Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet FRANCI
(getauft am 20.10.2005)
Am Rande eines
Höhenwirbels, der bereits seit einigen Tagen über Großbritannien lag, erfolgte
am 19.10.2005 über dem Nordatlantik ein kleiner Kältevorstoß nach Süden. Dieser
Kältevorstoß war die Geburtsstunde eines Tiefdruckgebietes, das sich bis zum
20.10.2005 rasch zu einem ausgewachsenen Tief mit einem Kerndruck von weniger
als 990 hPa entwickelte und den Namen FRANCI erhielt.
Bis dato war aber
noch niemandem bewusst, welch weiten Weg das Tief FRANCI letztendlich
zurücklegen sollte. Noch zu Beginn zog das Tief erst einmal zu den Britischen
Inseln und übernahm bereits nach 24 Stunden die Position des Höhenwirbels, der
es einst zum Leben erweckte. In den anschließenden Stunden intensivierte sich
das Tief FRANCI rasch und schickte dabei die Kaltfront nach Mitteleuropa. Diese
breitete sich am 22. und 23.10.2005 quer über Deutschland aus, an ihr kam es zu
kräftigen und ausgiebigen Regenfällen. In weiten Teilen Norddeutschlands fielen
dabei innerhalb von 48 Stunden mehr als 20 Liter Regen pro Quadratmeter. Das
ist mehr als die Hälfte des Niederschlages eines durchschnittlichen Oktobers.
Das Tief FRANCI
hatte aber noch mehr als nur Regen zu bieten. Am Nachmittag des 22.10.2005
wurden auf dem Kahlen Asten schwere Sturmböen und auf dem Brocken mit 111 km/h
sogar orkanartige Böen gemessen. Viele Stationen in Norddeutschland meldeten an
diesem Tag Böen bis Windstärke 8.
Im Folgenden legte
das Tief FRANCI noch weiter an Fahrt zu und sauste nun mit hohem Tempo über die
Nordsee und Südskandinavien hinweg und erreichte am 23.10.2005 die Ostsee. Doch
das war noch lange nicht das Ende von Tief FRANCI, denn auch wenn es für
Mitteleuropa keine große Rolle mehr spielen sollte, schien es seine lange Reise
erst begonnen zu haben.
Mit unverminderter
Geschwindigkeit legte das Tief FRANCI nun einen nördlichen Kurs ein und bewegte
sich über Südfinnland und Westrussland weiter bis zur Barentssee. Hier
erreichte das Tief mit einem anhaltend niedrigen Kerndruck von 985hPa am
24.10.2005 seinen Höhepunkt, bevor es auf die Inselkette von Novaja Semlja traf.
Das Tief FRANCI
verließ nun am 25.10.2005 den lokalen Ausschnitt der europäischen Wetterkarte
am nördlichen Rand als es weiter bis zur Karasee fort
drang und verschwand damit natürlich auch aus dem Interesse der europäischen
Medien.
Aber auf weit
reichenden Analysekarten des Deutschen Wetterdienstes war zu erkennen, dass
sich das Tief FRANCI am 26.10.2005 über die Laptewsee
bewegte und am 27.10.2005 letztendlich die Neusibirischen Inseln bei etwa 140°
Ost erreichte als es sich schließlich auflöste. Das war mit Abstand eine der
längsten Reisen, die ein europäisches Tiefdruckgebiet jemals gemacht hat. Eine
Reise um die halbe Welt.
Geschrieben am ? von Sebastian Unger
Wetterkarte: 22.10.2005
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