Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ERICH
(getauft am 05.09.2011)
Am 04. September erstreckte sich ein
ausgedehnter Trog in ca. 5,5 km Höhe über den Nordatlantik. Ein in der
westlichen Strömung eingebettetes Frontensystem verlagerte sich von diesem Trog
gesteuert nach Osten, an dem sich im Laufe des Tages ein Tiefdruckgebiet südlich
Grönlands bildete. Dieses verstärkte sich bis zum frühen Morgen des 05.
Septembers und befand sich mit einem Kerndruck von etwas weniger als 990 hPa
östlich der Südspitze Grönlands. Noch am gleichen Tag wurde es auf den Namen
ERICH getauft.
Das Tief zog im Laufe des Tages in der
kräftigen Westströmung rasch in Richtung Großbritannien, sodass sich der Kern
am Morgen des 06. Septembers westlich der schottischen Hebrideninseln befand.
Die kurze Okklusionsfront, die eine Mischfront aus Warm- und Kaltfront
darstellt, erstreckte sich in südöstlicher Richtung. Vom sogenannten
Okklusionspunkt aus, also der Stelle, an der sich die Kaltfront mit der
Warmfront vereinigt, reichte die Warmfront über Südschottland bis
Südwestengland. Die Kaltfront hingegen reichte in einem Bogen über Irland bis über
den Nordatlantik zwischen Neufundland und die Azoren. Die Kaltfrontpassage ging
in Irland mit heftigen Böen einher. Sie erreichten in Dublin mit 79 km/h Windstärke 8. An der
Station Martin Head an der Nordspitze Irlands mit 94 km/h sogar Windstärke 9.
Der Tiefkern mit ca. 980 hPa verlagerte
sich bis zum 07. September über das Europäische Nordmeer in die Nähe der
norwegischen Küstenstadt Bergen. Das mittlerweile stark okkludierte
Frontensystem erstreckte sich vom Kern ausgehend bogenförmig über Skandinavien
und Dänemark bis Paris. Die daran anschließende Kaltfront reichte bis über den
mittleren Nordatlantik. Eine zweite Okklusionsfront des Tiefs beeinflusste hingegen
die Nordsee, Mittelengland, Irland und das Seegebiet nordwestlich davon.
Im Norden Deutschlands kam es bei der
Frontpassage der ersten Okklusionsfront ebenfalls zu Sturmböen. In Helgoland
wurden beispielsweise maximal 90 km/h gemessen, dazu fielen im Laufe der Nacht
20 l/m² Niederschlag. Im nordfriesischen Leck waren es sogar 28 l/m². Außer in
Norddeutschland fiel der Niederschlag besonders an der skandinavischen
Westküste ergiebig aus, so zum Beispiel in Bergen mit 47 l/m² innerhalb von 24
Stunden. Im Laufe des Tages verlagerte sich die Zyklone ERICH wenige hundert
Kilometer nordwärts und verschmolz in der Nacht mit Tief DIETER südöstlich der
Insel Jan Mayen. Das nun entstandene Doppelzentrum von Tief ERICH mit dessen ausgedehntem
Frontensystem wies am frühen Morgen des 08. Septembers einen Kerndruck von 980
hPa auf. Vom Kernbereich ausgehend erstreckte sich eine rückläufige
Okklusionsfront über Jan Mayen und Spitzbergen und spaltete nordwestlich der
russischen Insel Nowaja Semlja eine nach Süden reichende, kurze Warmfront ab. Westlich
davon setzte sich die Okklusionsfront über die Halbinsel Kola und Westrussland
bis zur Donaueinmündung am Kaspischen Meer fort. Die zweite lange Front der
Zyklone erstreckte sich vom Kern spiralförmig um das Zentrum herum, über
Mittelskandinavien und die Baltikstaaten bis über die westliche Ukraine. Die
anschließende Kaltfront beeinflusste das Wettergeschehen von Ungarn über die
Poebene bis nach Südfrankreich.
