Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
EMIL
(getauft am 14.06.2011)
Am 14. Juni 2011 wurde ein Tiefdruckgebiet über dem
Nordatlantik auf den Namen EMIL getauft. Es hatte sich korrespondierend zu
einem Höhentief gebildet, das südlich von Grönland weit nach Süden bis in die
Region der Azoren reichte. Neben dem tiefen Luftdruck gab es in der Höhe auch
verhältnismäßig kalte Luft im Vergleich zur Umgebung. Da der Teil des
Höhentiefs, der für die Entstehung des Bodentiefs EMIL verantwortlich war,
ähnlich wie ein Tropfen nach Süden aus dem großräumigen Tief herauswich,
spricht man in diesem Fall auch von einem Kaltlufttropfen. Vom Zentrum des
Bodentiefs EMIL, ungefähr auf halbem Weg zwischen Island und den Azoren, in dem
ein Druck von unter 995 hPa herrschte, reichte eine Okklusionsfront, also eine
Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, über 1000 km weit nach Westen.
Eine zweite, nur ca. 400 Kilometer lange Okklusionsfront beschrieb einen Bogen
in zunächst nordöstlicher, dann südöstlicher Richtung bis zum sogenannten
Okklusionspunkt. Dort trafen sich die Warmfront und die weiter westlich
gelegene Kaltfront, die jeweils in etwa in südliche Richtung verliefen. Die
Kaltfront ihrerseits war knapp südlich des Okklusionspunktes verwellt, d.h., es
bildete sich auf einer Strecke von ca. 200 Kilometern durch lokal andere
Strömungsverhältnisse eine Warmfront aus, ehe weiter südlich wieder eine
Kaltfront zu erkennen war. Bis zum Morgen des 15. Juni hatte sich das
Tiefdruckgebiet EMIL zum einen nach Osten verlagert, der Kern lag nun ungefähr
800 Kilometer westlich der irischen Küste. Zum anderen hatte sich die Zyklone
EMIL auch verstärkt, denn mittlerweile lag der Luftdruck in ihrem Zentrum bei
unter 985 hPa. Von einem Punkt knapp westlich des Tiefdruckzentrums ausgehend und
einen Bogen nördlich daran vorbei bis in den Norden Irlands beschreibend,
verlief die Okklusionsfront. Weiter südlich ging diese in eine Kaltfront über,
die in südlicher bis südwestlicher Richtung bis weit auf den Nordatlantik
hinaus zu sehen war. Etwas weiter westlich zog sich eine zweite Kaltfront
hinter der ersten entlang. Eine Warmfront konnte nicht analysiert werden. Auf
den Britischen Inseln sorgten die beiden Kaltfronten des Tiefs EMIL für Regen,
wobei die höchsten dort gemessenen Niederschlagssummen innerhalb von 24 Stunden
bis zum Morgen des 16. Juni im Süden Englands auftraten. An der Station Plymouth
kamen in diesem Zeitraum 4 l/m² zusammen, weiter östlich in Bournemouth waren
es 9 l/m². Die im Tagesverlauf des 15. Juni weiter nach Osten vorankommenden
Fronten des Tiefdruckgebietes EMIL sorgten auch auf dem europäischen Festland
für Regenfälle. An den niederländischen Wetterstationen Amsterdam und Rotterdam
wurden bis zum Morgen des 16. Juni beispielsweise 11 bzw. 8 l/m² gemessen. Das
Tiefzentrum blieb in dieser Zeit nahezu stationär, der Kerndruck schwächte sich
aber leicht ab, auf ca. 995 hPa. Tagsüber zog eine mittlerweile wieder gut
ausgeprägte Warmfront über Mitteleuropa, dahinter verlagerten sich die beiden
Kaltfronten weiter nach Osten und überquerten dabei Mittel- und Westeuropa, wo
es vielerorts zu Niederschlägen kam. Zwischen der Warmfront und der östlicheren
der beiden Kaltfronten lag der sogenannte Warmluftsektor, der morgens den Osten
Frankreichs passierte und mittags über der Osthälfte Deutschlands angekommen
war. Der genannte Verlauf der Fronten und des Warmluftsektors macht sich
