Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ELMAR
(getauft
am 19.10.2017)
In der Nacht zum 18.10.2017 waren auf Bodenniveau östlich vor
Neufundland entlang einer wellenförmig deformierten Front eines vor Grönland liegenden
Tiefs zwei neue Tiefdruckwirbel entstanden, von denen der westlichere anhand
der Analysekarte von 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, des 19.10. auf den
Namen ELMAR getauft wurde. Dieses Tief ELMAR befand sich an seinem Tauftag mit
einem Druck von circa 1010 hPa zum Zeitpunkt der Analyse östlich von
Neufundland über dem Atlantik, in etwa auf der Länge von Qaqortoq in Grönland
und Breite von Porto in Portugal. Vom Kern des Wirbels reichte sowohl eine
Kaltfront nach Südwesten als auch eine Warmfront nach Osten, die sich nördlich
der Azoren mit der Kaltfront des Tiefdruckwirbels DIETMAR verband, dem zweiten
am Vortag entstandenen Wirbel.
Sich rasch zu einem Sturmtief verstärkend zog die Zyklone ELMAR in
nordöstlicher Richtung über den Atlantik und befand sich um 00 Uhr UTC des
20.10. mit einem Kerndruck, der bereits auf unter 975 hPa gefallen war, noch
knapp 1100 Kilometer von Irland entfernt. Vom Zentrum des Wirbels erstreckte
sich die Warmfront nun in südöstlicher Richtung bis nach Nordportugal, wo sie
sich erneut mit dem Frontensystem des nach England gezogenen Tiefs DIETMAR
verband. Die der Warmfront nacheilende Kaltfront reichte hingegen vom Kern in
südwestlicher Richtung über den Atlantik und ging im Verlauf in die Warmfront
eines vor der Ostküste der Vereinigten Staaten liegen Wirbels über. Einsetzende
Hebungsprozesse entlang des Wirbels hatten bereits am Vortag zur Ausbildung
eines ausgeprägten Niederschlagsbands geführt, welches am 20.10. gegen 12 Uhr
UTC die irischen Küsten erreichte und sich im weiteren Tagesverlauf auf gesamt
Großbritannien und den Norden Frankreichs ausweitete. Beispielsweise brachte
teils schauerartig verstärkter Regen binnen 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des
folgenden Morgens auf Sherkin Island 17 mm, am Flughafen von Cork 22 mm und am
Observatorium von Valentia 25 mm mit sich. Etwas geringer fielen die
Niederschläge in Großbritannien und dem Norden Frankreichs aus. In Brest wurden
bis zu 9,7 mm und im walisischen Capel Curig sowie in Cardinham je 16 mm
gemessen. Im Allgemeinen fielen die Niederschlagsintensitäten lokal jedoch sehr
unterschiedlich aus. Im Stadtgebiet von London wurden im gleichen Zeitraum
zwischen 1,6 und 2 mm, in Dublin 2,9 mm und in Paris, welches von den
Ausläufern des Tiefs nur gestreift wurde, mitunter nur vereinzelte Tropfen
registriert. Mit der zunehmenden Annäherung des Wirbels hatte zugleich auch der
zumeist aus südwestlichen Richtungen kommende Wind an Stärke zugenommen und
erreichte in den späten Abend- und frühen Morgenstunden an einigen exponierten
Lagen bereits Orkanstärke. So wurden auf der irischen Sherkin Island
orkanartige Böen von 111,7 km/h, auf dem schottischen Cairnwell Böen von 116,8
km/h und auf dem ebenfalls schottischen Cairngorm gar Orkanböen bis 142,7 km/h
gemessen.
In der Nacht zum 21.10. hatte das Zentrum des Sturmtiefs ELMAR die
Westküste Irlands erreicht und lag um 00 Uhr UTC mit einem Druck, der weiter
knapp 975 hPa betrug, unweit von Westport. Teile der Warmfront waren von der
ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt worden, wodurch sich entlang derer eine
Okklusionsfront ausgebildet hatte, die Eigenschaften beider Frontenarten in
sich vereint. Diese erstreckte sich nördlich des Kerns ausgehend in einem engen
Bogen über Schottland nach Süden bis zu ihrem Okklusionspunkt bei Manchester.
