Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet FLORA

(getauft am 05.03.2020)

 

Anfang März des Jahres 2020 prägten Tiefdruckgebiete das Wettergeschehen über Mitteleuropa. Am 04.03.2020 entstand ein neues Tief südlich von Ottawa, Kanada mit einem Kerndruck von 995 hPa und zog bis zum nächsten Tag über den Sankt-Lorenz-Golf westlich von Neufundland. Daraufhin wurde es von Mitarbeitern der Berliner Wetterkarte (BWK) auf den Namen FLORA getauft. Es hatte nun einen Kerndruck von 975 hPa und wies eine starke Drängung der Isobaren auf, was auf hohe Windgeschwindigkeiten schließen lässt. Zudem ließ sich nun auch im Höhenniveau von 500 hPa, also auf ca. 5 km Höhe, ein Höhentief (auch Trog genannt) feststellen, welches sich mit warmer Luft aufgefüllt hatte. Am Boden zeichnete sich das Tief durch seine ausgeprägte Kaltfront aus, welche von der Nordspitze Neufundlands in einem Bogen zunächst bis zur Südostspitze Neufundland  und dann weiter nach Südwesten bis zu den Bermuda-Inseln reichte. Die Warmfront zog sich vom Okklusionspunkt über Neufundland, an dem Kalt- und Warmfront zusammentrafen, ca. 1500 km Richtung Südosten. Vom Okklusionspunkt aus verlief die Okklusionsfront (Mischfront) nach Westen durch den Tiefkern und dann nach Südwesten bis zur Prinz-Edward-Insel. Für das europäische Wetter spielte das Tief bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle.

Daraufhin verlagerte sich das Tief entlang der Höhenströmung weiter nach Nordosten, sodass es am 06.03. um 01 Uhr MEZ (Mitteleuropäische Winterzeit) etwa 500 km nordöstlich von Neufundland mit unverändertem Kerndruck verortet wurde. Die Okklusionsfront begann nun einige hundert Kilometer südlich des Tiefdruckwirbels und zog sich zunächst nordwärts durch den Tiefkern und anschließend ca. 2000 km nach Osten bis zum Okklusionspunkt. Von dort zweigte die Kaltfront ab und verlief einige tausend Kilometer in südwestliche Richtung, bis zu den Bermudas. Die Warmfront dagegen verlief nach Südosten bis sie rund 1000 km westlich der Iberischen Halbinsel in die Okklusionsfront eines Tiefs über Irland überging. Noch immer hatte der Wirbel keinen Einfluss auf das europäische Wettergeschehen.

Am nächsten Tag, dem 07.03., lag die Zyklone FLORA auf Höhe der Südspitze Grönlands, ungefähr 800 km östlich davon und 600 km südwestlich Islands. Der Kerndruck betrug weiterhin 975 hPa und in der Höhenwetterkarte ließ sich Kaltluft über dem Tief ausmachen. Die Okklusionsfront zog sich ausgehend rund 500 km südlich von Grönland nach Osten bis zum Okklusionspunkt, der 600 km südlich von Island und etwa genauso weit westlich Schottlands lag. Von dort aus reichte die Kaltfront einige tausend Kilometer nach Südwesten über den Nordatlantik, wobei sie rund 1000 km nördlich der Azoren verlief. Die Warmfront verlief etwa 700 km nach Südosten bis nach Irland und von dort aus etwa 2000 km nach Süden über die Biskaya bis zur Nordküste Spaniens. Ausgelöst durch die Warmfront kam es an diesem Tag zu Regenfällen über den Britischen Inseln, Frankreich und dem Norden Spaniens. So fielen in Shap, im Nordwesten Englands 36,2 mm Regen und in Capel Curig (Wales) 36,6 mm innerhalb von 24 Stunden. An der norwegischen Küste wurden ebenfalls hohe Niederschlagssummen registriert, beispielsweise 40,8 mm in Bergen. Weiter landeinwärts im Skigebiet Kvamskogen auf 452 m waren es gar 56,2 mm. In Frankreich fiel deutlich weniger Regen, einzig in der Bretagne wurden nennenswerte Summen gemessen, wie etwa in Brest mit 6,3 mm. Etwas mehr war es entlang der Pyrenäen, wo z.B. im spanischen Irurita 7,3 mm in 24 Stunden registriert wurden. Außerdem kam es zu teils markanten Windböen über Schottland und Norwegen. Beinahe Orkanstärke wurde mit 119 km/h auf der norwegischen Insel Kråkenes erreicht. Die bereits erwähnte Station Kvamskogen-Jonshogdi meldete 93 km/h Spitzenböen. In Schottland wurden ebenfalls Windgeschwindigkeiten über 100 km/h gemeldet, wie etwa auf 564 m in Glen Ogle (107 km/h). In der Nacht zum 08.03 meldete die Station Glasgow/Bishopton auf 59 m Höhe immerhin 87 km/h, was Windstärke 9 entspricht.

