Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet EUGEN

(getauft am 01.05.2021)

 

Aus der Analysekarte der Berliner Wetterkarte vom 01.05.2021 00 UTC, also 01 Uhr MEZ, ging hervor, dass das östlich von Neufundland und südlich von Grönland über dem Atlantik liegende Tiefdruckgebiet Kurs auf das europäische Festland nahm und damit dessen Wettergeschehen beeinflussen würde. Aus diesem Grund wurde der Wirbel noch am selbigen Tag von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen EUGEN getauft.

 

Der Tiefdruckwirbel verzeichnete zum besagten Zeitpunkt einen Kerndruck von knapp 1000 hPa und befand sich bereits im Okklusionstadium. Dies bedeutet, dass die Kaltfront des Tiefs dessen Warmfront bereits eingeholt hat, wodurch eine gemeinsame Mischfront, welche als Okklusion bezeichnet wird, entstanden ist. Entlang dieser Front bilden sich häufig starke Niederschlagsgebiete und Gewitter. Die Okklusionsfront von Tief EUGEN verlief spiralförmig um den Tiefdruckkern bis zum Okklusionspunkt, dem Punkt an dem Kalt- und Warmfront im Bodenniveau aufeinandertreffen, nordöstlich vom Tiefdruckzentrum. Von dort aus verlief die Warmfront in südliche Richtung bis westlich der Azoren, und die Kaltfront ging in südwestlicher Richtung in die Warmfront eines über der kanadischen Provinz Nova Scotia befindlichen Tiefdruckgebiets über. Über den Azoren kam es mit dem Warmfrontdurchzug am Abend zu leichten bis mäßigen Niederschlagsereignissen, 12-stündige Höchstwerte von 18 mm wurden bis 19 Uhr MEZ in der Stadt Angra do Heroísmo gemessen.

 

Am 02.05. um 01 Uhr MEZ befand sich Tief EUGEN mit einem Kerndruck von circa 1010 hPa nach leichter östlicher Verlagerung zwischen Kanada und Irland mittig über dem Atlantik. Seine Okklusionsfront erstreckte sich östlich von Neufundland nach Südosten durch den Kern der Zyklone und weiter südlich bis zum Okklusionspunkt nördlich der Azoren, von wo aus die Warmfront östlich der Azoren Richtung Süden weiter verlief. Die Kaltfront reichte nach Westen in die Warmfront eines weiter westlich liegenden Tiefdruckgebiets hinein. Über den Azoren fiel in der Nacht noch etwas Regen, allerdings nur von schwacher Intensität, so dass keine nennenswerten Niederschlagsmengen zustande kamen.

 

Bis zum Folgetag, dem 03.05. um 01 Uhr MEZ verlagerte sich der Tiefdruckwirbel EUGEN mit einem Kerndruck von fast 1000 hPa bis westlich der Küste Irlands. Vom Zentrum des Tiefs erstreckte sich die Warmfront nach Süden und die Kaltfront nach Westen. Die Fronten überquerten im Tagesverlauf die Britischen Inseln und sorgten dort für teils starke Regenschauer und Gewitter. Bis 19 Uhr MEZ wurden 12-stündige Niederschlagsmengen von bis zu 46 mm in Capel Curig, einem Dorf in Wales, welches als nassester Ort Großbritanniens angesehen wird, gemeldet. Der Einfluss der Zyklone reichte bis in den Nordwesten Deutschlands, im ostfriesischen Leybuchtpolder wurden bis 19 Uhr MEZ Niederschlagsmaxima von 23 mm verzeichnet.

