Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ELLEN

(getauft am 28.07.2020)

 

Ende Juli 2020 befand sich westlich des Hochdruckgebietes CLAWS, welches über dem östlichen Atlantik entstand, ein Bodentief mitten über dem Atlantischen Ozean. Bereits am 28.07.2020 sahen die Meteorologen der Berliner Wetterkarte anhand der Prognosekarte vom 29.07.2020 um 12 UTC, was 14 Uhr MESZ entspricht, dass sich an diesem Tiefdruckgebiet eine Wellenstörung ausbilden würde, welche kalte, arktische Luftmassen von warmer, subtropischer Luft trennte und in den nachfolgenden Tagen Einfluss auf Europa nehmen würde. Aufgrund dessen taufte die Berliner Wetterkarte diese Wellenstörung, welche quasi die Kinderstube eines Tiefdruckgebietes darstellt, noch am 28.07.2020 auf den Namen ELLEN.

Am 30.07. wurde Tief ELLEN erstmalig auf der Berliner Wetterkarte namentlich erwähnt und befand sich um 00 UTC etwa 1000 km westlich von Irland mit einem Kerndruck von 995 hPa. Zu diesem Zeitpunkt stellte Tief ELLEN noch kein eigenständiges Tiefdruckgebiet dar, sondern war wie bereits erwähnt über dessen Warmfront mit der Kaltfront eines weiteren Tiefs verbunden.

Bis zum 31.07. wanderte die Zyklone weiter nach Nordosten und lag dann etwa 800 km westlich von Schottland, wobei der Kerndruck auf 985 hPa gesunken war. Ungefähr 200 km nordwestlich der Nordspitze Schottlands befand sich der Okklusionspunkt, an dem Kalt- und Warmfront zusammentrafen. Von dort aus verlief bogenförmig die Okklusionsfront (auch Mischfront genannt) um den Tiefdruckkern herum. Die Warmfront des nun eigenständigen Tiefs hatte bereits Schottland überquert und erstreckte sich vom Okklusionspunkt rund 1000 km Richtung Südosten über die Nordsee bis zur Doggerbank. Dagegen verlief die Kaltfront vom Okklusionspunkt aus nach Süden, über den Osten Irlands und weiter nach Südwesten ca. 3000 km über den Nordatlantik. Auf der Wetterkarte des 31.07. lässt sich zudem erkennen, dass die Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) über dem Norden Irlands und Schottlands recht nah beieinander lagen. Je enger Isobaren beieinander liegen, desto stärker ist die Windgeschwindigkeit in dieser Region. In der Tat kam es zu einigen heftigen Windböen über den Bergen Schottlands mit Windstärke 8 bis 10 Bft. Im Flachland blieben die Böen mit maximal 6 Beaufort jedoch deutlich schwächer. Die Regenmengen fielen nicht außergewöhnlich hoch aus: Über weiten Teilen der Britischen Inseln fielen weniger als 5 mm innerhalb 24 Stunden. Nur an der Westküste Englands und Schottlands fielen teils mehr als 10 mm, so etwa in Dundrennan (13 mm). Durch die herangeführte Warmluft waren insbesondere über Nordengland, Südfrankreich und den Benelux-Ländern die Temperaturen deutlich höher als am Vortag. In Birmingham wurden nun 35°C statt wie zuvor 27°C gemessen, am Flughafen Amsterdam-Schiphol 32°C statt 25°C und in Paris LeBourget knapp 40°C statt 32°C. In der Bretagne hingegen waren die Höchstwerte niedriger als am Vortag, weil die Kaltfront dort bereits durchgezogen war. In Brest wurden nur noch 22°C gemessen; zuvor waren es noch 31°C.

Am 01.08. war die Zyklone ELLEN weiter nach Norden gewandert und lag nun ca. 200 km südlich von Island. Ihr Kerndruck betrug 980 hPa. Grund für den Richtungswechsel war in der Höhe ein Hochkeil über Mitteleuropa bzw. am Boden das Hoch CLAWS über Südskandinavien, wodurch die Luftmassen über Großbritannien nach Norden umgeleitet wurden. Die Mischfront des Tiefs hatte sich fast komplett um das Zentrum “gewickelt” und der Okklusionspunkt befand sich nun über dem Nordosten Island. Von dort aus reichte die Warmfront nach Osten bis zur Küste Norwegens. Die Kaltfront hingegen verlief in südöstliche Richtung über die Nordsee, den Westen Frankreichs, die Pyrenäen und von dort aus nach Südwesten über die Iberische Halbinsel sowie 2000 km über den Nordatlantik. Hinter dieser Kaltfront, d.h. weiter westlich, hatte sich zwischen Irland und England eine zweite Okklusionsfront ausgebildet, die noch etwa 1000 km nach Südwesten in den Nordatlantik reichte. Entlang der Fronten kam es wieder zu Niederschlägen, die allerdings über Großbritannien deutlich schwächer ausfielen. An den meisten Stationen waren nur Spuren von Niederschlag messbar, einzelne Stationen vor allem über Nordirland, Schottland und dem Norden Englands meldeten, meist einstellige, messbare Niederschläge, so beispielsweise Belfast mit 6 mm. Über Zentralfrankreich kam es tagsüber zu einigen stärkeren Schauern und Gewittern an der Kaltfront, sowie im Abend und in der Nacht auch über den Benelux-Ländern. Dabei fielen mancherorts über 10 mm in 24 Stunden, so z.B. im zentral-französischen Vichy. Auf der Rückseite der Kaltfront floss nun kühlere Luft ein, sodass die Höchsttemperaturen an diesem Tag über Großbritannien und dem Westen Frankreichs wieder deutlich niedriger ausfielen, in Paris LeBourget wurden beispielsweise wieder sehr viel angenehmere 27°C erreicht und in Birmingham 23°C.

