Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
FERDINAND
(getauft
am 28.07.2021)
Aus der
Prognosekarte für den 29.07.2021 um 12 UTC, also 13 Uhr MEZ, ging hervor, dass
sich ein zwischen Nordamerika und Europa mittig über dem Atlantik liegendes
Tiefdruckgebiet bis südwestlich von Irland verlagern und anschließend Einfluss
auf das Wettergeschehen Europas nehmen würde. Aus diesem Grund wurde dieses
Tief bereits am 28.07.2021 von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf
den Namen FERDINAND getauft.
Wie
prognostiziert tauchte Tief FERDINAND am Tag nach der Taufe, dem 29.07.2021 um
01 Uhr MEZ erstmals namentlich südwestlich der Britischen Inseln auf. Vom Kern
aus verlief eine Warmfront im Bogen zunächst südöstlich und weiter südwestlich
bis vor die Azoren. Ebenso reichte eine Kaltfront vom Kern des Tiefs
südwestlich in ein Atlantikhoch hinein. Im Kern der Zyklone holte die Kaltfront
die Warmfront bodennah ein, wodurch sich eine Mischfront, welche als Okklusion
bezeichnet wird, ausbildete. Der Wettercharakter entlang dieser Front zeichnet
sich oft durch Gewitter und starke Regenschauer aus. Im Falle von Tief
FERDINAND erstreckte sich die Okklusionsfront in westlicher Richtung mittig
über den Atlantik. Mit weiterer Verlagerung nach Osten erreichte das Frontensystem
zum Abend hin die Britischen Inseln, sodass bis 01 Uhr MEZ des Folgetages
6-stündige Niederschlagsmaxima von 21 mm in Johnstown Castle im Südosten
Irlands gemessen wurden.
Am 30.07.2021
um 01 Uhr MEZ befand sich Tiefdruckgebiet FERDINAND mit einem Kerndruck von
knapp 995 hPa über der Keltischen See südlich von Irland. Die Okklusionsfront
verlief spiralförmig um den Kern des Tiefs bis zum Okklusionspunkt, also dem
Punkt, an dem Kalt- und Warmfront in Bodennähe aufeinandertreffen, über dem
Bristolkanal, von wo aus die Warmfront südlich bis nach Nordwestfrankreich
reichte, und die Kaltfront sich in südwestlicher Richtung bis zu den Azoren
erstreckte. Mit dem Durchzug der Okklusionsfront über die Britischen Inseln
waren diese fast vollständig von Regenfällen, die teils schauerartig verstärkt
wurden, betroffen. Am stärksten fiel der Niederschlag in Cranwell aus, dort
wurden bis 19 Uhr MEZ innerhalb von 12 Stunden 35 mm Regen verzeichnet. Um das Tief herum erreichte der Wind außerdem
in Böen teils Windstärke 9 bis 10, Spitzengeschwindigkeiten meldete die
Wetterstation in Bolougne-sur-Mer, eine Gemeinde im Nordosten Frankreichs, mit
Werten von bis zu 98 km/h um 17 Uhr MEZ.
Bis zum
Folgetag, dem 31.07.2021 um 01 Uhr MEZ verlagerte sich Tiefdruckwirbel
FERDINAND bis zur Nordsee nördlich der Niederlande. Der Bodendruck im Kern des
Tiefs betrug circa 1000 hPa. Vom Norden Frankreichs aus verlief die
Okklusionsfront nordöstlich durch den Kern der Zyklone, weiter östlich über
Dänemark und schließlich südöstlich über den Nordosten Deutschlands, wo sie in
eine weitere Okklusion eines über der Slowakei liegenden Tiefdruckgebiets
überging. Über den Niederlanden, Dänemark und dem Norden Deutschland kam es im
Tagesverlauf zu teils stark ausfallenden Regenschauern und vereinzelten
Gewittern. In Deutschland fielen bis 19 Uhr MEZ 12-stündige Niederschlagsmengen
von bis zu 45 mm in Bordelum, einer Gemeinde in Schleswig-Holstein. Im
Nordwesten Deutschlands betrug die Tageshöchsttemperatur teils nur 19 bis 20°C,
beispielsweise in Schleswig, während im Osten Deutschlands noch bis zu 27°C
erreicht wurden. An der Nordseeküste wurden teils Böen der Windstärke 10
gemessen, Windgeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h verzeichnete der Leuchtturm
in Kiel.
