Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet FRANZI

(getauft am 10.06.2012)

 

Ende des ersten Junidrittels entwickelte sich über dem Golf von Genua ein neues Tiefdruckgebiet. Tiefdruckgebiete mit dem Ursprung in diesem Raum unterliegen oft dem Prozess der sogenannten Genua–Zyklogenese, oder allgemeiner der Leeseiten–Zyklogenese. Dieser Begriff steht in der Meteorologie für die Entwicklung von Tiefdruckgebieten, die im Lee, also der windabgewandten Seite eines Gebirges, entstehen. Im Fall des am 10.06. auf den Namen FRANZI getauften Tiefdruckgebietes, strömte die Luft von der Nordseite der Alpen aus um die Westseite des Gebirges herum über den Golf von Genua, wodurch sich die typische Drehrichtung des Wirbels gegen den Uhrzeigersinn induziert wurde.

Am Tag der Taufe lag der Kerndruck des mit seinem Zentrum über dem südlichen Alpenrand liegenden Tiefdruckgebietes bei knapp unter 1010 hPa. Vom Zentrum aus verlief eine Warmfront in nordöstlicher Richtung bis zur ungarischen Hauptstadt Budapest. Die Kaltfront des Druckgebildes verlief hingegen in einem südwestlichen Bogen über das westliche Mittelmeer bis hin zur spanischen Insel Menorca. In den Gebieten, die von der Kaltfront überquert wurden, kam es während der vorangegangenen Nacht vor allem in Oberitalien und der Südschweiz zu zum Teil kräftigen Gewittern. In Mailand trat beispielsweise ein Gewitter auf, welches von 20 bis 02 Uhr zu 11 l/m² führte. Auch in Lugano in der Schweiz fielen 11 l/m² Regen innerhalb des gleichen Zeitraumes. Das über Mailand registrierte Gewitter erreichte Lugano allerdings erst gegen 02 Uhr nachts, wodurch noch mehr Niederschlag zusammen kam und bis 08 Uhr morgens so eine Niederschlagssumme von 33 l/m² innerhalb von     12 Stunden zusammen kam.

Bis zum 11.06. hatte sich der Tiefdruckwirbel FRANZI bei einem leicht abgeschwächten Kerndruck von etwas unter 1005 hPa um etwa 1000 km nach Nordosten verschoben und lag nun mit dem Kern über der polnischen Hauptstadt Warschau. Die Warmfront der Zyklone erstreckte sich in Richtung Nordosten über Litauen hinweg bis etwa 300 km vor Moskau. Dagegen verlief die Kaltfront wieder in einem südwestlichen Bogen bis nach Belgrad, der Hauptstadt Serbiens. Auch an diesem Tag gab es zahlreiche Regengüsse und Gewitter entlang der Kaltfront. Die Wetterstation der polnischen Stadt Krakau meldete in der vergangenen Nacht Regenmengen von 44 l/m² innerhalb des Zeitraumes von 20 bis 02 Uhr. In dieser Zeitspanne zog eine Gewitterzelle über die Stadt, die neben heftigem Regen auch Böen mit Windgeschwindigkeiten von etwa 23 m/s mit sich brachte. Auf der Beaufortskala ergibt dies die Windstärke 9, was Sturm entspricht.

Am darauffolgenden Tag, dem 12.06., begann das Tief FRANZI zu okkludieren. Beim Prozess der Okklusion holt die nachfolgende Kaltfront die vorlaufende Warmfront ein, wodurch sich eine Mischfront herausbildet, die sogenannte Okklusionsfront. Diese verlief vom Zentrum des Wirbels über St. Petersburg aus, mit einem Kerndruck von nunmehr ca. 998 hPa, in einem südöstlichen Bogen bis ca. 200 km nördlich von Moskau. An diesem Punkt, der Okklusionspunkt genannt wird, teilte sich die Okklusionsfront wieder in Warm– und Kaltfront auf. Während die Warmfront weiter nach Osten bis über den asiatischen Teil Russlands führte, erstreckte sich die Kaltfront in einem südlichen Bogen bis ca. 400 km südlich von Moskau. Entlang dieser Front wurden wiederum hier und da Gewitter registriert. Die Station in der russischen Stadt Kursk meldete zwischen 14 und 20 Uhr eine Gewitterzelle, die innerhalb dieser 6 Stunden zu Regenmengen von 17 l/m² führte.

Bis zum Folgetag, dem 13.06., war das Tiefdruckgebiet FRANZI weiter nach Norden gezogen und lag mit seinem Zentrum über dem Onega-Busen, im Süden des Weißen Meeres. Die Okklusionsfront verlief vom Zentrum ausgehend, welches einen Kerndruck von knapp unter 995 hPa aufwies, weiter über die russische Stadt Archangelsk bis rund 200 km nordwestlich der Stadt Wologda, von wo aus die Warmfront in Richtung Südost bis nach Nordkasachstan verlief, und die Kaltfront in südlicher Richtung bis etwa 500 km südlich von Moskau. In der Nacht zog über die russische Stadt Nishnij Nowgorod eine Gewitterzelle hinweg, die bis zu den Morgenstunden 5 l/m² Regen mit sich brachte.

Der 14.06. zeigte das Tiefdruckgebiet FRANZI mit einem wieder leicht angestiegenen Kerndruck von knapp unter 1000 hPa. Das Zentrum der Zyklone war nochmals weiter nach Norden gezogen und befand sich nun am Rande der nördlichen finnischen Küste, unmittelbar am Ufer der Barentssee. Die Okklusionsfront des Tiefs FRANZI verlief von einem Punkt aus, der sich etwa 200 km östlich der Stadt Archangelsk befand, in einem nördlichen Bogen um das Druckgebilde herum bis zur russischen Stadt Perm, von wo aus sie sich wieder in eine Warm– und eine Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront verlief an diesem Tag geradlinig Richtung Südost, hinaus aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte, während sich die Kaltfront in einem westlichen Bogen bis ungefähr zur Stadt Nishnij Nowgorod erstreckte. Im russischen Kasan erfasste die Wetterstation Regenmengen von 7 l/m² zwischen 23 Uhr und 08 Uhr morgens. Über die Stadt Perm zog gegen 17 Uhr sogar ein Gewitter hinweg. 

Am 15.06. lag das Tief FRANZI dann mitten über der Barentssee, nachdem es sich mit seinem Kern erneut in nördlicher Richtung weiterbewegt hatte. Der Kerndruck des Druckgebildes hatte sich im Vergleich zum Vortag nicht verändert und lag erneut bei knapp unter 1000 hPa. Die Okklusionsfront verlief in einem nördlichen Bogen vom Zentrum aus bis zur Mitte der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja. An den dortigen Okklusionspunkt schloss sich jedoch nur eine Warmfront an, die über die südliche Karasee bis zum nördlichen russischen Festland reichte.

Der Kerndruck des mit seinem Zentrum zwischen der Inselgruppe Spitzbergen und der russischen Insel Nowaja Semlja liegenden Wirbels hatte sich am 16.06. mit einem Druckwert von etwas unter 1010 hPa weiter stabilisiert. Die Fronten des Tiefs FRANZI lagen an diesem Tag bereits außerhalb des Analysebereichs der Berliner Wetterkarte, wonach am darauffolgenden Tag das gesamte, lebhafte und sehr gewitterträchtige Druckgebilde aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte gezogen war.

 


Geschrieben am 03.07.2012 von Gregor Meusel

Berliner Wetterkarte: 13.06.2012

Pate: Adrian Pietruschka (www.trampolin-sport.org)