Am nächsten Tag, den 02.08. spaltete sich Tief ELLEN in zwei Tiefdruckkerne auf, die mit römischen Ziffern bezeichnet werden: ELLEN I lag direkt über Island, mit einem Kerndruck von 990 hPa und der zweite Kern ELLEN II hatte sich an der Südspitze Norwegens durch die Überströmung der Skanden an einer Welle ausgebildet und wies einen Luftdruck von knapp unter 1010 hPa auf. Beide Tiefdruckkerne waren durch eine verwellte Okklusionsfront miteinander verbunden. Außerdem verlief eine weitere Okklusionsfront von der Ostküste Islands bis Nordirland und die Mischfront zwischen Irland und England war weiter nach Südosten gezogen. Sie verlief nun vom Ärmelkanal nach Norden bis auf Höhe von Edinburgh. Größere Niederschlagsmengen in Verbindung mit Tief ELLEN kamen an diesem Tag über dem Norden Schottlands und an der Westküste Schottlands sowie über Mitteleuropa zusammen. In Dundrennan (Schottland) fielen 10 mm, in Glenanne (Nordirland) 13 mm und in Deutschland teils deutlich über 30 mm, vor allem in Süddeutschland durch Staueffekte. Die höchste Niederschlagsmenge wurde dort in Syrgenstein-Altenberg mit 107 mm gemessen. Doch die Regenfälle fielen recht unregelmäßig aus, weil die besonders hohen Summen nur im Zusammenhang mit Schauern und Gewittern auftraten. So wurden aus Berlin-Dahlem nur knapp 2 mm gemeldet.

Bis zum 03.08. hatte sich das ELLEN I leicht nach Südosten verlagert und der Kerndruck war auf 1000 hPa gestiegen. Um diesen Tiefdruckkern ließen sich keine Fronten mehr ausmachen. Der zweite Tiefdruckkern war nach Norden gewandert und lag mit 1005 hPa unweit von Trondheim. Von diesem Kern ging eine Mischfront aus, welche zunächst um das Tief ELLEN II herumgeführt wurde, anschließend nach Südosten bis zum Bottnischen Meerbusen verlief und sich von dort aus in einem Bogen nach Südosten als Kaltfrontokklusion über Polen, die Alpen und das nordwestliche Mittelmeer bis zur Ostküste Spaniens erstreckte. Etwa 200 km dahinter befand sich eine zweite Kaltfront, die von Stockholm bis Zentralfrankreich reichte. Über der Nordhälfte Deutschlands blieb es nach Durchzug der Kaltfront größtenteils trocken und es zeigte sich auch vielerorts wieder die Sonne. In Arnsberg (Nordrhein-Westfalen) schien sie sogar 12 Stunden. Im Süden dagegen schob sich weiterhin die Kaltfront von ELLEN II gegen die Alpen und es kam zu weiteren heftigen Stauniederschlägen. Im Alpenvorland wurde nun an mehreren Stationen eine Niederschlagsmenge von über 100 mm pro 24 Stunden vermeldet, wie etwa an den Stationen Chiemsee-Herrenchiemsee (133 mm), Aßling (101 mm) und Waakirchen-Demmelberg (116 mm). Auch über dem Südwesten Norwegens wurden hohe Regenmengen (zwischen 15 und 30 mm) gemessen. So fielen etwa in Trondheim/Voll und in Bergen 26 mm Regen.

Auf der Bodenwetterkarte des 04.08. lag nun der erste Tiefdruckkern des Wirbels ELLEN 100 km westlich der norwegischen Küste und der zweite über dem Bottnischen Meerbusen. Von ELLEN II ging eine Okklusionsfront ca. 800 km nach Südosten ab, die sich östlich um St. Petersburg herumschlängelte und danach etwa 2000 km in südwestliche Richtung bis zu einem Tief nahe Warschau reichte, wobei die Front ca. 200 km nördlich von Warschau in eine Warmfront überging. Die größten Niederschlagssummen, die sich zweifelsfrei auf die Zyklone zurückführen lassen, fielen nun in Åfjord, ca. 50 km nördlich von Trondheim mit 38 mm sowie in Krångede (Zentralschweden).

Am 05.08. befand sich das Tiefdruckgebiet ELLEN mit nur noch einem Kern über dem äußersten Norden Schwedens rund 300 km westlich von Murmansk, mit einem Kerndruck von 1005 hPa. Es waren keine Fronten mehr auszumachen und sein Einfluss auf das Wettergeschehen war nur noch sehr gering. In Tromsø fielen immerhin noch 20 mm an diesem Tag und auch an der Westküste Norwegens machte sich der Einfluss des Tiefdrucksystems noch bemerkbar. So registrierte eine Wetterstation auf der Insel Vega-Vallsjo eine Regenmenge von 26 mm. Über dem Norden Norwegens, Schwedens und Finnlands fielen die Niederschlagsmengen dagegen meist einstellig aus oder es wurden keine messbaren Regensummen gemeldet. Dabei waren die Temperaturen im Vergleich zum Vortag meist gestiegen, besonders im Westen Norwegens und Norden Schwedens, weil das Tief in Verbindung mit der südwestlichen Höhenströmung wärmere Luftmassen heranführte. In Frosta, 25 km nordwestlich von Tromsø, beispielsweise stieg die Temperatur im Vergleich zum Vortag von 16°C auf 20°C.

Zum nächsten Tag löste sich der eh schon sehr abgeschwächte und frontenlose Tiefdruckkern vollständig auf, so dass Tief ELLEN am 05.08. das letzte Mal auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden konnte.