Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ENNO
(getauft am
29.05.2019)
Ende Mai befand sich das ausgeprägte
Hochdruckgebiet PIA über den Azoren sowie ein Tiefdruckkomplex namens CLAUDIUS
über Skandinavien. Zudem zog vom Atlantik kommend ein weiteres Tiefdruckgebiet
nach Osten. Da sich auf der Nordhalbkugel Hochdruckgebiete im Uhrzeigersinn
drehen, konnte durch das Hoch nahe der Azoren, maritime Subtropikluft nach
Norden in Richtung der Britischen Inseln transportiert werden. Tief CLAUDIUS mit
Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn advehierte dagegen maritime Arktikluft
nach Süden. So bildete sich am 30. Mai eine markante Luftmassengrenze aus,
welche vom östlichen Atlantik bis Schottland reichte. Da die kalte Luft nach
Süden und die warme Luft nach Norden strömte, bildete sich über Schottland ein
flaches Wellentief aus. Diese Entwicklung war schon am Vortag von den Modellen
simuliert worden, sodass die Meteorologen der Berliner Wetterkarte dieses Tief
bereits am 29. Mai in der Prognose für den Folgetag auf den Namen ENNO taufen
konnten.
Der Kern des Tiefs ENNO lag mit einem
Druck von gut 1005 hPa über Schottland, wobei eine kurze Kaltfront nach
Nordwesten abging und eine bogenförmige Warmfront sich über die Nordsee und das
westliche Belgien bis Bordeaux erstreckte. Bis zum Morgen verlagerte sich die
Warmfront weiter nach Osten und erreichte den äußersten Nordwesten und Westen
Deutschlands. Die Front brachte neben dichter Bewölkung leichte Regenfälle,
welche aber meist nur Niederschlagsmengen von 0,1 bis 2 mm mit sich brachten.
List auf Sylt vermeldete 1,8 mm, Rotterdam 1,0 mm und in Paris fielen wenige
Tropfen. Höhere Mengen gab es im Bereich des Kerns und der Kaltfront über
Schottland und Nordirland. So fielen bis 07 Uhr MEZ, was 06 Uhr UTC entspricht,
12-stündig in Edinburgh 5,0 mm und in Glasgow 9,0 mm. Am Malin Head, dem
nördlichsten Punkt auf dem Festland Irlands, wurden im selbigen Zeitraum sogar
11,0 mm verzeichnet. Die Tiefstwerte lagen im Einflussbereich der maritimen
Subtropikluft in Irland und England am Morgen des 30. Mai bei recht milden 14
bis 10°C. Dagegen sank die Temperatur im Bereich der Arktikluft
in Baltasound auf den Shetlandinseln auf 2,2°C. In
Bodennähe wurde mit genau 0,0°C knapp Bodenfrost verfehlt. Auch nach
Skandinavien gelangte rückseitig der Kaltfront ein Schwall arktischer Kaltluft.
Dort gab es in der Nacht gebietsweise leichten, in höheren Berglagen auch
mäßigen Frost. An der Station Sognefjell in
Südnorwegen auf 1400 m Höhe wurde ein Minimum von -5°C gemessen. Am 30. Mai
überquerte die Warmfront des Tiefs ENNO den Norden und die Mitte Deutschlands.
Weiterhin wurden hier bis zum Abend Regenmengen von 0,1 bis 2 mm verzeichnet.
Höhere Niederschlagsmengen gab es im äußersten Norden Deutschlands. So fielen
im westlichen Schleswig-Holstein 2 bis 5 mm, wie in Hattstedt
mit 3,1 mm. Auch im Bereich des Tiefdruckkerns und der Kaltfront traten in der
Mitte und dem Süden Skandinaviens Regenfälle von 5 bis 13 mm auf. Oslo
vermeldete bis 19 Uhr MEZ eine 12-stündige Regenmenge von 9,2 mm. Die Warmfront
führte am 30. Mai mit einer südwestlichen Strömung subtropische Luftmassen auch
nach Deutschland, sodass die Temperaturen im Vergleich zum Vortag um ca. 5
Kelvin anstiegen. Die Höchstwerte lagen am Nachmittag zwischen 19 und 24°C,
stellenweise wurde mit 25 bis 27°C ein Sommertag erreicht. Entsprechend der
Lage der Warmfront verteilten sich auch die Sonnenstunden in Deutschland.
Während im Südosten unter Einfluss von Hoch PIA 10 bis 15 Sonnenstunden
verzeichnet werden konnten, blieb es vom Rheinland bis Schleswig-Holstein unter
den Wolken der Warmfront bedeckt ohne Sonnenschein.
