Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet FRANK
(getauft am 31.05.2019)
Am Ende des kühlen Mai 2019 (im Übrigen der
erste zu kühle Monat nach 13 überdurchschnittlich warmen Monaten in Folge)
entstanden über dem Nordatlantik zahlreiche Tiefdruckgebiete. In der Prognose
der Berliner Wetterkarte vom 31.05. für den 01.06. wurde eine Verwellung des Druckfeldes über dem westlichen Nordatlantik
als wetterwirksam über Europa in den kommenden Tagen eingestuft und
folgerichtig auf den Namen FRANK getauft. Das Tiefdruckgebiet FRANK war zu diesem Zeitpunkt an den zonal verlaufenden
Jetstream gekoppelt, weswegen es sich mit verhältnismäßig hoher Geschwindigkeit
über den Ozean fortbewegen konnte.
Eine der wichtigsten Referenzkarten im meteorologischen Anwendungsbereich
ist die Bodendruckkarte. Das Exemplar der Berliner Wetterkarte wird täglich mit
den Stationsdaten von 00 Uhr der koordinierten Weltzeit UTC, entsprechend 02
Uhr MESZ, für den europäischen Raum inklusive Nordatlantik erstellt. Auf der
Karte des 01.06. war der Kern des Tiefs FRANK mit einem Kerndruck von knapp 1010 hPa etwa 500 km nördlich
der Azoren gelegen;
etwas zu weit entfernt, um dort das Wetter maßgeblich zu beeinflussen. Seine
Warmfront zog sich in nordöstlicher Richtung bis über die Keltische See, wo sie
in die Kaltfront eines unbenannten Tiefs überging. Seine Kaltfront hingegen
verlief südwestlich über den Atlantik, bis sie in die Warmfront eines
unbenannten Tiefs über Neufundland überging. Etwa 100 km südlich des Kerns
schlossen sich beide Fronten zu einer sogenannten Okklusionsfront, auch
Okklusion genannt, zusammen. Eine Okklusion ist eine Mischfront aus Warm- und
Kaltfront, welche Eigenschaften beider in sich vereint. Den Punkt an dem sich
die Kaltfront unter die Warmfront schiebt, nennt man Okklusionspunkt. Bereits
in den Mittagsstunden hatte die Warmfront auch die Insel Großbritannien
erreicht und bewegte sich über derselben nordwärts. Die Front war allerdings
schwach ausgeprägt und brachte nur geringe Regenmengen. Spektakulärer war der Temperaturgradient:
Während die Temperatur im Warmluftsektor am Flughafen London-Heathrow bis auf
27,6°C stieg, wurden auf der Isle of Man gerade
einmal 13,3°C erreicht.
Im Tagesverlauf
hatte sich das Tiefdruckgebiet verstärkt und lag um 00 Uhr UTC des 02.06. nur
noch etwa 200 km westlich der irischen Küste. Der Luftdruck im Zentrum betrug
dabei etwa 995 hPa; rund 15 hPa weniger als 24 Stunden vorher. Infolge des
Frontensystems regnete es in Irland durch die Kaltfront sowie Schottland
aufgrund der Warmfront die ganze Nacht über, mit einer maximalen 12-stündigen
Regenmenge von beachtlichen 16 mm in Cork. Aufgrund des starken horizontalen
Druckgradienten war es an diesem Tag auf den Britischen Inseln windig, mit bis
zu 113 km/h auf dem exponierten Cairn Gorm und 83 km/h im nordenglischen Bergdorf Shap, was Stärke 11 bzw. 9 auf der Beaufort-Skala
entspricht. Aber auch sonst wurde verbreitet Windstärke 8 gemessen.
Währenddessen kam es natürlich auch weiterhin zu Regenfällen, die weiter verbreitet, aber weniger intensiv als in der Nacht
ausfielen.
