Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ERIKA
(getauft am 09.06.2012)
Am 9. Juni 2012 bildete sich am Rande eines sowohl
am Boden als auch in der Höhe ausgeprägten Tiefdrucksystems über dem
Nordatlantik etwa 1000 Kilometer südöstlich der Südspitze Grönlands ein
Wellentief, das auf den Namen ERIKA getauft wurde. Zum Zeitpunkt der Taufe
betrug der Kerndruck knapp 1000 hPa. Vom Tiefdruckzentrum reichte zum einen
eine Okklusionsfront, also eine Luftmassengrenze mit Warm- und
Kaltfronteigenschaften, nach Westen bis diese sich über dem Atlantik auf der
Länge der Südspitze Grönlands mit einem weiteren Tief verband. Zum anderen
verlief eine Okklusionsfront vom Tiefdruckkern ausgehend über einige Hundert
Kilometer nach Südosten. Am Ende dieser Front lag der Okklusionspunkt, an dem
eine Warmfront und eine Kaltfront aufeinandertrafen. Die Warmfront lag weiter
östlich und reichte bis knapp nördlich der Inselgruppe Madeira, während die
Kaltfront deutlich kürzer war und vom Okklusionspunkt wenige Hundert Kilometer nach
Südwesten verlief, um dort in die Warmfront eines unbenannten weiteren Wirbels
innerhalb des genannten Tiefdrucksystems überzugehen.
Bis zum Morgen des 10. Juni hatte sich der Kern des
Tiefdruckgebietes ERIKA mit der Höhenströmung in ca. 5,5 km Höhe nach Osten
verlagert und lag nun einige Hundert Kilometer westlich vor der Küste Irlands. Im
Zentrum des Tiefs ERIKA lag der Luftdruck nun bei etwas unter 1005 hPa. Von
dort ausgehend, verlief eine Okklusionsfront bis zur Bretagne, wo sich am
Okklusionspunkt eine über die Biskaya und Südwestfrankreich bis zu den
Balearischen Inseln reichende Warmfront und eine weiter westlich über die
Biskaya bis zur spanischen Nordküste verlaufende Kaltfront trafen. Das
Tiefdruckgebiet ERIKA und seine Fronten waren in Südwest- und Westeuropa von
Regen begleitet, der an einigen Orten im Tagesverlauf zu beachtlichen Mengen
Niederschlag führte. Bis zum Morgen des Folgetages kamen beispielsweise in
Bordeaux 10 l/m² innerhalb von 24 Stunden zusammen, und am Londoner Flughafen
Heathrow waren es im gleichen Zeitraum 21 l/m². Am Flughafen Shoreham in der
südenglischen Grafschaft West Sussex fielen sogar 56 l/m².
Bis zum nächsten Tag verlagerte sich der Kern des
Tiefdruckgebietes ERIKA über den Ärmelkanal, wobei der Kerndruck nahezu unverändert
blieb. Von dort reichte eine kurze Okklusionsfront bis über Zentralfrankreich
zum Okklusionspunkt, an dem sich eine über die Alpen und den nördlichen Balkan verlaufende
Warmfront und eine über Südfrankreich und die Pyrenäen nach Nordspanien reichende
Kaltfront trafen. Weiterhin brachte das Tief ERIKA mit seinen Ausläufern teils
ergiebigen Regen über dem westlichen Europa. Im südenglischen Bournemouth
fielen bis zum Morgen des 12. Juni 26 l/m² Niederschlag, in Bozen in Südtirol
waren es 41 l/m², und im rheinland-pfälzischen Trier wurden 16 l/m² erreicht.
Bis zum 12. Juni hatte sich das Tief ERIKA weiter
nach Osten verlagert, lag nun über dem
äußersten Norden Frankreichs und besaß eine Okklusion, die sich bogenförmig
über Norddeutschland, Westpolen und den Ostalpenraum zog. Von dort reichte eine
kurze Kaltfront bis über den Golf von Venedig. Weiterhin verlief eine Warmfront
über Ungarn und Rumänien, wo sie in die Kaltfront eines unbenannten Tiefs über
der Ukraine überging. Außerdem hatte sich im Verlauf entlang des Frontensystems
von Tief ERIKA ein kleiner, aber sehr wetteraktiver Wirbel gebildet. Dieser
hatte Anschluss an die Kaltfront des Tiefs ERIKA und lag über Norditalien. Bereits
morgens gab es im Bereich dieses neuen Wirbels über Norditalien im Raum Mailand
Gewitter, und allgemein waren die Niederschläge in der Nähe der Alpen besonders
kräftig. So kam bis zum Morgen des Folgetages im österreichischen Bregenz eine
Niederschlagssumme von 83 l/m² zusammen. Der Kern des Tiefs ERIKA zog im
weiteren Tagesverlauf über Norddeutschland hinweg und streifte Berlin knapp
südlich, wobei im Berliner Raum verhältnismäßig bescheidene 24-stündige
Regenmengen von ungefähr 2 l/m² bis zum Morgen des Folgetages zusammenkamen.
Am 13. Juni lag der Kern des Tiefdruckgebietes
ERIKA über dem mittleren Polen und besaß einen Kerndruck von etwas unter 1000
hPa. Von dort erstreckte sich nach Westen eine Okklusionsfront quer über
Deutschland bis knapp südlich von Paris. Nach Osten zog sich vom Zentrum des
Tiefs ERIKA eine weitere Okklusionsfront bis über die westliche Ukraine. Dort
trafen sich am Okklusionspunkt eine Warmfront, die nach Nordosten reichte und
über dem westlichen Russland in die Kaltfront des Tiefs FRANZI mit Kern über
dem Weißen Meer überging, sowie eine über Moldawien und Rumänien verlaufende
Kaltfront, die Anschluss zur Warmfront eines unbenannten Wellentiefs über dem
Balkan hatte. Unterstützt durch Hebungsprozesse im Bergland wurde in Carlsfeld
im Erzgebirge der deutschlandweit höchste 24-stündige Niederschlagswert bis zum
Morgen des 14. Juni erreicht, wo sich der Regen auf 31 l/m² aufsummierte. Auch
über die Grenzen Deutschlands hinaus lag dieser Wert im oberen Bereich, wobei
örtlich noch höhere Werte möglich gewesen sein können, denn gerade bei
konvektiven, also durch vertikale Luftbewegungen erzeugten Niederschlägen kann
es auf kurze Distanz große Schwankungen in der Intensität geben. Es wurden mit
Sicherheit nicht immer gerade die absoluten Höchstwerte auch dort erreicht, wo
eine Wetterstation steht.
Am 14. Juni lag das Tief ERIKA als sogenannter
Kurzwellentrog, über dem östlichen Polen und befand sich innerhalb eines großen
Tiefdruckkomplexes über Nordosteuropa und lag am Ende einer Okklusionsfront, die
von einem unbenannten Tief im Moskauer Raum ausging und unter anderem in
Weißrussland gebietsweise Regen brachte.
Am 15. Juni befand sich das Tiefdruckgebiet ERIKA
im Bereich von Minsk und war zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der
Berliner Wetterkarte zu erkennen, bevor sich von Westen das Hochdruckgebiet
STEFAN näherte und die Luftdruckunterschiede in dieser Region im Osten Europas
geringer wurden.
Geschrieben am 10.08.2012 von Heiko Wiese
Berliner Wetterkarte: 12.06.2012
Pate: Erika Roth