Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
FABIENNE
(getauft am
21.09.2018)
Am Anfang der zweiten Septemberdekade beendete das Tief ELENA das
sommerlich heiße Wetter in Deutschland. Mit einem markanten Luftmassenwechsel
sanken die Temperaturen von 30°C auf teils deutlich unter 20°C. Mit Durchgang
von Tief ELENA verschob sich die Frontalzone nach Süden und lag über dem
westlichen Mitteleuropa. Die Frontalzone trennt maritime Polarluft von
subtropischer Warmluft. Eingebettet in dieser Frontalzone bildete sich am 20.
September vor Neufundland eine frontale Welle aus. Gestützt durch ein kräftiges
Hochdruckgebiet über Kanada floss Kaltluft am Rande des Hochs nach Süden über
den Atlantik. Aufgrund der großen Temperaturunterschiede konnte sich die
frontale Welle zu einem Tief verstärken. Dieses wurde in der Analyse am 21.
September von der Berliner Wetterkarte auf den Namen FABIENNE getauft, da
absehbar war, dass es wegen der Lage der Frontalzone mit hoher
Wahrscheinlichkeit Deutschland bzw. Mitteleuropa erreichen würde.
Um 01 Uhr MEZ des Tauftages lag das Tief FABIENNE mit einem Druck
von ca. 1003 hPa über dem Nordatlantik auf der geografischen Höhe Grönlands.
Vom Kern aus nach Westen verlief eine Kaltfront, nach Osten eine Warmfront.
Tiefs, auch Zyklonen genannt, drehen sich gegen den Uhrzeigersinn. Kaltfronten
weisen eine höhere Zuggeschwindigkeit als Warmfronten auf, sodass die Kaltfront
im Verlauf eines Tiefdruckgebietes die Warmfront einholt und sich mit dieser
vereinigt. Die neu entstandene Front wird als Okklusion bezeichnet.
Bis zum Folgetag verlagerte sich das Tief FABIENNE nach Osten und
befand sich um 01 Uhr MEZ des 22. September weiterhin über dem Atlantik auf der
geografischen Höhe Islands und ca. 600 km südwestlich von Irland. Der Druck im
Kern blieb mit ca. 1003 hPa gleich. Bis zum Abend verlagerte sich die Zyklone
weiter nach Osten und erreichte um 19 Uhr MEZ den Südwesten Englands. Aufgrund
eines Hochdruckgebietes über Frankreich kam es an der Frontalzone zu einer
leichten Antizyklonalisierung, sodass sich das Tief vorübergehend abschwächte
und der Druck auf über 1010 hPa stieg.
Am 23. September um 01 Uhr MEZ wies Tief FABIENNE zwei Kerne auf,
welche über Südwestengland bzw. über Nordfrankreich lagen und durch Fronten
miteinander verbunden waren. Bis 07 Uhr MEZ konnten im Süden Englands, im
Norden Frankreichs und von Luxemburg bis Westdeutschland 10 bis 20 mm Regen
registriert werden. So fielen im englischen Plymouth 24,2 mm, im französischen
Cherbourg 18,2 mm und in Aachen 12,3 mm. Besonders am Ärmelkanal traten
Windböen von 60 bis 75 km/h auf, was Windstärke 7 bis 8 auf der Beaufort-Skala entspricht.
Bis zum Mittagstermin um 13 Uhr MEZ kam es zu einer deutlichen Verstärkung von
Tief FABIENNE. Die beiden Kerne vereinigten sich wieder, sodass sich das
Zentrum mit einem Druck von knapp 1005 hPa über Luxemburg befand. Es bildete
sich ein gut ausgeprägter Warmluftsektor. Dieser beschreibt das Gebiet zwischen
Warm- und Kaltfront. Die Warmfront von Tief FABIENNE erstreckte sich zu diesem
Zeitpunkt vom Kern aus in südöstlicher Richtung nach Bayern, die Kaltfront nach
Westen bis über die Normandie. Damit drehte die Strömung in Rheinland-Pfalz, im
Saarland sowie in Bayern und Baden-Württemberg auf Südwest, sodass subtropische
Luftmassen herangeführt wurden. Die Temperaturen stiegen dabei auf 20 bis 27°C.
