Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet FRANZ
(getauft am 10.03.2019)
Am 10.03.2019 wurde anhand der
Prognosekarte für 12 Uhr UTC, was 13 Uhr MEZ entspricht, des folgenden Tages
ein südlich von Island liegender Tiefdruckwirbel auf den Namen FRANZ getauft,
dessen Entwicklung und weitere Ausprägung bereits tags zuvor unterhalb eines
Troges kalter Luft, der in einer Höhe von etwa 5,5 Kilometern östlich vor
Nordkanada lag, begonnen hatte.
In einer westlichen
Höhenströmung eingebettet, verlagerte sich dieses Tief FRANZ im Laufe des 10.03.
von der Labradorsee nach Osten und befand sich gegen 00 Uhr UTC des 11.03. mit
einem Druck von knapp 990 hPa auf der Schnittlinie von Belfast mit Tasiilaq über
dem Nordatlantik und somit noch etwa 4500 Kilometer südwestlich von Island.
Teile der Warmfront des Wirbels waren bereits von der ihr nacheilenden
Kaltfront eingeholt worden, wodurch sich entlang derer eine Okklusionsfront hat
ausbilden können, die Eigenschaften beider Frontensysteme in sich vereint.
Diese befand sich nördlich des Kerns ausgehend bis zu ihrem Okklusionspunkt,
der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, der sich einige
hundert Kilometer östlich des Zentrums befand. Vom Okklusionspunkt erstreckte
sich anschließend die Warmfront weiter in südlicher bis südöstlicher Richtung
und die Kaltfront in südwestlicher Richtung über den Atlantik. Hebungsprozesse
im Kernbereich des Wirbels sowie entlang dessen Fronten hatten die Entwicklung
eines ausgeprägten Niederschlagsbandes zur Folge. Dieses verlagerte sich mit
dem Wirbel im Tagesverlauf nach Osten und traf alsbald auf die Küsten Islands
sowie auf die Britischen Inseln. Somit blieb über den Britischen Inseln der
bereits zuvor durch eine enge Folge von Tiefdruckausläufern geprägte wolken-
und regenreiche Witterungscharakter erhalten. Bis 06 Uhr UTC des nächsten
Morgens waren binnen 24 Stunden in Belfast 5,6 mm, am Flughafen von Cork 13,0
mm und am Observatorium Valentia 20 mm registriert worden. Besonders ergiebig
war der schauerartig verstärkte Regen im Nordwesten Englands und im Süden
Schottlands: Im Ort Eskdalemuir konnten Niederschlagsmengen von 38,0 mm, in
Shap von 46,6 mm und in Capel Curig bis zu 49,4 mm gemessen werden, wohingegen
in Island, welches vom südlich vorbeiziehenden Zentrum des sich rasch zu einem
Sturmtief verstärkenden Wirbels FRANZ nur gestreift wurde, zumeist nur unter
zwei Millimeter Regen oder Schneeregen in 24 Stunden fielen. Über Teilen
Irlands, Großbritanniens und der Nordsee erreichte der Wind zunehmend Sturm-,
in einigen besonders exponierten Lagen gar Orkanstärke. So registrierten die
Anemometer in Plymouth Sturmböen von 83,4 km/h, am Flughafen von Cork schwere
Sturmböen von 90,1 km/h und Lerwick sowie in Capel Curig orkanartige Böen von
105,6 km/h beziehungsweise 116,8 km/h. Volle Orkanstärke mit
Spitzengeschwindigkeiten von 131,6 km/h meldeten die Messstationen auf dem
englischen Great Dun Fell sowie mit bis zu 137,1 km/h am schottischen Bergpass
Bealach na Bà.
Auf seiner nordöstlichen Zugbahn
hatte sich das Tiefdruckgebiet FRANZ zum 12.03. Island genähert und lag mit
einem auf unter 955 hPa gefallenen Kerndruck mit seinem Zentrum südöstlich von
Reykjavík. Durch die stetig voranschreitende, auf die Warmfront auflaufende
Kaltfront hatte sich die Okklusionsfront des Wirbels weiter ausprägen können.
Sie reichte südlich des Kerns beginnend in einem weiten Bogen um das Zentrum
herum nach Südosten und hatte ihren Okklusionspunkt nahe der Nordspitze
Schottlands. Von dort zog sich die Warmfront weiter über Edinburgh, Manchester
und Plymouth in Richtung der Keltischen See, wohingegen die Kaltfront über
Glasgow, Dublin und Cork in südwestlicher Richtung auf den Atlantik hinaus verlief,
wo sie sich nahe der Azoren mit der Warmfront eines unbenannten Tiefs verband.