Tags darauf, am 08.03. um 01 Uhr MEZ, war der Trog in 500 hPa weiter über Irland gewandert und das Tief am Boden hatte sich ebenfalls nach Osten verlagert. Dabei hatte es sich in zwei Tiefkerne aufgespalten. Der erste Tiefkern lag etwas südwestlich der Position vom Vortag. Von dort aus schlängelte sich die Okklusionsfront in einem Bogen nach Norden um den Tiefkern herum und dann ostwärts bis zum zweiten Tiefkern mit einem Kerndruck von 975 hPa, welcher sich zwischen Island und Schottland befand. Von dort verlief die Okklusion nach Nordosten, bis ca. 200 km westlich der norwegischen Küste, wo sie sich in Kalt- und Warmfront aufspaltete. Die Kaltfront zog sich von diesem Okklusionspunkt aus nach Südwesten über Großbritannien, westlich der Bretagne über den Golf von Biskaya, nordwestlich der Iberischen Halbinsel vorbei bis zu den Azoren, wo sie in die Warmfront des Tiefs GISELA überging. Die Warmfront des Tiefs FLORA hingegen verlief von Okklusionspunkt aus in südliche Richtung, über Norwegen, die Nordsee, den Nordwesten Deutschland, die Niederlande und Belgien bis nach Frankreich. Erneut kam es zu Regenfällen entlang der Fronten des Tiefdruckgebiets, wobei diese im Norden kräftiger ausfielen. So meldete Bergen nun 32,1 mm Niederschlag, und die Station Eik an der Südwestspitze Norwegens sogar 48,5 mm. Auf den Britischen Inseln dagegen wurde der höchste Niederschlagswert mit 14 mm von der Station Finner im Norden Irlands verzeichnet. An den restlichen Stationen lagen die Werte meist unter 10 mm. In Frankreich zeigte sich mit Ausnahme der französischen Alpen und der Pyrenäen ein ähnliches Bild: In Paris wurden 5,8 mm gemessen, in St. Girons auf der Nordseite der Pyrenäen dagegen 18,1 mm. Auch in Galizien, im äußersten Nordwesten Spaniens regnete es teils ergiebig. In Boiro an der Atlantikküste kamen binnen 24 Stunden 41,4 mm zusammen. Der höchste Messwert des Tages wurde jedoch aus dem Alpenraum gemeldet. In der Nähe des Dreiländerecks zwischen Frankreich, Schweiz und Italien fielen auf dem Großen Sankt Bernhard auf 2469 m stolze 48,7 mm. Hinter der Kaltfront sanken die Temperaturen vielerorts merklich ab. So wurde in Dublin (Flughafen) nur noch 10,4°C als Höchsttemperatur gegenüber 13,4°C am Vortag gemessen.

