Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ERIK

(getauft am 31.07.2017)

 

Am 31.07.2017 wurde von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte in der Prognose für den Folgetag das Tiefdruckgebiet ERIK getauft. Dieses entwickelte sich am Abend über dem Osten Frankreichs und sorgte dort für eine verstärkte Bildung von Regenschauern und kräftigen Gewittern. Am späten Abend zog das Tief ERIK über den Südwesten Deutschlands, wobei sich die stärksten Gewitter entlang einer ausgebildeten Kaltfront, welche maritime Polarluft im Nordwesten von kontinentaler Tropikluft im Osten trennte, auf das Rheinland und das nördliche Hessen konzentrierten. In diesen Regionen wurden mitunter 1-stündige Niederschlagssummen von mehr als 10 mm gemessen. In der Nacht zog das Tief ERIK langsam über die Mitte Deutschlands nach Nordosten weiter. Die Gewitter schwächten sich auf dem Weg nordostwärts ab, im Gegenzug bildeten sich im deutsch-französischen Grenzgebiet immer wieder neue, starke Gewitter aus. Diese brachten neben unwetterartigem Regen und Hagel auch schwere Sturmböen, wie beispielsweise in Idar-Oberstein, wo Windgeschwindigkeiten bis 111,7 km/h registriert wurden oder in Chemnitz mit 90,1 km/h.

Am Morgen konzentrierte sich das Hauptniederschlagsgebiet auf die Mitte und den Nordosten Deutschlands. In dieses Niederschlagsgebiet waren auch einzelne Gewitter eingebettet. Ein zweites, starkes Regengebiet hatte sich zudem erneut über dem Nordosten Frankreichs ausgebildet. Bis 07 Uhr MEZ konnten daher in einem Streifen von Nordfrankreich bis in den Nordosten Deutschlands, über den in der Nacht die starken Gewitter gezogen waren, teils hohe Niederschlagsmengen gemessen werden. So waren in Hahn im Hunsrück innerhalb von 12 Stunden 40,6 mm Niederschlag gefallen, in Luxemburg-Stadt 33,0 mm und in der französischen Ortschaft Perrigny 34,0 mm. Am Vormittag des 01.08.2017 zog das Tief ERIK mit seinem Zentrum über den Nordosten Deutschlands bis zur Ostsee. Dabei traten kaum noch Gewitter auf und auch die Niederschlagsintensitäten nahmen insgesamt ab. Jedoch wurde im Warmluftsektor zwischen Warm- und Kaltfront weiterhin sehr warme Tropikluft nach Nordosten transportiert, dementsprechend wurden beispielsweise in München Tageshöchsttemperaturen von 35,8°C gemessen, in Prag 36,4°C und im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs stieg die Temperatur sogar auf 36,8°C an. Am Nachmittag konkretisierte der Deutsche Wetterdienst seine Unwetterwarnungen vor starken Gewittern aufgrund des Tiefs ERIK für große Gebiete von Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. Am Abend kam es mit der voranschreitenden Kaltfront dann zur raschen Bildung dieser teils extrem ausfallenden Gewitterzellen, besonders in Süddeutschland und am Alpenrand. Hierbei fielen erneut sehr hohe Niederschlagsummen, in Lindau am Bodensee traten mit 133 km/h auch Orkanböen auf. In Polen kam es ebenfalls in einem Streifen vom Südwesten des Landes bis zur Ostseeküste zu kräftigen Gewittern.

Bis 01 Uhr MEZ des 02.08.2017 war das Zentrum des Tiefs ERIK vor die Ostseeküste der Baltischen Staaten gezogen, der Luftdruck im Inneren fiel auf ca. 1011 hPa. Die langgezogene Kaltfront reichte von dort aus nach Südwesten bis über Süddeutschland, die Warmfront verlief ein kurzes Stück ostwärts bis nach Weißrussland. In der zweiten Nachthälfte zog der Tiefdruckwirbel ERIK nach Nordosten weiter über das Baltikum hinweg. Auch die Kaltfront verlagerte sich weiter ostwärts, die Niederschläge über Süddeutschland schwächten sich jedoch ab. Über Litauen und bis in den Westen Russlands traten aber auch in den Frühstunden des 02.08. noch kräftige Schauer und Gewitter auf. Das Tief ERIK verstärkte sich zudem wieder, bis zum Morgen war der Luftdruck im Kern schon auf ca. 1008 hPa gefallen. In den Morgenstunden regnete es vor allem auch im Umfeld des Tiefdruckzentrums über dem Süden Finnlands stärker. Hier waren in kurzer Zeit 10 bis 20 mm Niederschlag gefallen, im litauischen Klaipeda wurden binnen eines Tages 24,0 mm gemessen, im polnischen Zielona Gora 31,7 mm und am Flughafen von München 26,5 mm. In den Vormittagsstunden des 02.08. verloren die Niederschlagsgebiete im südlichen Teil der Kaltfront weiter an Intensität, während sich jene im nördlichen Bereich und an der Warmfront verstärkten. Auch der Luftdruck im Zentrum sank immer weiter ab. Über den östlichen Regionen des Baltikums und über dem Norden Weißrusslands konnten sich auch am Vormittag schon wieder zahlreiche starke Gewitter entwickeln. Im weiteren Tagesverlauf weiteten sich die Niederschläge mit dem nach Nordosten ziehenden Frontensystem auf weite Teile Finnlands und des westlichen Russlands aus. Zudem begann das Tiefdruckgebiet ERIK zum Abend hin zu okkludieren, also eine Okklusionsfront auszubilden. In der Meteorologie bezeichnet eine Okklusion oder Okklusionsfront eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront, die entsteht, wenn die nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront die vorlaufende Warmfront einholt. Der Punkt, an dem die Kalt- und Warmfront zusammenlaufen, heißt Okklusionspunkt. Auf der Rückseite des Tiefdruckwirbels ERIK wurden zudem Luftmassen polaren und subpolaren Ursprungs nach Mittel- und Osteuropa geführt, welche für deutlich kühlere Tageshöchsttemperaturen sorgten als noch tags zuvor.