Am wärmsten wurde es in Konstanz mit 27,7°C. Auch in München konnte es mit
25,6°C nochmals sommerlich warm werden. Im Süden Bayerns und Baden-Württembergs
konnte sich für 3 bis 7 Stunden die Sonne durchsetzen. Im übrigen Deutschland
blieb es im Einflussbereich maritimer Polarluft nördlich des Kerns mit 11 bis
15°C deutlich kühler. Zudem breiteten sich länger anhaltende Regenfälle im
Bereich des Kerns und nördlich davon aus und brachten besonders der Mitte
Deutschlands ergiebige Regenmengen. Um 14 Uhr MEZ griff die Kaltfront von
Luxemburg auf Rheinland-Pfalz über. Die Front zog dabei in die subtropische
Luftmasse und zudem herrschte eine hohe Windscherung, das heißt, der Wind dreht
mit der Höhe und die Geschwindigkeit nimmt deutlich zu. Unter diesen
Bedingungen verstärkten sich die Regenfälle an der Kaltfront, sodass erste
Blitze auftraten und sich eine kräftige Schauer- und Gewitterlinie ausbildete.
Bis 17 Uhr MEZ konnte eine gut organisierte Gewitterlinie von Ostfrankreich bis
ins westliche Sachsen beobachtet werden. An ihr traten stündlich ca. 2000 bis
3000 Blitze auf. Um 20 Uhr MEZ erreichte die Gewitterlinie München. Sie
schwächte sich aber allmählich ab und wandelte sich in ein großräumiges
Starkregengebiet um. Entlang dieser Luftmassengrenze spielten sich extreme
Wetterprozesse ab. Durch die hochreichende Konvektion konnte der Höhenwind bis
ins Bodenniveau gelangen und örtlich hohe Windböen bringen. Diese starken
Gewitterfallböen werden als Downburst bezeichnet. In Trier konnten 100 km/h, im
bayerischen Roth und in Zwickau 106 km/h, im baden-württembergischen Niederstetten
122 km/h und in Würzburg sogar 137 km/h gemessen werden. Ab einer
Geschwindigkeit von 119 km/h spricht man von Windstärke 12. Die stärksten Böen
wurden auf dem Feldberg im Schwarzwald mit 141 km/h und auf dem Weinbiet in
Rheinland-Pfalz mit 159 km/h verzeichnet. Zum Vergleich: 159 km/h entspricht
einem Tornado der Stufe 1 von 5. Die gemessenen Niederschlagssummen im
Warmluftsektor kamen innerhalb von nur ein bis zwei Stunden zusammen. So
vermeldete Baiersbronn-Ruhestein in Baden-Württemberg von 18 bis 19 Uhr MEZ
eine Niederschlagsmenge von 35,3 mm. Verbreitet konnten entlang der
Gewitterlinie 10 bis 25 mm Regen gemessen werden. Am Alpenrand brachte das
Starkregengebiet teilweise 30 bis 50 mm mit der höchsten Niederschlagsmenge in
Siegsdorf mit 51,5 mm. Ein zweiter Niederschlagsschwerpunkt befand sich entlang
der Zugbahn des Tiefdruckkerns. Hier herrschte die stärkste Hebung, sodass die
kräftigsten Regenfälle auftraten. Vom Sauerland über Mittelthüringen bis zur
Oberlausitz fielen in 24 Stunden verbreitet 30 bis 50 mm Niederschlag. In Bonn
wurden 36,5 mm, in Erfurt 47,3 mm und in Görlitz 33,5 mm verzeichnet. Nach
Norden hin nahmen die Niederschläge stetig ab, sodass beispielsweise in
Hannover 16,0 mm und in Berlin-Dahlem 14,6 mm erreicht wurden. In Teilen
Vorpommerns blieb es niederschlagsfrei.
