Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet FIONA
(getauft am 17.05.2020)
Am 17.05.2020 befand sich eine ausgedehnte
Tiefdruckzone 1500 km südwestlich von Island auf dem gleichen Breitengrad wie
die Südspitze Norwegens. Von dort erstreckte sich ein fortgeschrittenes
Frontensystem Richtung Osten, welches zu diesem Zeitpunkt bereits aus einer
kurzen Okklusion bestand. Bei diesem Prozess holt die
schneller ziehende Kaltfront die vorlaufende Warmfront am sogenannten
Okklusionspunkt ein, wobei dabei eine Mischfront mit Eigenschaften beider
Frontentypen entsteht. Vom Okklusionspunkt aus verlief die übrige Warmfront
zunächst nach Südosten bis zur irischen Küste und anschließend weiter nach
Südwesten. Die Kaltfront verlagerte sich parallel zu der Warmfront ebenfalls
nach Südwesten, wobei diese nach einer kurzen Strecke warmfrontähnliche Eigenschaften
annahm. Des Weiteren lag die Region um den Okklusionspunkt auf der Vorderseite
eines Höhentrogs. Höhentröge sind Gebilde tieferen Luftdrucks in der mittleren
Troposphäre. Zudem sind diese oftmals entscheidend für die Dynamik von
Druckgebilden, weshalb häufig die Höhentröge auf der 500 hPa- Karte in ca. 5,5
km Höhe untersucht werden. Die Vorderseite eines Trogs führt zumeist zu einer
zunehmenden Krümmung, wodurch sich eine Wellenstörung der Frontsysteme
einstellt. Dadurch können sich manchmal neue Tiefdruckzonen bilden, was die
Meteorologen der Berliner Wetterkarte am 17.05. prognostizierten. Die neu
entstandene Zyklone sollte sich im Folgenden weiter nach Mitteleuropa
verlagern, weshalb sich die Berliner Wetterkarte dazu entschied, dass sich entwickelnde
Tief auf der Vorhersagekarte vom 17.05. für den 18.05. auf den Namen FIONA zu
taufen.
Auf der Analysekarte vom 18.05. um 02 Uhr MESZ lag das
Tief FIONA mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa ca. 1200 km westlich der
Nordspitze Schottlands. Bereits am Vormittag erreichten die ersten Ausläufer
zusammen mit einer weiteren markanten Front eines anderen Tiefs die Insel
Island, wobei zuvor in den Morgenstunden zumeist advektiver Regen einsetzte,
welcher an einigen Stationen im Gebirge Islands über den Tag anhielt. An der
Station Lónakvís regnete es zwischen 06 und 20 Uhr
MESZ 13,0 l/m². An den in der Nähe verorteten Stationen Hágöngur
und Laufbali registrierten die Messgeräte ebenfalls
knapp über 13 l/m². Dazu war es für die Jahreszeit sehr kühl mit Höchstwerten
von knapp über dem Gefrierpunkt in einer Höhe von 600 Metern über dem
Meeresspiegel in Kárahnjúkar. Dabei war die westliche
Hälfte Islands erheblich wärmer als die östliche Landeshälfte. In der nachfolgenden
Nacht sank die Temperatur deutlich unter 0°C, sodass selbst in den Tälern
oftmals Frost herrschte. Der Niederschlag fiel je nach Ort und Uhrzeit
dementsprechend als Schnee. Zudem war es insbesondere am Vormittag stürmisch.
An der Südspitze Islands erreichte der Wind bis zu 96 km/h in Stórhöfði. Zusätzlich dazu verursachte die Front am Tag
nach der Taufe signifikante Wetterzustände in Schottland und den angrenzenden
Ländern. In Lerwicke regnete es 15,2 l/m² innerhalb
von 24 Stunden. Außerdem blies der Wind
mit bis zu 104 km/h um die Mittagszeit auf dem Cairngorm.
Die Nachttemperaturen waren ebenfalls ungewöhnlich kalt für die Britischen
Inseln. Im Ort Altnaharra, welcher im Norden
Schottlands liegt, betrug die Minimumtemperatur 1,8°C, wobei an einigen lokalen
Orten ebenfalls Frost einsetzte.
Am 19.05. war die Zyklone FIONA mit einem Kerndruck
von unter 1015 hPa 500 km nordwestlich von Schottland verortet. Dabei war
auffällig, dass die Isobaren um das Tiefdruckzentrum nicht umschlossen waren,
sodass die Tiefdruckzone nicht markant ausgeprägt war. Des Weiteren ist der
Kerndruck von 1015 hPa vergleichsweise hoch für ein Tief in den mittleren
Breiten. Dadurch waren die Niederschlagsmengen und andere Wetterzustände meist
nur schwach ausgeprägt, sodass es vielerorts ruhig blieb. Lediglich auf Island
regnete es über längere Zeit an einigen Stationen, wo es bereits am Vortag nass
war. In Lónakvísl fielen insgesamt 21 l/m² durch den
anhaltenden Regen. Auffällig war der kalte Witterungsabschnitt in Skandinavien.
Im Gebirge herrschte weiterhin Dauerfrost, was für Mitte Mai eine Besonderheit
darstellt. Zudem sank die Nachttemperatur verbreitet in Norwegen und Schweden
deutlich unter die 0°C-Grenze. Auf dem Dyranut in
1200 Meter Höhe stellten sich tiefwinterliche Bedingungen bei bis zu
-15,5°C ein. Nur an den Küsten blieb es etwas milder,
wobei hier der Meereseinfluss und der Golfstrom entscheidend sind. In Norwegen
lag zudem noch sehr viel Schnee. In Mannen betrug die Schneehöhe 432 cm, was
rekordverdächtig für Mitte Mai ist.