Als Okklusionspunkt wird hierbei der Ort beschrieben, an der Warm- und
Kaltfront ineinander übergehen. Von dort reichte die Warmfront über Brüssel
nach Süden und ging über dem westlichen Alpenraum abermals in das Frontensystem
des nun über der Nordsee liegenden Tiefs DIETMAR über, welches zunehmend in die
Zirkulation der Zyklone ELMAR einbezogen wurde. Die Kaltfront zog sich von
Manchester über Nantes und Lissabon nach Westen und verband sich südlich der
Azoren mit der Warmfront des von der Ostküste der USA in nordöstlicher Richtung
auf den Atlantik hinausziehenden und sich in Auflösung befindlichen unbenannten
Tiefdruckwirbel. Mit den Ausläufern des Sturmtiefs ELMAR verlagerte sich das
Hauptniederschlagsband über die Nordsee nach Osten und erreichte im Tagesverlauf
rasch Deutschland und Norwegen. Durch erzwungene Hebungs- und Staueffekte beim
Auftreffen auf das Erzgebirge verstärkten sich die Niederschläge zusätzlich.
Wurden innerhalb von 24 Stunden in Leipzig 6,9 mm und Dresden 10,2 mm gemessen,
fielen im selben Zeitraum an der Station Marienberg-Kühnhaide 24,3 mm und in
Zinnwald-Georgenfels 25,5 mm. Noch größer war der Effekt beim Auftreffen der
feuchten Luftmassen auf die Gebirgsketten Südnorwegens. Hier wurden in Gjerstad
51,1 mm, in Hynnekleiv 78,1 mm und in Nelaug 84,7 mm gemessen. Aus Berlin
wurden, je nach Stadtlage, zwischen 2 und 3,3 mm und aus Essen 5,5 mm gemeldet.
Auf der Rückseite des Wirbels wurden zugleich erneut regenreiche Luftmassen
nach Irland und Großbritannien geführt. Besonders ausgeprägt waren die
Niederschläge dieser Region über Schottland. Binnen 24 Stunden erfassten die
Messgeräte Regenmengen von 21,8 mm in Tiree, 30,8 mm in West Freugh und bis zu
51,6 mm bei Capel Curig. Über Großbritannien gestaltete sich der
Wettercharakter weiter recht stürmisch. Mit Böen zwischen 70 und 90 km/h
erreichte der Wind vielerorts Stärke 9 bis 10 auf der Beaufortskala.
Spitzenböen der Stärke 12, und somit Orkanstärke, wurden mit
Windgeschwindigkeiten von bis zu 126 km/h sowohl in Capel Curig als auch in
Aberdaron, sowie mit 122,3 km/h in Mumbles registriert. Der überwiegend süd-
bis südwestliche Wind erreichte vergleichsweise niedrige Werte in den
Morgenstunden in St. Peter-Ording mit Böen bis 54,0 km/h, auf Helgoland bis
64,8 km/h und auf dem Brocken bis 93,7 km/h.
Bis zum 22.10. war die Zyklone ELMAR unter allmählich einsetzender
Abschwächung über Irland und die Irische See hinweg nach Südschottland gezogen
und befand sich um 00 Uhr UTC mit einem um 20 hPa gestiegenen Kerndruck unweit
von Edinburgh und hatte das sich auflösende Tief DIETRICH nunmehr vollständig
in seine Zirkulation aufgenommen. Die dem Tief ELMAR zugehörige Warmfront war
in den vergangenen 24 Stunden fast vollständig von der Kaltfront eingeholt
worden. Die daraus resultierende Okklusionsfront beschrieb einen Bogen, der
sich östlich vom Kern ausgehend im Uhrzeigersinn um Schottland und die Norfolk
Inseln herum nach Dänemark zog und weiter bis zu ihrem Okklusionspunkt bei
Berlin reichte. Von Berlin zogen sich die Warmfront nach Wien und die Kaltfront
über München und die Alpen hinweg bis nach Norditalien, wo sie in das
Frontensystem einer bei Genua entstandenen Zyklone überging. Zunehmend an
Intensität verlierend, verlagerte sich das ursprüngliche Regenband von
Deutschland und Norwegen über Polen und Schweden nach Osten. Gleichzeitig
wurden jedoch am Rand des sich nähernden Wirbels weiter feuchte Luftmassen aus
dem Nordseeraum nach Deutschland gelenkt, deren Niederschläge lokal erneut
recht ergiebig ausfallen konnten. Vierundzwanzigstündig wurden aus St.
