Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ERDMANN
(getauft
am 27.05.2013)
Im Tagesverlauf des 24.05. entstand über
Neufundland eine Wellenstörung, aus der sich ein Tiefdruckwirbel bildete. Gemäß
der Höhenströmung
in 500 hPa, was einer Höhe von ca. 5,5 km entspricht, verlagerte sich die
stetig intensivierende Zyklone in den darauf folgenden Tagen zügig über den
Atlantik nach Osten und wurde am 27.05. auf den Namen ERDMANN getauft.
An diesem Tag befand sich das inzwischen
zum Sturmwirbel entwickelte Tiefdruckgebiet mittig zwischen Island und den
Britischen Inseln und wies einen Kerndruck von ca. 975 hPa, sowie ein bereits
zum Teil okkludiertes Frontensystem auf, d.h. die schnellere Kaltfront hatte
die Warmfront bereits eingeholt und es entstand eine Mischfront. Vom Kern aus
verlief eine Okklusionsfront in einem Bogen über Reykjavik Richtung Norden und
ging in einen vorlaufenden Wirbel über. Zusätzlich existierte eine weitere
Okklusion, die sich vom Kern über den Westen Irlands nach Süden bis
ca. 1000 km nordöstlich der Azoren erstrecke. Dort teilte sie sich in eine
Warm- und eine Kaltfront auf. Durch Luftdruckunterschiede in der Atmosphäre, den
sogenannten Druckgradienten, entstehen Ausgleichsströme in Form von Winden. Der
Druckgradient von Tief ERDMANN war an diesem Tag sehr stark ausgeprägt, was
letztlich stürmische Winde mit sich brachte. In den Schottischen Highlands
wurden Windgeschwindigkeiten bis zu 83,4 km/h gemessen, was der Windstärke 9 auf
der Beaufortskala entspricht. Sogar in tiefer gelegenen Gebieten wie z.B. an
der Station South Uist auf den Äußeren Hebriden wurde
mit 63 km/h Windstärke 8 erreicht. Begünstigt durch das Zusammenwirken von
Kaltluft arktischen Ursprungs und der warmen, feuchten Atlantikluft fiel im
Einflussbereich von Tief ERDMANN verbreitet Niederschlag. Während die
Wetterstationen in Irland bis zu 10 l/m² registrierten, kamen in den
benachbarten Regionen erheblich höhere Niederschlagsmengen zusammen.
Beispielsweise wurden an der Station Eskdalemuir in
Südschottland im selben Zeitraum 33,6 l/m² gemessen. Auch im Nordwesten
Englands sowie im Westen Wales wurden verbreitet Niederschlagsmengen über 20
l/m² registriert. Zudem fielen die Tageshöchsttemperaturen im Vergleich zum
Vortag um bis zu sieben Grad, wobei der Temperaturfall in den südlichen
Gebieten Englands eher geringer ausfiel. So meldete London einen
Tageshöchstwert von 18,3°C, wohingegen die von den höheren Niederschlagsmengen
betroffenen Gebiete teilweise deutlich unter 10°C zu verzeichnen hatten.
Im weiteren Tagesverlauf verlagerte sich der Kern des Wirbels ERDMANN unter leichter Abschwächung etwas nach Süden, sodass das Tief am 28.05. um 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, ca. 350 km nordwestlich vor den Britischen Inseln mit einem Kerndruck von ca. 990 hPa analysiert wurde. Zwar hatte sich das Frontensystem auf eine verbliebene Okklusionsfront reduziert, jedoch gewann der Wirbel deutlich an zonaler Ausdehnung. So reichte sein Einflussgebiet vom Norden Islands bis nach Nordspanien. Die besagte Front verlief vom Kern in einem Bogen über Großbritanniens Westküste weiter über die Bretagne, die Biskaya und schließlich über Nordspanien Richtung Westen über den Atlantik. Aufgrund der geringen Verlagerung des Kerns fiel in nahezu denselben Gebieten des Vortages weiterer Regen. An der Wetterstation im irischen Dublin kamen beispielsweise weitere 9 l/m² hinzu, wohingegen in Rhyl im Norden von Wales 15 l/m², im zentralenglischen Thorncliffe 17,2 l/m² und Pershore 17,8 l/m² registriert wurden. Im Vergleich zum Vortag fiel im Süden Englands mehr Niederschlag, wie z.B. am Londoner Flughafen Heathrow, wo 11 l/m² gemessen wurden. Sogar im Norden Spaniens, an der Wetterstation in San Sebastian/Fuenterrabia, sorgte das Tiefdruckgebiet ERDMANN mit 38,9 l/m² für ergiebige Niederschläge. In diesen Regionen sank durch den Durchzug der Okklusionsfront zudem die Tageshöchsttemperatur um etwa zwei bis drei Grad, sodass z.B. in Oviedo nur noch 12,2°C gemeldet wurden. Ende Mai liegen dort die Tageshöchstwerte normalerweise ca. zehn Grad höher. Während die Okklusionsfront den Norden Spaniens sowie Frankreich im weiteren Tagesverlauf überquerte, verlagerte sich der Kern des Wirbels ERDMANN sehr langsam nach Süden und teilte sich sogar auf.
Am 29.05. um 00 Uhr UTC konnten demzufolge zwei Kerne auf der Bodenwetterkarte analysiert werden. Tief ERDMANN I, welches einen Kerndruck von unter 1010 hPa aufwies, befand sich weiterhin unmittelbar nordwestlich vor der Küste der Britischen Inseln, während das Zentrum ERDMANN II mit einem Kerndruck von etwa 1005 hPa über der walisischen Stadt Swansea lag. Inzwischen hatte der Tiefdruckeinfluss auch die Mitte und den Süden Deutschlands erreicht und sorgte dort für weiteren Niederschlag, wie beispielsweise im niedersächsischen Bückeburg 24,7 l/m² und in Köln/Bonn 15,5 l/m². Allerdings wurde im weiteren Tagesverlauf das Tiefdrucksystem ERDMANN in die Zirkulation eines vorauslaufenden Wirbels aufgenommen, sodass die Zyklone an diesem Tag letztmalig auf der Berliner Wetterkarte analysierbar war.
Geschrieben
von Thomas Klötzke
Berliner
Wetterkarte: 27.05.2013
Pate:
Prof. Dr. Erdmann Röhlig