Bis zum 31. Mai um 01 Uhr MEZ
verstärkte sich Tief ENNO deutlich. Der Kern lag nun mit einem Druck von ca. 995
hPa über Mittelschweden. Große Teile des Frontensystems okkludierten dabei
bereits, was bedeutet, dass die schneller ziehende Kaltfront die vorlaufende
Warmfront einholt und sich mit ihr vereinigt. Diese neu entstandene Front wird
als Okklusion bezeichnet. Für gewöhnlich gibt es an dieser Front kaum noch
Temperatursprünge und es treten schauerartig verstärkte Regenfälle auf. Die
Okklusion des Tiefs ENNO erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt vom Kern über
Südfinnland bis Gotland. Von dort aus verlief die Warmfront über Berlin bis
Mannheim, die Kaltfront reichte von Südschweden bis Dänemark. Die wärmste Luft
befand sich in der Nacht zum 31. Mai genau über dem Nordwesten Deutschlands im
Bereich des Warmluftsektors. Hier kühlte sich die Luft kaum ab, sodass am
Morgen Tiefstwerte von 17 bis 14°C gemessen wurden. Am wärmsten blieb es in
Münster mit 16,7°C. Im norwegischen Bergland sank im Bereich der Arktikluft die
Temperatur wieder in den Frostbereich, auf dem 1893 m hohen Juvvasshoe
konnten sogar -8,0°C gemessen werden. Selbst in Oslo wurde es mit 2,7°C
ziemlich kühl. Bis 07 Uhr MEZ am 31. Mai konnten entlang der Fronten in großen
Teilen Skandinaviens bis Norddeutschland 12-stündige Niederschlagsmengen von 2
bis 15 mm, in der Nähe des Kerns auch bis 20 mm verzeichnet werden. Mit
Einfließen der kälteren Luftmasse gingen die Niederschläge in Nordschweden und
in Lappland sogar teils in Schnee über, sodass sich örtlich eine Schneedecke
von knapp 1 cm ausbilden konnte. Bis 13 Uhr MEZ verlagerte sich die Warmfront
weiter nach Osten in Richtung Polen und Tschechien. Deutschland lag somit am
31. Mai im Bereich feuchtwarmer Meeresluft subtropischen Ursprungs. Die
Temperatur stieg trotz einer Sonnenscheindauer von teils weniger als 5 Stunden
örtlich auf über 25°C, lediglich im äußersten Westen und Südwesten wurden mehr
als 10 Stunden registriert, doch gab es dort meist keinen Sommertag. Im Norden
kam es örtlich auch zu Schauern und Gewittern, die am Abend zwischen 17 und 21
Uhr MEZ auch den Berliner Raum von Westen her überquerten, wobei in Potsdam und
am ehemaligen Flughafen Tempelhof 3,8 mm und am Flughafen Tegel 5,6 mm Niederschlag
erfasst wurden. Bis 19 Uhr MEZ fielen entlang des Frontensystems von Tief ENNO
innerhalb von 12 Stunden vom Nordkap über Sankt Petersburg, den Baltischen
Staaten bis Westpolen 1 bis 10 mm. Die höchsten Mengen gab es dabei wieder in
der Nähe des Kerns über Nordnorwegen und Nordfinnland.
Am 01. Juni um 01 Uhr MEZ befand sich
der Kern des Tiefs ENNO mit einem Druck von knapp unter 995 hPa nahe Murmansk.
Die Okklusion lag dabei bogenförmig über dem Westen Russlands, die kurze Kaltfront
befand sich über den baltischen Staaten und die ebenfalls kurze Warmfront über
Polen. Die Niederschläge an den Fronten verloren zunehmend an Intensität,
sodass maximal nur noch 4 mm in den oben genannten Regionen erreicht werden
konnten. Die maritime Arktikluft erreichte die baltischen Staaten, sodass es
hier mit Tiefstwerten von 6 bis 0°C recht kalt wurde. Jogeva
in Estland verzeichnete zum meteorologischen Sommeranfang mit -0,1°C sogar
Luftfrost. Dagegen sank in dem schmalen Warmluftsektor über Zentralpolen die
Temperatur nicht unter 15 bis 12°C. Deutschland gelang am 01. Juni erneut in
den Einfluss von Hoch PIA. Mit der tags zuvor durch Tief ENNO eingeflossenen
Subtropikluft gestaltete sich der Tag verbreitet sonnig und die Temperatur
stieg auf sommerliche 23 bis 29°C.
Vom 2. bis 3. Juni lag Tief ENNO
zwischen der Halbinsel Kola und Spitzbergen und bewegte sich kaum nach Osten.
Die Fronten brachten dabei dem Westen Russlands kaum mehr als 3 mm Regen. Durch
die stationäre Lage des Tiefs gelang durch die Drehrichtung weiterhin arktische
bzw. polare Luft nach Süden. Da kalte Luft schwerer ist als warme, bildete sich
durch den höheren Druck der Kaltluft am Boden ein neues Hoch über den
Baltischen Staaten aus. Dieses, von der Berliner Wetterkarte auf den Namen QUEENIE
getaufte Hoch, beeinflusste das Wettergeschehen in Deutschland vom 3. bis 6.
Juni. Mit weiterer Verstärkung von Hoch QUEENIE wurde das Tief ENNO weiter nach
Osten abgedrängt und spielte in der Folge für das Wettergeschehen in Europa
keine Rolle mehr.