Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet FRIEDERIKE

(getauft am 31.05.2016)

 

Ende Mai wurde das gegenwärtige Wettergeschehen in Zentraleuropa von einem Höhentiefkomplex über dem südlichen Mitteleuropa bestimmt. In dessen Bereich sorgten feuchte und labil geschichtete Luftmassen und zusätzlich Warmlufteinschübe von Osten her an der Nordflanke des in 5,5 km befindlichen Höhentiefs für Hebung und Labilisierung, so dass sich immer wieder zum Teil unwetterartige Gewitter mit ergiebigen Regenmengen bilden konnten. Bei einer labilen Luftmasse kühlt sich die Umgebung schneller als das Luftpaket ab, wodurch das warme Luftpaket aufgrund seiner geringeren Dichte ungehindert aufsteigen kann und dadurch die Wolken- und Gewitterbildung durch Konvektion begünstigt. Am letzten Maitag standen sich in der Höhe im 500-hPa-Niveau ein Höhenhoch über der Ostsee und dem Bottnischen Meerbusen und ein Höhentief über Frankreich gegenüber. Korrespondierend dazu befand sich ein Tiefdruckgebiet namens ELVIRA im Bodenniveau über Mitteleuropa, welches sich in der vergangenen Nacht von den Alpen Richtung Ostfrankreich verlagerte und somit das Hauptniederschlagsfeld auf den Norden und Nordosten Deutschlands konzentrierte. Mit dem Durchgang einer Schauer- und Gewitterkette von der Oder über den nördlichen Berliner Raum bis in die Niederlande und Belgien fielen innerhalb von 3 Stunden bis 15 Uhr UTC, also 16 Uhr MEZ, ergiebige  Regenmengen von bis zu 12 mm an der nördlich gelegenen Berliner Station Karow. Am gleichen Tag bildete sich in den Abendstunden am Übergang der Kalt- in die Warmfront entlang der wellenden Front des Tiefs ELVIRA durch eine Störung ein noch unbenanntes Wellentief. In den folgenden Tagen sollte dieses Wellentief mit Kurs auf Deutschland beträchtlichen Einfluss auf die Wetterabläufe besonders im Süden Bayerns nehmen. Daher wurde es am 31. Mai um 00 Uhr UTC von der Berliner Wetterkarte in der Prognose für den Folgetag auf dem Namen FRIEDERIKE getauft.

Am 1. Juni tauchte es erstmalig im Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte mit einem Kerndruck von ca. 1012 hPa, also relativ schwach ausgeprägt, über dem Dreiländereck Österreich-Tschechien-Slowakei auf. Da es sich aus einer Wellenstörung von Tief ELVIRA entwickelte, wird es auch als Wellentief bezeichnet. Ein Wellentief ist ein relativ schmales Tiefdruckgebiet an einer wellenförmig deformierten Front ohne zyklonal rotierenden Kern. Im Laufe des Tages spaltete sich das Tief ELVIRA vom Tief FRIEDERIKE ab und löste sich in einer Nord-Süd-Bewegung, verursacht durch ein Hoch über dem nordostatlantischen Ozean, rasch auf. So zog das nun eigenständige Tiefdruckgebiet FRIEDERIKE nur langsam an der Nordflanke des umfangreichen Höhentiefs über dem Mittelmeerraum mit Schwerpunkt über den Alpen retrograd, also von Osten nach Westen, im Tagesverlauf über Mitteldeutschland hinweg. Dabei sorgte es mit seinem Frontensystem für eine Zweiteilung des Landes hinsichtlich der Temperaturen. Während im Norden und Nordosten eine subtropische Luftmasse südeuropäischen Ursprungs für schwül-warme 23 bis 28°C sorgte, blieb es im Süden Deutschlands mit 16 bis 22 °C, verursacht durch eine subpolare Luftmasse, deutlich kühler. Auch in der Anzahl der Sonnenstunden spiegelten sich die Temperaturunterschiede wieder. Dabei wurden im warmen Norden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern eine Sonnenscheindauer von 8 bis 12 Stunden verzeichnet, in Mittel- und Süddeutschland war es durch die Wolkenanhäufung durch Tief FRIEDERIKE deutlich bedeckter und die Sonne ließ sich vielerorts gar nicht oder nur bis 4 Stunden wie z.B. in Augsburg, Leipzig oder auch in Berlin blicken. Durch starke Hebungsprozesse und ausgeprägte Labilisierung der Luftmassen führte das Frontensystem des Tiefs FRIEDERIKE in Kombination mit denen von Tief ELVIRA zu teils unwetterartige Gewitter mit enormen Regenmengen in kurzer Zeit. So gab es beispielsweise in Göttingen an diesem Tag zwischen 14 und 15 Uhr UTC 23,8 mm Niederschlag, am Hannoveraner Flughafen ebenfalls in einer Stunde 18,4 mm und in der Stadt Nürburg-Barweiler konnte sogar eine extrem hohe 2-stündige Niederschlagsmenge durch Starkregen in der Nacht auf den 2. Juni zwischen 23 und 01 Uhr UTC von 38,1 mm vermerkt werden. Regionen wie Nieder- und Oberbayern sowie Oberösterreich, das Salzburger Land und Tirol fielen am vorherigen Tag durch Dauerregen über viele Stunden mit vereinzelt unwetterartig verstärkten Regenfällen auf. So konnte man im bayerischen Fürstenzell 38 mm, im österreichischen Linz 34 mm und im Tiroler Ried sogar 65 mm Niederschlag verzeichnen.