Am 09.03. um 01 Uhr MEZ befand sich das Tief FLORA ca. 300 km westlich von Norwegen, auf Höhe Islands mit einem leicht gefallenen Kerndruck von 970 hPa. Der Trog lag nun über Großbritannien und Frankreich. Es war nur noch ein Tiefkern auszumachen, von dem aus die Okklusionsfront nach Nordosten bis über das skandinavische Festland verlief und sich über dem Norden Schwedens in Kalt- und Warmfront aufspaltete. Von dort aus reichte die Kaltfront über den Bottnischen Meerbusen sowie den Südosten Schwedens bis zur Ostsee, wo die Front etwas verwellte und sich eine Warmfront ausbildete. Über dem Westen Deutschlands, Luxemburg, dem Südosten Frankreichs, der westlichen Schweiz und dem Norden Spaniens war es wieder eine Kaltfront. Die Warmfront dagegen verlief vom Okklusionspunkt aus nach Südosten über Finnland, dann westlich des Baltikums nach Süden bis über den Nordwesten Polens. Die durch das Tief ausgelösten Niederschläge konzentrierten sich nun wieder auf die Britischen Inseln. Doch auch der Nordosten Frankreichs und die Benelux-Staaten konnten höhere Niederschlagsmengen verzeichnen. Über den Britischen Inseln sorgte das Rückseitenwetter hinter der Kaltfront für zahlreiche Schauer, wie z.B. am Flughafen Shannon im Süden Irlands, wo insgesamt 35 mm fielen oder am Lake Vyrnwy in Wales, wo die dortige Wetterstation 33,4 mm meldete. In den Niederlanden und Belgien meldeten einige Stationen wie Hoek van Holland, Beitem und Charleroi 13 mm oder mehr Niederschlag. Die hinter der Kaltfront eingeflossene Kaltluft machte sich vor allem im Westen Deutschland bemerkbar. Am Flughafen Köln/Bonn waren am Vortag noch 13,7°C erreicht worden; nun reichte es nur noch für 10,7°C. Auch starke Windböen gab es wieder zu verzeichnen: Entlang der Westküste Norwegens wurden an mehreren Stationen wieder Spitzenwerte über 100 km/h gemessen, an der Wetterwarte Sømna/Kvaløyfjellet auf 302 m Höhe am Vormittag sogar eine Böe mit 119 km/h. Im Laufe des Tages verlagerte sich der Sturm dann weiter nach Norden.

Die Höhenwetterkarte vom 10.03. um 01 Uhr MEZ zeigt, dass sich der Trog nun über Deutschland befand und sich ein Teil davon über dem Mittelmeer als eigenständiges Höhentief, auch Kaltlufttropfen genannt, abgespalten hatte. Das Bodentief namens FLORA war währenddessen weiter entlang der glatten Höhenströmung nach Nordosten gewandert und befand sich nun über der Nordspitze Norwegens (Tiefkern I) bzw. über der russischen Insel Nowaja Semlja (Tiefkern II) mit jeweils 980 hPa Kerndruck. Es konnte eine Okklusionsfront analysiert werden, die vom Kern II etwa 1500 km nach Norden reichte sowie eine Warmfront, welche ca. 3000 km nach Südosten über das Uralgebirge verlief und unweit westlich von Tobolsk im Südwesten Russlands endete. Aus diesen Regionen ist es relativ schwierig Wetterinformationen zu erhalten, da das Stationsnetz dort nicht besonders dicht ist. Zum westlichen Tiefkern lässt sich jedoch sagen, dass dieser vor allem für starken Wind an der Nordküste Norwegens und in der russischen Oblast Murmansk sorgte. Die stärkste gemessene Böe wurde mit 104 km/h (Windstärke 11) in Båtsfjord, Nordwegen, registriert. In Teriberka, 80 km nordöstlich von Murmansk wurden bis zu 80 km/h (9 Beaufort) gemessen. Die 24-stündigen Niederschlagssummen in Europa lagen durchweg im einstelligen Bereich wie in Vardø im Nordosten Norwegens (2,6 mm) oder auf dem Berg Varriotunturi in Finnland, nahe der Grenze zu Russland (3,8 mm). In Russland wurde beispielsweise auf der Insel Nowaja Semlja von der Station Malye Karmakuly 4,8 mm vermeldet und in Workuta, welches nördlich des Polarkreises und rund 80 km westlich des Urals liegt, registrierte man 6,0 mm.

Am darauffolgenden Tag, dem 11.03.2020, waren die beiden Tiefkerne wieder verschmolzen und die Zyklone FLORA lag nun mit einem Kerndruck von 975 hPa über dem Südteil der Insel Nowaja Semlja. Eine neu entstandene Kaltfront reichte vom Kern aus nach Südwesten bis zum russischen Festland und von dort nach Westen südlich der Halbinsel Kola bis in den Norden Finnlands. Die Warmfront verlief vom Tiefkern nach Südosten bis in den äußersten Osten der Region Jamal-Nenzen. Niederschläge, die sich klar auf das Tief FLORA zurückführen lassen, wurden z.B. in Sehaja (11 mm) und Antipajuta (5 mm) in ebendieser Region registriert. Im Laufe des Tages verschwand das Tief von der Berliner Wetterkarte in Richtung Osten.