Bis zum 20.05. schwächte sich die Tiefdruckzone FIONA
langsam ab und hat sich letztendlich mit dem südwestlich davon gelegenen
Tiefdruckgebiet vereinigt, so dass der Zyklone „neues Leben“ eingehaucht wurde. Das neu vereinte Tiefdruckgebiet FIONA lag etwa 1500
km südwestlich von Island und hatte sich als Folge der Vereinigung im Verlauf
der Nacht erheblich intensiviert, sodass der Kerndruck nun circa 990 hPa
betrug. Der Okklusionspunkt, welcher meistens durch hohe Niederschlagssummen
und starke Windböen geprägt ist, näherte sich der isländischen Küste.
Gleichzeitig überquerte die Warmfront und kurz danach die Kaltfront das
Festland Islands. Dies hatte zur Folge, dass starke und anhaltende
Niederschläge im Südosten des Landes eintraten. An der Station Laufbali wurden 57 l/m² und in Lónakvísl
47 l/m² innerhalb eines Tages registriert. An dem Küstenort Kvísker
fielen zwischen 16 und 23 Uhr MESZ ebenfalls 58 l/m². Dazu wehte der Westwind
oftmals mit stürmischen und orkanartigen Böen. In Stórhöfði
erreichte der Wind bis zu 111 km/h. Allgemein war es im gesamten Land windig.
Aufgrund der anströmenden maritimen Luftmasse von Westen war es in Island und
im weiteren Verlauf auch in Norwegen deutlich wärmer als an den Vortagen. In
der kommenden Nacht sanken die Temperaturen in Island nur noch auf bis zu 2°C,
sodass kein Frost einsetzte. In Norwegen hielt sich der Frost zwar oftmals noch
hartnäckig, fiel aber bereits deutlich schwächer aus.
Im Verlauf des 20.05. hatte sich die Region um den
Okklusionspunkt so stark intensiviert, dass der Kerndruck in diesem Bereich
erheblich gesunken war, sodass sich dort eine weitere Tiefdruckzone bildete.
Daher bestand der Wirbel FIONA nun aus zwei Kernen, welche mit römischen
Ziffern markiert werden. Der westliche Kern, welcher bereits am Vortag
identifiziert war, hatte am 21.05. um 02 Uhr MESZ einen Kerndruck von unter 985
hPa. Der Okklusionspunkt, also Tief FIONA II, besaß einen Druck von etwa 990
hPa und war somit um 15 hPa gesunken. Vom Okklusionspunkt abgehend verliefen südostwärts
eine nur wenig wetterwirksame Warmfront entlang der südlichen Küste Norwegens
bis hin nach Deutschland und dahinter eine Kaltfront nach Süden über Irland bis
zur Biskaya. Wie bereits in den vorherigen Tagen, stellte sich eine identische
Witterung mit vielen Niederschlägen im Bereich des Okklusionspunktes im
Südosten Islands mit über 35 l/m² in Form von Dauerregen ein. Ansonsten waren
weitere Wettereignisse im Bereich der Kaltfront in Großbritannien und
vereinzelt in Süddeutschland verortet. Im Süden Deutschlands wurde im Vorfeld der
Kaltfront lokale Instabilität in der Troposphäre generiert, sodass sich
vereinzelt konvektive Wolken bildeten. In Lenzkirch-Ruhbühl
hatte dies zur Folge, dass es zwischen 18 und 20 Uhr MESZ einen starken Schauer
gab, wodurch 22 l/m² fielen. Ansonsten war die Kaltfront in Deutschland nur
schwach ausgeprägt, sodass es vielerorts heiter bis sonnig bei über 10
Sonnenstunden war.
Am nachfolgenden Tag entwickelte sich innerhalb des
Frontsystems ein weiteres Tiefdruckzentrum, sodass die Zyklone FIONA
mittlerweile aus drei Kernen bestand. Allerdings dehnte sich gleichzeitig das
weitreichende Hochdruckgebiet ROLF mit Bildung zweier Zentren von Skandinavien
bis nach Ostdeutschland aus, sodass die weitere Zugrichtung von Tief FIONA
blockiert war. Aufgrund dessen löste sich das inzwischen wieder deutlich
abgeschwächte Tiefdruckgebiet FIONA im Tagesverlauf auf und wurde an den
nachfolgenden Tagen nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte vermerkt.
Allerdings verweilte die Warmfront von FIONA III einige Zeit über Norwegen,
sodass viele Stationen an der Süd- und Südwestküste Norwegens nochmals einigen
Regen und Regenschauer erfassen konnten. In Konsmo-Hoyland,
Landvik und Eik Hove wurden
über 30 l/m² gemessen, wobei der Großteil am Nachmittag durch konvektiv
verstärkte Regenfälle verursacht wurde. Darüber hinaus meldeten viele
Wetterstationen im Westen wie Saerheim, Stavanger-Vaaland und Nedre Vats ebenfalls 15 bis 20 l/m², wobei die
Niederschlagsintensitäten etwas schwächer waren. Nach einem Lebenszyklus von
insgesamt 5 Tagen endet die Geschichte des Wirbels FIONA.