Die Niederschlagsgebiete an den
Frontensystemen sorgten stellenweise für ergiebige Mengen. Auf Jan Mayen fielen
beispielsweise innerhalb von 24 Stunden 25 l/m² Regen, in Bergen waren es 27
l/m². Auch in Leck in Schleswig Holstein registrierte man weitere 45 l/m².
Auf der Frontenrückseite strömte über
Nord-, Zentral- und Osteuropa kühle Meeresluft vom Atlantik her ein, in der
sich im Tagesverlauf verbreitet gewittrige Schauer entwickelten, die
insbesondere die norddeutschen Regionen betrafen. In Kiel und Cuxhaven fielen zum
Beispiel bis zum Folgetag 16 l/m², in Bremen waren es 19 l/m².
Bis zum frühen Morgen des 09. Septembers befand
sich das Tiefzentrum quasistationär mit 990 hPa weiterhin südöstlich der Insel
Jan Mayen. Da sich am umfangreichen Frontensystem der Zyklone ERICH zwei
weitere Kerne entwickelt hatten, wurde das ursprüngliche Zentrum mit ERICH I in
der Berliner Wetterkarte geführt. Die rückläufige Okklusionsfront des
Tiefzentrums ERICH I reichte nach Nordosten und teilte sich in eine Warm- und
Okklusionsfront zwischen Spitzbergen und Jan Mayen auf. Die Warmfront
erstreckte sich dabei in nordöstlicher Richtung aus dem Analysebereich der Berliner
Wetterkarte hinaus, während die Okklusion bogenförmig bis zum Nordkap reichte
und sich rückläufig bis über den Bottnischen Meerbusen erstreckte. Das sich
dort befindende neue Tiefdruckzentrum mit einem Druck von ca. 995 hPa wurde mit
ERICH II bezeichnet. In Form einer nach Südosten reichenden Okklusionsfront
stand dieses Zentrum mit dem Teiltief ERICH III mit Zentrum bei Moskau in
Verbindung, das ebenfalls einen Druck von ca. 995 hPa aufwies. Ausgehend vom
Zentrum ERICH III erstreckte sich eine Warmfront in südöstlicher Orientierung
aus dem Analysebereich hinaus. Die Kaltfront reichte über die ukrainische Stadt
Donezk und Teile des Kaspischen Meeres bis nach Sofia in Bulgarien.
Die Frontenpassagen der Wirbel ERICH II und
III gingen in Ost- und Nordeuropa meist mit Regenschauern einher. In Tallin
fielen beispielsweise 8 l/m² innerhalb von 24 Stunden nahe der Okklusionsfront.
Dagegen traten auf der Rückseite des Frontensystems kräftige Regenfälle auf, so
z.B. in Leba, an der polnischen Ostseeküste, wo 27 l/m² innerhalb von 24 h
registriert wurden. Um das Zentrum ERICH
I herrschte vor allem kräftiger Wind vor. Auf Jan Mayen wurden im Laufe des 09.
Septembers schwere Sturmböen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 90km/h
registriert.
Auch am 10. September verblieb das Zentrum
von ERICH I quasistationär über dem Europäischen Nordmeer mit einem Kerndruck
von knapp unter 1000 hPa bestehen. Die rückläufige Okklusionsfront der Zyklone
reichte dabei in nordöstliche Richtung aus dem Analysebereich der Wetterkarte
hinaus. Der Kern ERICH II hatte sich über der Ostsee aufgelöst, sodass das Tief
ERICH III als ERICH II weitergeführt wurde. Dieses befand sich mit dem Kern
östlich der Stadt Moskau mit einem Kerndruck von ca. 995 hPa. Die rückläufige
Okklusionsfront des Tiefs erstreckte sich vom Tiefzentrum ausgehend über
Südfinnland und Mittelskandinavien bis nach Spitzbergen. Die Warmfront reichte
in östlicher Richtung aus dem Analysebereich hinaus. Dagegen verlief die
Kaltfront spiralförmig über Teile des Kaspischen und Schwarzen Meeres.