Mit weiterer
Verlagerung Richtung Nordosten und einem Kerndruck von rund 995 hPa befand sich
Tief FERDINAND am 01.08.2021 um 01 Uhr MEZ an der Grenze von Norwegen und
Schweden in der Nähe von Oslo. Die Okklusion der Zyklone verlief vom Kern aus
zunächst kreisförmig um den Kern herum und anschließend weiter nach Osten bis
zum Okklusionspunkt im südlichen Schweden, von wo die Warmfront nordöstlich in
die Kaltfront des Tiefdruckkerns ELIOR II überging, welches sich im Norden
Schwedens am nördlichen Ende des Bottnischen Meerbusen befand. Die Kaltfront
erstreckte sich vom Okklusionspunkt aus nach Süden über Kopenhagen und weiter
in westlicher Richtung durch England und dem Süden Irlands bis in den Atlantik.
Im Norden Deutschlands kam es zu Regenschauern, die gebietsweise für hohe Niederschlagssummen
sorgten. So wurden beispielsweise in Beverstedt um 13 Uhr MEZ einstündige
Niederschlagsmengen von 20 mm gemeldet. Die 12-stündigen Niederschlagsmaxima im
nördlichen Deutschland betrugen bis 19 Uhr MEZ maximal 23 mm in Oldenburg. Im
gleichen Zeitrahmen wurden in Skandinavien Niederschlagsmaxima von 26 mm in der
schwedischen Stadt Gävle gemessen.
Bis zum
02.08.2021 verlagerte sich Tiefdruckwirbel FERDINAND nur geringfügig in
südöstlicher Richtung und befand sich mit einem Kerndruck von knapp 1005 hPa
über dem Kattegat westlich von Göteborg. Vom Kern aus verlief eine
Okklusionsfront nordöstlich bis zur Ostseeküste nahe Stockholm, wo sich der
Okklusionspunkt befand. Davon ausgehend verlief die Warmfront weiter
nordöstlich und ging in die Kaltfront des an der nördlichen Küste Norwegens
befindlichen Tiefs ELIOR II über. Die Kaltfront von Tief FERDINAND erstreckte
sich über der Ostsee nach Süden, verlief weiter südwestlich über Polen und ging
im Westen Deutschlands in die Warmfront des über Südengland liegenden
Tiefdruckgebiets HENRI über. Mit einer nordwestlichen Strömung wurden kühle und
feuchte Luftmassen nach Deutschland transportiert. Somit wurden die tiefsten
Tageshöchsttemperaturen von ganz Deutschland mit 16°C bis 18°C im Norden und
der Mitte, genauer im Erzgebirge (15,7°C in Zinnwald-Georgenwald) und in
Bremervörde (18,3°C) erreicht. In der Südhälfte Deutschlands kam es entlang der
Kaltfront zu teils starken Regenschauern und Gewittern. So fielen in Mannheim
bis 15 Uhr MEZ innerhalb einer Stunde ergiebige 30 mm Niederschlag.
Bis zum
Folgetag löste sich Tief FERDINAND schließlich auf und wurde demnach nicht
weiter namentlich auf den Wetterkarten der Berliner Wetterkarte erwähnt. Mit
einer Lebensdauer von 5 Tagen reiht sich Tief FERDINAND in die Reihe der
Zyklonen, welche eine durchschnittliche für Tiefdruckgebiete typische
Lebensdauer aufweisen, ein.