Mit Annäherung des Wirbels nahm auch der Wind über den Britischen Inseln und
der Nordsee stetig zu. Wurden Tags zuvor über Irland bereits vielerorts Böen
der Stärke 8 bis 9 auf der Beaufort Skala und vereinzelt auch darüber gemessen,
erreichte der vorwiegend westliche Wind nunmehr mit Windspitzen zwischen 90 und
100 Stundenkilometern verbreitet Stärke 10 bis 11. Am Malin Head im äußersten
Norden der Inseln wurden Orkanböen von 127,9 km/h registriert. Orkan- und
orkanartige als auch schwere Sturmböen wurden ebenfalls aus vielen Regionen im
Norden Großbritanniens gemeldet: Bei Glasgow erreichte der Wind
Spitzengeschwindigkeiten von 101,9 km/h, in Capel Curig von 113,0 km/h und in
Machrihanish von 120,5 km/h. Am Gebirgspass Bealach na Bà und auf dem Great Dun
Fell nahm der Wind ebenfalls zu. Hier konnten Böen bis 159,4 km/h an der
schottischen Passstraße, beziehungsweise bis zu 177,9 km/h an der Station auf
dem 848 Meter hohen nordenglischen Berg gemessen werden. Auch über Deutschland
frischte der Wind mit Annäherung der Frontenausläufer des sich im Tagesverlauf
Richtung Nordsee verlagernden Orkantiefs FRANZ deutlich auf. In Düsseldorf
wurden dabei mit Spitzenböen von 82,9 km/h Stärke 9 und in Geilenkirchen sowie
am Leuchtturm von Kiel mit 93,7 km/h beziehungsweise 97,3 km/h Windstärke 10
gemeldet. Neben dem in seiner Lage besonders exponierten Brocken wurden auch in
einigen Regionen im Südwesten Deutschlands Böen der Stärke 11 bis 12 gemessen,
so etwa auf dem Weinbiet (111,7 km/h) und auf dem Feldberg (126,1 km/h). Das
Niederschlagsband des Wirbels verlagerte sich zunehmend in den Nordseeraum und
weitete sich somit unter anderem auch auf Deutschland aus. Größere Regenmengen
fielen dabei 24-stündig jedoch hauptsächlich in den küstennahen Regionen
entlang der Deutschen Bucht. In Emden wurden innerhalb von 24 Stunden 5,0 mm,
in Schleswig 10,4 mm und in Leck 16,6 mm gemessen. Ähnliche Niederschlagswerte
wurden auch entlang des Ärmelkanals registriert. Beispielsweise fielen in
Rotterdam 5,3 mm, in Saint-Brieuc 9,7 mm und in Bournemouth 12,4 mm. Intensiver
waren die Niederschläge im Bereich der sich stetig weiter entwickelnden und
sich mit ihrem Schwerpunkt von Schottland nach Südskandinavien verlagernden
Okklusionsfront ausgeprägt. Über der Nordsee verloren die Niederschläge zwar
leicht an Stärke, fielen aber dennoch über Südskandinavien weiterhin recht
ergiebig aus. Ehe die Niederschläge im Wesentlichen aus Großbritannien abzogen,
fielen vierundzwanzigstündig am Loch Glascarnoch noch 25,4 mm, in Shap 31,2 mm
und in Aviemore 46,6 mm. In Malmö konnten im selben Zeitraum 23,2 mm, am
Flughafen von Billund 26,5 mm und an der Station Eik Hove 49,2 mm gemessen
werden. Die Messstation im norwegischen Innerdalen registrierte gar bis zu 77,6
mm in 24 Stunden.
Im Laufe der Nacht war das
Orkantief FRANZ nunmehr über den Norden Schottlands hinweggezogen und befand
sich gegen 00 Uhr UTC des 13.03. nahe der Stadt Aberdeen vor der Ostküste des
Landes. Seine Warmfront war in der Zwischenzeit vollständig von der ihr
nacheilenden Kaltfront eingeholt worden. Die daraus resultierende,
weitreichende Okklusionsfront erstreckte sich vom Zentrum des Wirbels, in
dessen Kern der Druck auf unter 975 hPa gestiegen war, zunächst über die
Shetlandinseln hinweg nach Norden und anschließend in einem Bogen über Bergen,
Berlin, Bern und Barcelona nach Südwesten. Ab Madrid den Charakter einer
Kaltfront annehmend reichte sie anschließend weiter über Lissabon auf den Atlantik
hinaus. Im Tagesverlauf bildete sich im Bereich der nach Norden vordringenden
Okklusionsfront über dem Nordmeer ein weiterer, dem Sturmtief FRANZ zugehöriger
Kern aus. Während der südlichere der beiden Kerne sich über die Nordsee in
Richtung Dänemark und Südschweden verlagerte, verblieb dieser, etwas schwächer
ausgeprägte nördlichere Kern in seiner Lage annähernd stationär vor Norwegen,
westlich von Trondheim liegen. Zwar waren die Niederschläge in dessen Bereich
allgemein geringer ausgeprägt, konnten aber dennoch lokal recht ergiebig
ausfallen. In Schnee übergehende Regenschauer brachten innerhalb von 24 Stunden
in Trondheim 0,8 mm mit sich und wurden an den übrigen Stationen der Regionen