Am 24. September um 01 Uhr MEZ lag die Zyklone FABIENNE bereits
knapp östlich von Warschau mit einem Druck von ca. 997 hPa. Nach Osten
erstreckte sich eine kurze Warmfront, nach Süden bogenförmig bis in die Lombardei
die Kaltfront und nach Westen eine bis ins Alpenvorland reichende Okklusion. In
Deutschland stellte sich zwischen Hoch SCHORSE und Tief FABIENNE eine nordwestliche
Strömung ein, in welcher labile Luftmassen zahlreiche Schauer auslösten. An der
Ostseeküste und in Niedersachsen wurden örtlich zweistellige, 24-stündige
Niederschlagswerte gemessen, wie in Rothenburg mit 13,5 mm. Den höchsten Wert
vermeldete Putbus auf Rügen mit 20,5 mm. Die Temperaturen erreichten maximal 11
bis 18°C. In München, wo am Vortag 26°C gemessen wurden, reichte es nur noch
für höchstens 13,6°C. Auf der Zugspitze fielen bei maximal -6,6°C 6 cm
Neuschnee. Zwischen den Druckgebieten stellte sich zudem ein großer Druckgradient
ein, sodass örtlich Sturmböen verzeichnet wurden. Das brandenburgische
Manschnow registrierte 81 km/h, Bremerhaven mit 107 km/h sogar eine orkanartige
Böe. Tagsüber verlagerte sich Tief FABIENNE rasch nach Osten. Der
Warmluftsektor erreichte den Osten Rumäniens und die südliche Ukraine. Während
knapp nordwestlich der Kaltfront nur höchstens 10 bis 14°C, wie in Kiew mit
14,1°C erreicht wurden, stiegen die Temperaturen in der Südukraine auf 20 bis
27°C. So verzeichnete z.B. Odessa 22,8°C und Simferopol 26,8°C. Noch heißer
wurde es im Osten Rumäniens und im Nordosten Bulgariens. Hier konnten 30 bis
33°C erreicht werden, am heißesten wurde es in Medgidia mit 33,4°C. Insgesamt
waren die Niederschlagsmengen und die Windspitzen geringer als am Vortag über
Deutschland. Die höchste 24-stündige Regenmenge vermeldete Bukarest mit 20,8
mm. Am Folgetag lagen die Höchstwerte in Bulgarien und Rumänien 10 bis 15 Grad
unter denen des 24. Septembers.
Vom 25. bis 27. Septembers verlagerte sich Tief FABIENNE unter
leichter Verstärkung von Moskau nach Norden in Richtung Karasee mit einer bis
in die Türkei reichenden Kaltfront. Besonders am 25. September löste das Tief
im Westen Russlands, Weißrussland und der östlichen Ukraine länger anhaltende
Regenfälle aus. Gebietsweise fielen 10 bis 30 mm, örtlich bis 45 mm. Moskau
vermeldete 20,0 mm, Smolensk 36,0 mm, Odessa 22,0 mm und Minsk 11,4 mm Regen.
Bei Höchstwerten von 7 bis 14°C herrschte dort herbstliches Wetter.
Anschließend schwächten sich die Niederschläge zusehends ab, einzig im Bereich
der weit nach Süden reichenden Kaltfront wurden in der Türkei örtlich starke
Gewitter verzeichnet. Giresun im Nordosten der Türkei, am Schwarzen Meer
gelegen, registrierte bis zum 26. September 19 Uhr MEZ eine 24-stündige
Regenmenge von 78,0 mm.
Zum 28. September zog die Zyklone FABIENNE weiter nach Nordosten
und verließ den Kartenausschnitt der Berliner Wetterkarte, sodass sie nicht
mehr namentlich auf dieser verzeichnet werden konnte.