 

Am 04.05. um 01 Uhr MEZ befand sich Tief EUGEN mit seinem Kern über Nordengland. Mit einem Kerndruck von knapp 985 hPa hatte sich der Wirbel im Vergleich zum Vortag deutlich verstärkt. Es hatte sich erneut eine Okklusionsfront gebildet, die von Schottland aus in die Nordsee reichte und von dort aus einerseits in südöstlicher Richtung bis nach München, und andererseits südwestlich bis zum Okklusionspunkt am Ärmelkanal verlief. Die Warmfront erstreckte sich von dort aus weiter südwestlich durch den Nordwesten Frankreichs und mündete in die Biskaya. Die Kaltfront zog vom Okklusionspunkt aus nach Westen und ging in die Warmfront des sich über dem Atlantik an der Kaltfront von Tief EUGEN gebildeten Wirbels FÜRCHTEGOTT über. Zwischen Tief EUGEN über Großbritannien und Hoch TRUDI mit Zentrum über Italien befand sich Deutschland im Bereich eines hohen Luftdruckgradienten, was sich durch einen Anstieg der Windstärke zeigte. Auf dem Brocken wurden Orkanböen der Windstärke 12 mit bis zu 139 km/h bis 19 Uhr MEZ gemessen, aber auch im Flachland erreichte der Wind in Böen Windstärke 10 bis 11, beispielsweise in der niedersächsischen Gemeinde Faßberg, wo Windgeschwindigkeiten von bis zu 107 km/h aufgezeichnet wurden. Der Niederschlag fiel in Deutschland leicht bis mäßig aus, 12-stündige Höchstwerte von 15 mm bis 19 Uhr MEZ verzeichnete die Wetterstation in Wittmund. An der Südküste Norwegens hingegen kam es auch teils zu starkem Niederschlag, bis zu 39 mm wurden dort im Dorf Konsmo erreicht.

 

Tiefdruckwirbel EUGEN befand sich am 05.05. um 01 Uhr MEZ mit zum Vortag nahezu unverändertem Bodendruck über Dänemark. Seine Okklusionsfront erstreckte sich von der Nordsee aus östlich über Südschweden und der Ostsee bis nach Litauen, von wo die Warmfront südlich bis zur westlichen Ukraine verlief und die Kaltfront südwestlich in die Warmfront von Tief FÜRCHTEGOTT, dessen Kern sich in der Nähe Münchens befand, überging. Der Wind erreichte in Gebirgsregionen vereinzelt weiterhin Orkanstärke, auf der Schneekoppe wurden Höchstgeschwindigkeiten von 137 km/h um 19 Uhr MEZ gemeldet. Auch entlang der deutschen Nordseeküste und in Berlin wurden Spitzenböen von bis zu 100 km/h erreicht. Ein ausgedehntes Niederschlagsgebiet zog sich vom Süden Skandinaviens bis nach Deutschland. Maximale Niederschlagsmengen meldete Linkoping in Schweden, dort wurden bis 19 Uhr MEZ innerhalb von 12 Stunden 27 mm erreicht.

 

Bis zum 06.05. um 01 Uhr MEZ verlagerte sich Tief EUGEN nur leicht nach Osten und befand sich mit seinem Kern über dem Süden Schwedens. Mit einem Kerndruck von knapp 990 hPa schwächte sich die Zyklone langsam ab. Ihre Okklusionsfront verlief von der Westküste Norwegens bis nach Dänemark und weiter nordöstlich über Stockholm und der Ostsee bis zum Okklusionspunkt nahe St. Petersburg.  Entlang der Okklusionsfront kam es in Osteuropa zu leichten bis mäßigen Regenschauern. In Suojarwi in Russland wurden bis 19 Uhr MEZ 12-stündige Niederschlagsmaxima von 21 mm erreicht, an der finnischen Wetterstation Kokemäki Tulkkila waren es 16 mm. Der Wind schwächte sich im Tagesverlauf immer weiter ab, erreichte am frühen Morgen aber noch Spitzenwerte der Stufe 9 bis 10 entlang der Nord- und Ostseeküste. Höchstwerte wurden in Büsum um 02 Uhr MEZ mit 89 km/h erreicht.

Bis zum nächsten Tag löste sich Tief EUGEN fast vollständig auf und wurde daher nicht weiter namentlich auf den Wetterkarten der Berliner Wetterkarte erwähnt.