einerseits in den Höchsttemperaturen bemerkbar. So wurde im Süden und Osten
Deutschlands vielerorts die 25°C-Marke überschritten, also ein Sommertag
erreicht. In Cottbus konnte mit einer Maximaltemperatur von 30,0°C sogar ein
Heißer Tag verbucht werden. Im Westen Deutschlands war es aufgrund der
Kaltfronten deutlich kühler. In Aachen stieg die Temperatur auf 21,7°C und in
Freiburg sogar nur auf 16,4°C. Andererseits machte sich das Frontensystem des
Tiefdruckgebietes EMIL in Deutschland auch durch teils kräftige Niederschläge
bemerkbar. In Cuxhaven kamen bis zum Morgen des 17. Juni innerhalb von 24
Stunden 32 l/m² zusammen, ebenso wurden an der bayerischen Station
Hohenpeißenberg 23 l/m² registriert. Mit den schauerartig verstärkten
Niederschlägen waren häufig, aber nicht überall Gewitter verbunden. Die
Bodenwetterkarte vom 17. Juni zeigt, daß sich drei Zentren des Tiefs EMIL
entwickelt hatten. Dies waren EMIL I, der ursprüngliche Kern nordwestlich von
Irland, von wo aus sich eine Okklusionsfront über Island bis zu den
Färöer-Inseln erstreckte, in deren Bereich das Teiltief EMIL II lag, sowie ein
durch eine weitere Okklusionsfront mit EMIL II verbundenes Zentrum EMIL III
über dem Skagerrak. Von dort ausgehend zog sich eine Warmfront bis in den
Nordosten Polens, während sich die zugehörige Kaltfront über Westpolen und den
Alpenraum bis nach Südfrankreich erstreckte. Besonders am Okklusionspunkt, wo
die Warm- und die Kaltfront zusammenliefen, sowie vor der Kaltfront entlang
einer Konvergenzlinie, wo auf kleinem Raum Luft aus unterschiedlichen
Richtungen zusammenströmte, kam es wiederum zu Schauern und Gewittern. In
Deutschland lag der Schwerpunkt der Niederschläge im Süden und Südwesten. Bis
zum Morgen des 18. Juni kamen am Stuttgarter Flughafen 24 l/m² in 24 Stunden
zusammen, und in Lahr am Westhang des Schwarzwaldes waren es im gleichen
Zeitraum 31 l/m². Noch mehr Regen, nämlich 57 l/m², waren es in Locarno im
Schweizer Kanton Tessin. Am 18. Juni waren zwei Zentren des Tiefs EMIL auf der
Wetterkarte zu erkennen. EMIL I befand sich mit einem Kerndruck von ca. 995 hPa
über dem Norden Irlands, während EMIL II über dem Finnischen Meerbusen lag, der
Kerndruck betrug dort ungefähr 1003 hPa. Beide Teiltiefs waren durch eine
Okklusionsfront verbunden, die in den südlichen Teilen Norwegens und Schwedens
Regen brachte. Vom Zentrum von EMIL II reichte eine weitere Okklusionsfront bis
in die Ukraine, wo Warm- und Kaltfront im Bereich der Hauptstadt Kiew
zusammenliefen. Im Osten Europas gab es zwar im Bereich dieser Okklusionsfront
gebietsweise Regen, jedoch war dieser eher in Form von länger anhaltendem
leichten Regen, und weniger in Form von Schauern und Gewittern ausgeprägt. Am 19.
Juni war das Tiefdruckgebiet EMIL, mit einem einzigen Kern über Finnland, zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Es
brachte im Nordosten Europas nochmals wechselhaftes Wetter an seinen Fronten
mit sich. Westlich an das Zentrum anschließend verlief eine Okklusionsfront bis
nach Mittelschweden, und östlich des Zentrums zog sich eine weitere
Okklusionsfront bis in den Moskauer Raum, wo sich eine Warmfront in den Süden
Russlands anschloss. Eine weitere Front ging von Moskau aus und reichte nach
Westen zum Tiefdruckgebiet FABIAN mit Kern über der Nordsee, in welches das
Tiefdruckgebiet EMIL bis zum nächsten Tag überging.
Lebensgeschichte geschrieben am 26.07.2011 von Heiko
Wiese
Ausgewählte Berliner Wetterkarte: 16.06.2011
Pate: Emil Höre