirge,
wobei die Kaltfront noch bis nach Westrussland reichte. Moskau konnte dabei
24-stündig 4 mm Regen vermelden. Vorderseitig der Zyklone wurde mit
südwestlichen Winden milde Luft nach Nordosten geführt. Am Ural wurden am
Vortag Höchstwerte von 10 bis 15°C, in Moskau 21°C und in Morschansk,
welches ca. 350 km südöstlich von Moskau liegt, 26°C verzeichnet. Rückseitig
von Tief EKKEHARD floss maritime Arktikluft ein. Erreichte die Höchsttemperatur
am 26. Mai in Cape Okunev am Uralgebirge noch 13°C,
so lag sie am 27. Mai im Dauerfrostbereich bei -1°C. In Moskau fiel der
Temperaturrückgang auf maximal 17°C deutlich geringer aus. Zum 28. Mai
überquerte auch die Kaltfront das Uralgebirge, sodass Tief EKKEHARD nicht mehr
das Wettergeschehen in Mitteleuropa beeinflussen konnte und somit nicht mehr auf
der Berliner Wetterkarte verzeichnet wurde.
Geschrieben am: 23.08.2017 von Dennis
Schneider
Berliner Wetterkarte: 24.05.2017
Pate: Ekkehard Förster