Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet EVANGELOS
(getauft am 13.01.2011)
Am 12.01. zog vor der Küste
Nordamerikas ein Tiefdruckwirbel in den Bereich der Berliner Wetterkarte,
welcher im Tagesverlauf entlang der Küste weiter nordostwärts driftete. Der
Wirbel befand sich bereits in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium mit okkludierenden
Fronten im unmittelbaren Bereich des 985 hPa starken Kerns. Da ein baldiger
Einfluss auf das Wettergeschehen in Mitteleuropa abzusehen war, wurde das Tief
am Folgetag auf den Namen EVANGELOS getauft.
Es wanderte an Neufundland
vorbei weiter ostwärts über den Nordatlantik, wo es sich weiter verstärkte und
am 14.01., mit einem Kerndruck von 965 hPa, den seit einigen Tagen südlich von
Island liegenden Sturmwirbel DIETER (Kerndruck 970 hPa) mit in die Zirkulation
einbezog. Dabei spaltete sich EVANGELOS kurzzeitig in zwei Zentren auf, die
nach der Vereinigung mit DIETER wieder zu einem Zentrum verschmolzen, welches
sich am 15.01. östlich von Island befand. Die Fronten erreichten die Britischen
Inseln und das Europäische Festland. Während die Kaltfront bis Irland und
Schottland vordrang, überquerte die Warmfront an diesem Tag die Nordsee bis
nach Deutschland und brachte vorübergehend sehr milde Luft subtropischen
Ursprungs, die zu Tageshöchstwerten von verbreitet 10°C, stellenweise auch bis
13°C führte. Am Abend und in der Nacht kam es dabei vor allem in
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu länger anhaltendem Regen.
Innerhalb von 12 Stunden fielen insbesondere in den küstennahen Gebieten bis zu
5 Liter pro Quadratmeter, nach Süden hin nahmen die Niederschlagsmengen ab. In
Berlin-Dahlem ist in dieser Nacht auch der Schnee verschwunden, welcher seit
dem 1. Dezember des letzten Jahres, an 45 Tagen hintereinander, eine
geschlossene Schneedecke bildete.
Am 16.01. verlagerte sich
EVANGELOS unter Abschwächung von 970 auf 980 hPa über der Norwegischen See
weiter nach Norden, während sich über dem Westen Islands ein Teiltief, mit
einem Kerndruck von 985 hPa abspaltete. Die Kaltfront überquerte nun die
Nordsee und den Süden Norwegens, die Warmfront Polen und die Ostsee. Am 17.01.,
als sich das Tiefzentrum mit 985 hPa immer noch über dem Nordmeer bei Jan Mayen
befand, rückte auch die Kaltfront über die Ostsee nach und okkludierte mit der
stehen gebliebenen Warmfront über dem Baltikum und Weißrussland. Diese stellte
immer noch eine deutliche Grenze gegen die kalte Festlandsluft über Russland
dar, so dass es auf dessen Vorderseite verbreitet Schneefall gab. Am 18.01.
schwächte sich der vollständig okkludierte Wirbel EVANGELOS über dem Nordmeer
soweit ab, dass sein Kerndruck nur noch 1000 hPa erreichte. Die okkludierte
Front erstreckte sich in einem großen Bogen über Spitzbergen bis nach Karelien
am Weißen Meer, brachte hier aber kaum noch Schneefall. EVANGELOS driftete am
19.01. über Spitzbergen weiter nordwärts in die Arktis ab, wo er am Morgen des
20.01. als Druckanomalie ohne Fronten letztmalig auf der Berliner Wetterkarte
verzeichnet wurde.
Geschrieben
am 15.02.2011 von Richard Löwenherz
Berliner
Wetterkarte: 18.01.2011
Pate:
Eva Bonne