Peter-Ording 6,3 mm, aus Schmücke 15,7 mm und aus Norderney 27,2 gemeldet. In
Polen fielen in Breslau 9,2 mm, bei Darłowo
15 mm und auf dem Kasprowy Wierch in der Westtatra 23,7 mm. Etwas stärker fielen die Niederschläge erneut über
Südskandinavien aus. Im schwedischen Ljungby wurden im selben Zeitraum 24 mm,
in Hynnekleiv 31,7 mm und in Nelaug 36 mm schauerartig verstärkten Regens
registriert. Der Wind hatte zumeist an Kraft verloren. Über Deutschland wurden
stürmische oder gar Sturmböen nur noch vereinzelt in besonders exponierten
Lagen gemessen. Der überwiegend südwestliche Wind erreichte in Schmücke, auf
937 Meter Höhe gelegen, Windspitzen von 64,8 km/h, auf dem Fichtelberg, in 1213
Meter Höhe, 75,6 km/h und an der Station auf dem Weinbiet, 553 Meter hoch
gelegen, 82,9 km/h. Schwere Sturmböen bis 93,7 km/h wurden nochmals auf dem
Brocken registriert sowie vereinzelt noch aus den schottischen und englischen
Hochlagen gemeldet. Ehe der Tiefdruckwirbel ELMAR seinen Einfluss auf
Großbritannien weitestgehend verlor, erreichte der zumeist aus westlichen bis
nordwestlichen Richtungen kommende Wind auf dem Cairngorm sowie auf dem Great
Dun Fell Windspitzen von 94,5 km/h und in Capel Curig von bis zu 100,1 km/h.
Sich zusehends in Auflösung befindend konnte das einstige
Sturmtief ELMAR am 23.10. gegen 00 Uhr UTC über der Nordsee analysiert werden.
Vom Zentrum des Wirbels, in dessen Kern der Druck auf über 1005 hPa gestiegen
war, erstreckte sich die Okklusionsfront über Grenå in Dänemark, Malmö und Kaliningrad
bis nach Minsk. Bei Minsk spaltete sich die Okklusionsfront in eine nach
Südosten Richtung Schwarzes Meer reichende Warm- und eine sich nach Südwesten
ziehende Kaltfront auf, die sich über Ostungarn mit dem Frontensystem des von
Genua in den Adriaraum gezogenen Wirbels verband. Über dem Schwarzen Meer ging
die Warmfront ebenfalls in das Frontensystem eines über Kasachstan liegenden
Wirbels über.
Tief ELMAR schwächte sich im weiteren Tagesverlauf zunehmend ab,
sodass dieser am 24.10. auf der Berliner Wetterkarte nicht mehr als
eigenständiges Tiefdrucksystem analysiert und somit auch nicht mehr auf jener
verzeichnet werden konnte. Größere, dem Wirbel direkt zuzuordnende
Niederschläge wurden zuvor noch über Norddeutschland sowie im Alpenstau registriert.
Binnen 24 Stunden fielen in St. Peter-Ording 7,6 mm, in Oberstdorf 14,6 mm und
in Lübeck-Blankensee 14,9 mm. Die Zugspitze meldete Schneefall und eine
Niederschlagssumme von 23,4 mm, die die bereits vorhandene Schneedecke von 43
auf 52 Zentimeter anwachsen ließ.
Geschrieben am 05.12.2017 von Christian Ulmer
Berliner Wetterkarte: 22.10.2017
Pate: Elmar Sperling