Im Westen Russlands sorgten die
Niederschlagsgebiete am Frontensystem des Wirbels ERICH II für anhaltenden
Regen. Das an der Wolga liegende Kazan meldete beispielsweise innerhalb von 12
Stunden 10 l/m² Regen, in Moskau fielen 7 l/m². Die Insel Jan Mayen wurde weiterhin von der Okklusionsfront
der Zyklone ERICH I beeinflusst. Innerhalb von 24 Stunden fielen bis 8 Uhr MESZ
weitere 13 l/m².
Am Morgen des 11. Septembers befand sich
Tief ERICH I mit einem Kerndruck von ca. 1005 hPa zentral zwischen Spitzbergen
und Grönland. Die Okklusionsfront erstreckte sich in nordöstlicher Richtung aus
dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte hinaus.
Die quasistationäre Zyklone ERICH II hatte
sich nochmals verstärkt und befand sich nordöstlich der Stadt Moskau mit einem
Kerndruck von knapp unter 990 hPa. Die vollständig okkludierte Front verlief in
Spiralform über Perm und das Uralgebirge aus dem analysierten Bereich hinaus.
Während die Wetteraktivität an der
Okklusion des Wirbels ERICH I nachgelassen hatte, beeinflusste die Zyklone
ERICH II weiterhin das Wettergeschehen in Westrussland. Die Station in Niznij
Novgorod meldete im Tagesverlauf innerhalb von 12 Stunden 14 l/m², in Kazan
fielen weitere 8 l/m² Niederschlag.
Im Tagesverlauf füllte sich das Tief ERICH
I nach und nach über dem Europäischen Nordmeer auf, sodass der verbleibende
Wirbel ERICH II am frühen Morgen des 12. Septembers als ERICH weitergeführt
wurde. Das Zentrum lag dabei mit einem Kerndruck von ca. 1000 hPa über der
Wolga mittig zwischen Perm und Moskau. Die zum Teil rückläufige Okklusionsfront
erstreckte sich spiralförmig in südliche Richtung entlang der Wolga sowie über
Moskau bis zur nordwestrussischen Stadt Archangelsk. Während das
Niederschlagsgebiet an der Okklusionsfront z.B. in Moskau innerhalb von 12
Stunden 2 l/m² erbrachte, fielen auf der Rückseite der Front beispielsweise in
Kostroma 7 l/m².
In den folgenden drei Tagen blieb das
Zentrum von ERICH quasistationär mit einem Kerndruck von ca. 1005 hPa über der
Wolga. Trotz des aufgelösten Frontensystems sorgte die Zyklone mit Schauern und
länger anhaltenden Regenfällen weiterhin für eine feuchte Witterung. In der
Nacht vom 12. auf den 13. September fielen dadurch in Kazan beispielsweise 5
l/m² innerhalb von 12 Stunden. Die Wetterstation in Perm registrierte am Abend
des 13. Septembers 10 l/m² Niederschlag innerhalb von 12 Stunden. Auch am
Folgetag blieb die Wettersituation an der westlichen Grenze des Urals ähnlich.
Erst am Morgen des 15. Septembers hatte
sich das Tief vollständig aufgefüllt und wurde nicht mehr in der Berliner
Wetterkarte analysiert. Damit dominierte die Zyklone ERICH, die eine maximale
Ausdehnung von Grönland bis zum Schwarzen Meer und eine Lebensdauer von 10
Tagen aufwies, die Wetterkarten der ersten Septemberhälfte des Jahres 2011.
Geschrieben
am 02.11.2011 von Alexander Bütow
Berliner Wetterkarte: 08.09.2011
Pate: Marina Schmitz