Bis zum Tagesanbruch des 03.08.2017 war das Zentrum des Tiefs ERIK bis über den Nordwesten Russlands südlich des Weißen Meeres weitergezogen. Der Luftdruck im Zentrum des Tiefs war weiter auf bis unter 1000 hPa gesunken. Vom Kern der Zyklone ERIK führte die noch kurze Okklusionsfront einige Hundert Kilometer nach Südosten und spaltete sich dort nördlich von Moskau in eine kurze, nach Süden verlaufende Warmfront und in die noch bis über den Osten Polens reichende Kaltfront auf. In den ersten Stunden des 03.08. schwächten sich die Gewitter im Bereich der Kaltfront ab, die hauptsächliche Wetteraktivität konzentrierte sich auf das Umfeld der Okklusion, also die Regionen um die Halbinsel Kola und das Weiße Meer. Hier fielen verbreitet über 10 mm Niederschlag. Deutlich mehr waren jedoch am Nachmittag und Abend zuvor beim Durchzug der Gewitter im Westen Russlands gefallen, wo bis 07 Uhr MEZ in 24 Stunden in Demjansk 48,0 mm gemessen wurden und in Holm sogar 54,5 mm. Doch auch in Finnland wurden hohe Niederschlagsmengen registriert, wie in Lathi mit 27,0 mm. Das Tief ERIK zog im Folgenden nur noch sehr langsam nach Nordosten und weiter südlich am Weißen Meer vorbei, wobei der Luftdruck im Zentrum leicht abfiel und das Tief stärker okkludierte. Vereinzelte Gewitter konnten erst in den Nachmittagsstunden des 03.08.2017 im Einflussbereich des Tiefs ERIK an der Okklusion sowie südöstlich von Moskau entstehen, waren jedoch weniger kräftig ausgeprägt, als an den vorherigen Tagen. Die Hauptniederschläge traten in stratiformer Form rund um das Tiefdruckzentrum auf, in diesen Regionen regnete es teilweise auch den ganzen Tag über. Auf der Rückseite des Tiefs ERIK entstanden in der polaren Luft im Umfeld des Weißen Meeres zudem zahlreiche starke Regenschauer, welche in kurzer Zeit für hohe Regenmengen sorgten. Am Abend erreichten die östlichsten Ausläufer des Frontensystems von Tief ERIK das Uralgebirge, was zu einer weiteren Verlangsamung der Zuggeschwindigkeit und zur weiteren Okklusion führte. Die enormen Temperaturgegensätze der Luftmassen um den Wirbel ERIK sorgten jedoch für eine weitere Vertiefung des Luftdrucks im Inneren des Tiefdruckkerns.

Um 01 Uhr MEZ des 04.08.2017 befand sich das Zentrum des Tiefs ERIK mit einem auf ca. 992 hPa verminderten Druck östlich der russischen Hafenstadt Archangelsk. Von dort aus führte die Okklusionsfront bis zum Ural und weiter nach Süden bis zu dessen südlichen Ausläufern. Die ebenfalls nach Süden reichende Warmfront und die bis über den Norden der Ukraine verlaufende Kaltfront spannten den nur noch sehr kleinen Warmluftsektor des Tiefdruckgebiets ERIK auf. In der zweiten Nachthälfte und in den Morgenstunden des 04.08. verloren die Regengebiete an den Fronten des Tiefdrucksystems immer mehr an Intensität. Dabei zogen diese langsam über den Ural hinweg in den Westen Sibiriens. Gewitter konnten sich zu diesem Zeitpunkt an den Fronten kaum noch entwickeln. Bis 07 Uhr MEZ waren die höchsten 24-stündigen Niederschlagssummen südlich und östlich des Weißen Meeres gefallen, in Regionen, über die am Tag zuvor auch die stärksten Regenschauer gezogen waren, sowie auf der Halbinsel Kola. In Archangelsk wurden 52,0 mm Niederschlag gemessen, in Severodvinsk 30,0 mm und in Lovozero auf Kola 32,1 mm. Im Tagesverlauf des 04.08.2017 zog das Tiefdruckgebiet ERIK mit seinem Zentrum über den Ural hinweg, dabei schwächte es sich jedoch ab und der Kerndruck begann wieder zu steigen. Auf der östlichen Seite des Ural sorgte es noch für einigen Niederschlag, löste sich dabei jedoch immer weiter auf. Bis zum Morgen des 05.08.2017 verließ das Tief ERIK dann den Analysebereich der Berliner Wetterkarte vollständig.

Insgesamt hatte das Tief ERIK über 5 Tage lang das Wettergeschehen in Mittel- und Osteuropa mitgeprägt und dabei besonders von Deutschland bis zu den Baltischen Staaten auch für kräftige Gewitter mit hohen Niederschlagssummen und Sturmböen gesorgt.

 


Geschrieben am 04.11.2017 von Maximilian Steinbach

Berliner Wetterkarte: 02.08.2017

Pate: Erik Dröse