Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet  ERWIN

(getauft am 07.01.2005)

 

Am 06.01. entstand an der Frontalzone südlich von Neufundland ein kleinräumiges Tiefdruckgebiet, dass sich mit der Höhenströmung nach Osten verlagerte und einen Tag später bereits auf dem mittleren Nordatlantik angelangt war. Es wurde auf den Namen ERWIN getauft.

ERWIN entwickelte sich explosionsartig zu einem Orkanwirbel und lag am 08.01. mit einem Kerndruck von annähernd 960 hPa bereits vor der norwegischen Küste, wobei die Druckfalltendenzen Werte über 10 hPa innerhalb von 3 Stunden erreichten. Folge dieser starken Intensivierung war eine erhebliche Druckgradientverschärfung, so dass der Wind überall an Stärke zunahm. So meldete die Bohrinsel TYRA Oest in der Nordsee zum Mittagstermin schon eine mittlere Windgeschwindigkeit von 130 km/h mit Böen bis 165 km/h, was voller Orkanstärke 12 entspricht. Auch in Norddeutschland sorgte ERWIN am Nachmittag und Abend verbreitet für schwere Sturm- und Orkanböen. Zum Beispiel zeigte das Windmessgerät in List auf Sylt eine extreme Orkanböe von 148 km/h an. Noch etwas stärker waren die Böen in den Kammlagen der nördlichen Mittelgebirge. So wurde die stärkste Böe in Deutschland auf dem Brockenplateau im Hochharz mit 166 km/h registriert. Das breite Sturmfeld mit Böen zwischen 90 und 120 km/h deckte jedoch nahezu das gesamte Norddeutsche Tiefland ab. Sturmböen zwischen 50 und 90 km/h gab es in der Mitte Deutschlands. Das intensive Sturmfeld erfasste aber auch Teile Großbritanniens, die Niederlande, Dänemark, Südnorwegen und Südschweden und rief dort größere Schäden hervor.

ERWIN zog im Tagesverlauf weiter bis zum Bottnischen Meerbusen. Die von ihm herangeführte milde Meeresluft subtropischen Ursprungs gelangte dabei bis nach Russland, wo beispielsweise in Moskau die Temperatur bis auf 5°C anstieg. Auch in Deutschland wurde es ungewöhnlich mild. So stieg die Temperatur an der Station München-Stadt bei anhaltendem Sonnenschein bis auf einen Höchstwert von 16,1°C, in Dohna südöstlich von Dresden gab es bei leichtem Föhn ein Maximum von 16,8°C. An unserer Wetterstation in Berlin-Dahlem wurde mit 12,5°C der wärmste 08. Januar der Dahlemer Reihe (seit 1908) registriert, was insofern bemerkenswert ist, dass dieser Tag der bisher einzige im Januar war, an dem das absolute Maximum noch unter 10°C lag.

Bis zum 10.01. verlagerte sich ERWIN rasch weiter nach Osten bis zum Nordrussischen Tiefland, dabei schwächte er sich auf einen Kerndruck von etwa 975 hPa ab. Vor allem über dem Baltikum traten dabei nochmals schwere Sturmböen auf. Mit der kräftigen westlichen Strömung drang die milde Luftmasse bis zum Ural vor, ohne sich auf dem weiten Weg über den Kontinent abkühlen und umwandeln zu können. Viele russische Orte im europäischen Teil registrierten dabei neue Rekordtemperaturen für den Monat Januar.

In den folgenden Tagen schwächte sich ERWIN zunehmend ab und löste sich schließlich zum 13.01. östlich des Urals auf.

 


Geschrieben am 02.03.2005 von Steffen Dietz

Wetterkarte: 09.01.2005

Pate: Erwin Kohl