Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
FLAVIU
(getauft
am 13.01.2021)
Ein neues
Tiefdruckgebiet bildete sich am 13. Januar 2021 über dem Atlantischen Ozean
östlich der Neuenglandstaaten und Neufundlands, am Rande der Sargassosee. In
diesem Gebiet entstehen häufig Tiefdruckgebiete aufgrund des Zusammentreffens
der kälteren, subpolaren Luftmassen des nordamerikanischen Kontinentes mit
wärmeren, subtropischen Luftmassen aus den südlichen Gefilden des
Nordwestatlantiks. Dies war auch der Grund der Entstehung des neuen Tiefs, um
das es hier in der Geschichte gehen soll. Während die Temperatur über der
Labrador-Halbinsel unter -10°C betrug, brachte im Gegensatz dazu die warme
Nordatlantikluft in der Nähe des 35. Breitengrades Schiffsmeldungen zufolge knapp
20°C auf das Quecksilber (laut Messwerte der Wetterstationen). Am 13. Januar
setzte an einer Welle östlich von Amerika Druckfall ein, sodass für die
Meteorologen der Berliner Wetterkarte ersichtlich war, dass sich ein neues
Tiefdruckgebiet bis zum darauffolgenden Tag entwickeln würde. Folglich tauften sie
das neu entstehende Tief in der Prognose auf den Namen FLAVIU, welches die
kommenden Tage nach Nordwesteuropa ziehen und mit seinen Ausläufern das Wetter
in Deutschland beeinflussen sollte.
Am
darauffolgenden Tag, den 14. Januar, um 00 UTC konnte das Tief FLAVIU erstmals
namentlich auf der Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte mit dem Kern über dem
zentralen Nordatlantik liegend ausfindig gemacht werden. Die Zyklone hatte zu
diesem Zeitpunkt einem Kerndruck von unter 1000 hPa. Milde als auch kalte
Luftmassen zirkulieren um das Tiefdruckzentrum herum und bilden zunächst Warm-
und Kaltfront aus, bevor sich schließlich auch eine Okklusionsfront bildete.
Die Warmfront erstreckte sich mehrere hundert Kilometer über den mittleren Nordatlantik
bis zu den westlichen Azoreninseln. Kurz dahinter verlief schon die Kaltfront
in südwestlicher Richtung, wo sie auf eine Warmfront eines unbenannten Tiefs
weiter westlich traf. Zudem war bereits eine Okklusionsfront erkennbar, die
eine Mischform aus Kalt- und Warmfront darstellt und durch das Einholen der
Warmfront durch die schneller ziehende Kaltfront entsteht. Die okkludierte Front ging einige hundert
Kilometer nach Südwesten vom Kern ab sowie ein kurzes Stück in nordöstliche
Richtung vom Kern, wo sie im Okklusionspunkt endete und sich in die bereits
schon beschriebene Warm- und Kaltfront auftrennte. Zu diesem Zeitpunkt war also
die Entwicklung von Tief FLAVIU schon fortgeschritten, dennoch reichte sein
Einfluss noch nicht bis zum europäischen Festland.
Mit einer
westlichen Grundströmung zog die Zyklone FLAVIU am 15. Januar weiter in
Richtung Britische Inseln. Im Vergleich zum Vortag fiel der Kerndruck um
weitere 5 hPa und somit verstärkte sich der Wirbel weiter. Der voranschreitende
Entwicklungsprozess dieses Tiefdruckgebietes war auch gut an der Fortsetzung
des Okklusionsprozesses erkennbar, die Kaltfront holte die Warmfront immer mehr
ein. Tagsüber befand sich Tief FLAVIU noch relativ weit vom Festland entfernt,
doch schon in der Nacht zum 16. Januar erreichten die Ausläufer Irland und
brachten innerhalb 12 Stunden bis zum Morgen um 06 UTC besonders auf dem
irischen Festland sowie an den Küsten zur Irischen See, zum St. Georgs-Kanal
und zum Bristolkanal hin zweitstellige Niederschlagssummen, wie z.B. 19 mm in Johnstown
Castle, 25 mm in Mumbles oder 31 mm in Machrihanish.
Am 16. Januar
konnte die Zyklone FLAVIU im Seegebiet zwischen Island und Großbritannien
verortet werden. Im Tagesverlauf fiel der Luftdruck im Zentrum bis auf 990 hPa,
die Tiefausläufer drangen weiter nach Osten voran und verdrängten somit das
tags zuvor noch über Frankreich befindliche Hoch CHANA. Aufgrund dessen setzte
über den Britischen Inseln, Frankreich, Benelux und West- sowie Süddeutschland
frontaler Niederschlag ein. Beispielweise wurden an der Station
London St. James Park 5 mm, in Paris-Montsouris 12
mm, in Brüssel 5 mm und in Basel 2 mm innerhalb 24 Stunden bis zum Morgen des
17. Januars gemeldet. Darüber hinaus brachte die Zyklone Schnee in der Schweiz
mit einer Neuschneehöhe von ca. 10 cm in Zürich. Auch in Westdeutschland setzte
Schneefall ein und um 06 UTC wurden in Münster/Osnabrück und am Flughafen Köln/Bonn
3 cm Neuschnee gemessen. Die größten Neuschneemengen deutschlandweit gab es
jedoch mit teilweise mehr als 10 cm im Süden des Landes. Hier wurden bis zum Morgen
24-stündige Niederschlagssummen von mehr als 50 mm gemeldet, wie z.B. in Bad Bayersoin, wo 60 mm registriert wurden.