Auf der Bodenwetterkarte
des 03.06. war Tief FRANK nordwestlich von Schottland zu verorten. Durch das
Zentrum hatte sich eine Okklusion gebildet, die vom nordöstlichen Atlantik bis
zur nördlichen Nordsee verlief, dabei allerdings keine Landmasse berührte. Vom
dortigen Okklusionspunkt verlief die Warmfront nahezu geradlinig bis über
Zentralpolen, wo sie in die Kaltfront des Tiefs ENNO überging, die Kaltfront
über London, die Bretagne und Galizien bis über den östlichen Atlantik, wo sie
in die Warmfront des Tiefs GEBHARD überging. Vor dieser Kaltfront hatte sich,
wie im Sommer häufig der Fall ist, eine gewitterträchtige Konvergenzlinie
gebildet, die in diesem Fall zwischen Schleswig-Holstein und Nordspanien analysiert
wurde. Entlang dieser zogen ab dem Abend des 02.06. Gewitter langsam über die
Beneluxstaaten, gegen Mitternacht blitzte es auch gelegentlich im Kreis Kleve
und am frühen Morgen zogen aufeinanderfolgend zwei Gewitterzellen über dem
Ruhrgebiet her. Wie bei Gewittern üblich waren die Niederschlagsmengen sehr
ungleich verteilt, mit 35,7 mm in Bedburg bei Köln, aber kompletter Trockenheit
am Flughafen Köln/Bonn. Im weiteren Tagesverlauf verlagerten sich
Konvergenzlinie sowie Kaltfront ostwärts, der Gewitterschwerpunkt lag nun über
Nordhessen. An zwei Messstationen des Deutschen Wetterdienstes, Südeichsfeld-Wendehausen
und Hohenstein-Breithardt, fielen zwischen 06 und 18 UTC annähernd 50 mm
Niederschlag. Temperaturtechnisch wurden vor der Kaltfront im Brandenburgischen
Langenlipsdorf bemerkenswerte 35,1°C gemessen,
während in Bremen die 25°C und auf der Nordsee die 15°C nicht überschritten
wurden. Im Vorfeld der Gewitterlinie kam es örtlich zu Sturmböen, mit maximalen
104 km/h auf dem Weinbiet, was Stärke 11 Bft. entspricht. Auch in Südschweden wurden im
Warmluftsektor deutlich über 25°C gemessen, für Anfang Juni eine beachtliche
Wärme.
Im Verlauf des Tages
hatte sich der Okklusionspunkt, auch mithilfe des Skandinavischen Gebirges, das
einen großen Einfluss auf das Wetter hat, abgekoppelt, und war auf der
Bodendruckkarte des 04.06. nun als Tiefdruckgebiet FRANK II verzeichnet,
während der ursprüngliche Kern den Namen FRANK I annahm. Um diesen, in der Nähe
der Färöer-Inseln gelegen, kringelte sich eine Okklusionsfront. Mit Zentrum bei
Sundsvall lag die Zyklone FRANK II östlich des zuvor beschriebenen Tiefs FRANK
I. Die kurze Okklusionsfront hatte ihren Okklusionspunkt im Kern von wo aus die Warmfront östlich bis vor Sankt Petersburg verlief
und die Kaltfront südlich über die Ostsee bis nach Deutschland ging. Hohe
Niederschlagssummen gab es in dieser Nacht vor allem im Vorfeld der Warmfront
des Tiefs FRANK II über Finnland, mit 12-stündig 22 mm Niederschlag in Pudasjärvi. Im Warmsektor, fiel die Temperatur nachts in
Tallinn nicht unter 16°C. Da das Druckprofil mittlerweile wieder etwas
abgeschwächt war – der Luftdruck im Zentrum des Wirbels FRANK II betrug etwa
1005 hPa – waren auch die Fronten deutlich weniger wetteraktiv als tags zuvor,
in Teilen Ostschwedens blieb es sogar trotz Durchgang der Kaltfront komplett
trocken. Starke Niederschläge in Westeuropa gingen auf das südlicher gelegene Tiefdruckgebiet
GEBHARD zurück.
Trotz der nunmehr
geringen Wetteraktivität blieb das Tiefdruckgebiet FRANK den Wetterkarten noch
ein paar Tage erhalten. Die beiden Teiltiefs entfernten sich zusehends
voneinander: während das Tief FRANK I noch bis zum 06.06. nördlich der
Färöer-Inseln rotierte und dort sowie auf Island nochmals für Niederschlag
sorgte, zog der Wirbel FRANK II ostwärts und verstärkte sich während des 06.06.
sogar nochmals jenseits des Urals auf unter 995 hPa, verschwand aber unter
weiterer Ostwärtsbewegung am 07.06. vom Analysegebiet
der Berliner Wetterkarte. Insgesamt blieb das Tiefdruckgebiet FRANK als
Teilursache einer frühen Hitzewelle des Sommers 2019 in Erinnerung, brachte
aber auch nächtliche Gewitter nach Nordrhein-Westfalen und ein starkes Gewitter
tagsüber nach Hessen.