zumeist zwischen einem und vier Millimetern gemessen, waren im selben Zeitraum
in der knapp 200 Kilometer von Trondheim entfernten Kommune Namsskogan 17,6 mm
gefallen. Auch im Einflussbereich des südlicheren, sich im Tagesverlauf nach
Göteborg verlagernden Kerns verloren die Niederschläge auf ihrem Weg über die
Nord- und Ostsee ebenfalls allmählich an Intensität: Waren in Bergen durch
Regen- und vereinzelte Schneeregenschauer je nach Stadtlage noch zwischen 12,4
und 17,3 mm gefallen, wurden durch anhaltenden, teils schauerartig verstärkten
Regen auf schwedischer Seite in Ullared 11,1 mm, in Göteborg 7,7 mm und durch
wiederholten, überwiegend leichten Regen in Malmö 1,9 mm in 24 Stunden
registriert. Über Mitteleuropa zogen die Niederschläge entlang der
Okklusionsfront unter einsetzender Auflösung zwar über Polen in Richtung
Baltikum ab, doch folgte ihnen aus Westen ein ausgeprägter Bodentrog, der sich
vor allem auf Belgien und den Westen Deutschlands auswirkte und ergiebige
Schauer und lokale Gewitter mit sich brachte. In der Meteorologie bezeichnet
der Begriff des Bodentroges ein Gebiet geringeren Luftdrucks ohne Ausbildung
einer Zyklone. In der Kleinstadt Roetgen, südlich von Aachen an der Grenze zu
Belgien gelegen, entwickelte sich in Folge sogar eine Windhose. In Aachen
selbst wurden innerhalb von 24 Stunden stürmische Böen bis 72 km/h begleitet von
13,6 mm Regen, in Lüdenscheid bei Böen der Stärke 7 15,3 mm und im belgischen
Retie, in dem der Wind ebenfalls in Spitzen Stärke 7 erreichte, 18,0 mm
registriert. Zum Vergleich: Sturmböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 75,6 km/h,
gemessen am Flughafen von Schönefeld, wurden zwar auch im Großraum Berlin
registriert, jedoch fielen hier durch zumeist leichten Regen lediglich zwischen
0,8 und 1,7 mm. Auch wenn in einigen Regionen Großbritanniens, wie in Capel
Curig oder auf dem Great Dun Fell, bis in die Morgenstunden des 13.03.
weiterhin Orkanböen gemessen wurden, beruhigte sich das Wettergeschehen der
Region nachfolgend etwas. Diese Wetterberuhigung war jedoch nur von kurzer
Dauer. Bereits in den Abendstunden kündigten sich die Ausläufer des auf den
Orkanwirbel FRANZ folgenden Islandtiefs GEBHARD an, wodurch der wechselhafte
Witterungscharakter in der Region seine Fortsetzung fand.
Gegen 00 Uhr UTC des 14.03. lag
der sich zunehmend auflösende Tiefdruckwirbel FRANZ mit seinen beiden Teiltiefs
über Südskandinavien. Vom nördlichen Kern, der sich mit einem Druck von knapp
985 hPa weiterhin über dem Nordmeer vor Westnorwegen befand, zog sich eine
Okklusionsfront über Trondheim und Sundsvall nördlich am nahe Göteborg
liegenden südlicheren Kern vorbei zur estnischen Hauptstadt Tallinn. Ab Tallinn
nahm diese nur noch geringfügig wetteraktive Okklusionsfront am Boden den
Charakter einer Warmfront an und reichte anschließend über Minsk in
südwestlicher Richtung weiter bis in den Osten Ungarns. Der einstige
Orkanwirbel schwächte sich im Laufe der Morgenstunden weiter ab. Er ging im
weiteren Tagesverlauf alsbald in den von Westen rasch folgenden Tiefdruckkomplex
GEBHARD über, der nachfolgend zusammen mit dem Tief HEINZ für West- und
Mitteleuropa wetterbestimmend wurde. Somit war der Morgen des 14.03. der letzte
Tag an dem das Tiefdruckgebiet FRANZ auf der Berliner Wetterkarte als
eigenständiger Wirbel analysiert und namentlich auf jener verzeichnet werden
konnte. Letzte ihm direkt zuzuordnende Niederschläge konzentrierten sich im Wesentlichen
noch auf Polen, das Baltikum sowie, zunehmend in Schnee übergehend, auch auf
Finnland und den Norden Schwedens. Größere Niederschlagsmengen wurden jedoch
zumeist nicht mehr registriert. In Stettin fielen zwölfstündig zwei, in
Katowice vier und in Lyntupy in Weißrussland gut fünf Millimeter. Länger
hielten sich die Niederschläge noch im nördlichen Ostseeraum und über Finnland,
wobei auch hier die Regen- und Schneemengen zumeist nur noch schwach ausgeprägt
waren. Innerhalb von 24 Stunden waren in Tallinn 1,4 mm, Norsjö (Schweden) 3,5
mm und in in Vaasa 6,4 mm gefallen. Eine Ausnahme bildete Lappland: Anhaltender
Schneefall führte in vielen Regionen oftmals zwischen 5 und 10 mm, im
finnischen Tornio 14,3 mm und im schwedischen Nattavaara sogar noch bis zu 15,6
mm an Niederschlag mit sich.