Am
nächsten Tag, dem 17. Januar, zog FLAVIU mit Kern nur minimal nordostwärts Richtung
Nordmeer. Seine Fronten erreichten Belgien, Frankreich und Nordspanien in der
Nacht und lösten hier die ersten Niederschläge aus. Im Tagesverlauf verursacht
das Frontensystem von Tief FLAVIU über Schottland, den Färöer-Insel und
Westnorwegen weitere Niederschläge. Nachdem sich zunächst die Warmfront und
kurz danach auch noch die Kaltfront an der spanischen Gebirgskette im Norden
des Landes ausregnen konnten, kamen dort bis zum Morgen des 18. Januars teils
zweistellige Regenmengen zusammen. So fielen in Irun-Lapize
10 mm und in Soba-Alto Miera
13,8 mm. Auch in Schottland fielen örtlich bei 5 bis 9°C etwas höhere
Regensummen, wie z.B. in Port Ellen auf der Insel Islay
mit 15,6 mm innerhalb 24 Stunden. Ebenso verzeichneten 2 Orte rund um Bergen
zweistellige Niederschlagssummen zwischen 10 und 13 mm. Mit der nordwestlichen Höhenströmung wurden
die Hebungsprozesse vor allem im Nordstau der Alpen verstärkt, so dass es dort
erneut kräftig schneite. In Oberstdorf erhöhte sich die Schneedecke von 73 cm
(17. Januar) auf 94 cm (18. Januar). Noch vor einer Woche lagen dort erst 10
cm. Immenstadt-Reute meldete sogar einen Schneezuwachs von über 40 cm auf
nunmehr 149 cm. Im äußersten Westen Deutschlands leitete Tief FLAVIU eine
Milderung ein, so dass die Niederschläge dort schon in Regen übergingen, am
Niederrhein stieg die Temperatur am Abend des 17. Januars bis auf 7°C in Kleve.
In der Nacht auf den 18. Januar kam die Okklusionsfront von FLAVIU langsam
voran, brachte im Norden Deutschlands aber nur geringe Niederschläge, da dort
ein schwacher Höhenkeil dämpfend wirkte. Erst am Morgen des 18. Januars setzten
dann auch in Berlin leichte Schneefälle ein, so dass mittags in Dahlem 1 cm
Neuschnee gemessen wurde. Zuvor konnte in Sachsen und Südbrandenburg in der
Nacht örtlich nochmals strenger Frost verzeichnet werden: Klettwitz - 11°C, Dipoldiswalde bei Dresden sogar -16°C.
Am 18. Januar
lag das Tief FLAVIU mit Kern, dessen Luftdruck rund 995 hPa betrug, knapp
östlich von Island. Dessen inzwischen vollständige okkludierte Front bog sich
um den Kern herum über das Nordmeer, an der Küste Norwegens entlang, über
Deutschland hinweg bis zum nördlichen Alpenkamm und sorgte dort entsprechend
für Niederschläge. Während in westlichen Landesteilen Deutschlands die
Temperatur auf 5 bis 7°C ansteigen konnte, tat sich die mildere Luft im Osten
noch schwer. So wurden im Berliner Raum bis zum Abend lediglich +2°C bei mehr
und mehr in Regen übergehenden Niederschlägen erreicht. Nur wenig weiter
östlich blieb es noch frostig bei zeitweiligem Schneefall. Angermünde meldete
beispielsweise um 18 UTC eine 5 cm hohe Schneedecke bei einer Höchsttemperatur
von -0,7°C, 12 Stunden später war bei +3°C auch dort der Schnee weitgehend
verschwunden.
An dem darauffolgenden
Tag entwickelte sich ein zweiter Kern Namens FLAVIU II über Kopenhagen. FLAVIU
I konnte nordwestlich der norwegischen Halbinsel, in etwa bei den Färöer-Inseln
verortet werden. Die beiden Kerne waren durch eine Okklusionsfront miteinander
verbunden, von FLAVIU II ging einerseits eine Warmfront nach Süden ab und
reichte bis zur Adria, andererseits erstreckte sich ein kurze Kaltfront nach
Westen über die Nordsee. Im Tagesverlauf fand das gesamte Frontensystem von
FLAVIU I und II jedoch eine rasche Auflösung, so dass sich die Zyklone am 20.
Januar nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte ausfindig machen ließ.