Um 00 Uhr UTC des 2. Juni befand sich das Tief FRIEDERIKE als eigenständiges, wenn auch nur schwach ausgeprägtes, Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von etwa 1010 hPa über dem Ruhrgebiet. Während die zugehörige Warmfront südwestwärts vom Kern ausging und sich über Nordfrankreich bis zur Biskaya erstreckte, verlief die nur kurze Kaltfront über Deutschland hinweg, bis sie zwischen Nürnberg und Prag in eine Warmfront eines unbenannten Wellentiefs über Osttschechien überging. Trotz der schwachen Ausprägung des Bodentiefs FRIEDERIKE reichten die Hebungsvorgänge in der feucht-warmen Luftmasse aus, um Gewitter mit stellenweisem Unwettercharakter in Form von Starkregen und Hagel zu produzieren. So fielen in den vorangegangenen 24 Stunden vielerorts in der Mitte Deutschlands beträchtliche Regenmengen zwischen 16 und 35 mm, in Köln sogar 47 mm und in Nürburg-Barweiler 52 mm. Die größten Niederschlagsmengen waren allerdings erneut im österreichischen-bayerischen Grenzraum zu finden. In der Stadt Salzburg konnten 24-stündige Niederschlagsmengen bis 00 Uhr UTC des 2. Juni in Höhe von 102 mm gemessen werden. Nur in Ranshofen, eine Gemeinde bei Braunau am Inn, wurde eine noch höhere Regenmenge von 115 mm registriert. Die aufsummierten Niederschlagsmengen der letzten Tage in dieser Region führten zu lokalen Überschwemmungen entlang des Inns.

Diese Wetterlage änderte sich auch in den darauffolgenden Tagen kaum. Über Zentral- und Mitteleuropa hielt sich weiterhin in einer Höhe von 5,5 km ein ausgedehnter und hoch reichender Tiefdruckwirbel, welcher aber wie das dazugehörige Bodentief FRIEDERIKE nur schwach ausgeprägt war. Das Tief FRIEDERIKE befand sich am 3. Juni um 00 Uhr UTC südöstlich von Prag und besaß zu diesem Zeitpunkt nur noch den Tiefdruckkern ohne ein dazugehöriges Frontensystem. Dennoch führte die dort gelagerte feucht-labile Luftmasse weiterhin besonders über dem südlichen und zentralen Deutschland immer wieder zu kräftigen Gewittern mit Starkregen. Während der Norden Deutschlands einschließlich der Küstengebiete zunehmend unter dem Einfluss des blockierenden Hochdruckgebietes TOBIAS mit Zentren über Island und dem Nordmeer gelang, welches verbreitet für niederschlagsfreie Sommertage über 25°C mit Sonnenscheindauern von mehr als 15 Stunden sorgte, gab es in den restlichen Landesteilen Deutschlands verbreitet weitere Starkregenfälle mit einzelnen Gewittern, die zum Teil auf engem Raum recht unterschiedliche Niederschlagsmengen hervorbrachten. Sachsen-Anhalt und Sachsen wiesen mitunter die größten Niederschlagssummen auf. Auf dem Brocken fielen innerhalb von 24 Stunden bis 00 Uhr UTC des 3. Juni 45 mm und in Wernigerode konnten sogar 61 mm im selben Zeitraum verzeichnet werden. Auch der Süden Deutschlands und der Norden Österreichs, insbesondere Südbayern, Salzburg sowie Oberösterreich, wurden von weiteren unwetterartigen Regenfällen beeinflusst. So kamen in Regensburg 36 mm, in Wolfsegg 22 mm und in Mühldorf am Inn immerhin noch 18 mm bei 5 Sonnenstunden zusammen. Im Raum von Augsburg und weiter südlich wurden bis zum Abend um 18 Uhr UTC nur wenige Millimeter Regen gemessen, während am Hohenpeißenberg in Südbayern innerhalb von 6 Stunden bis 18 Uhr UTC, ausgelöst durch ein schweres Gewitter mit Hagel um 15 Uhr UTC, eine Niederschlagshöhe von 61 mm registriert wurde. In der darauf folgenden Nacht verlagerte sich der Schwerpunkt der Schauer- und Gewittertätigkeit mehr in den Südwesten Deutschlands, in Richtung Odenwald und Schwarzwald. So wurden zum Nachttermin um 00 Uhr UTC des 4. Juni in einem Zeitraum von 12 Stunden auf dem Feldberg im Schwarzwald eine Niederschlagsmenge von 21 mm registriert. Aber auch am Flughafen Köln/Bonn, im oberfränkischen Coburg sowie am Münchener Flughafen wurden unter anderem im gleichen Zeitraum ebenso ergiebige Regenmengen von 15 bis 18 mm gemessen.

In den Folgetagen breitete sich das Hochdruckgebiet TOBIAS in Richtung Skandinavien aus und der zentraleuropäische hochreichende Tiefdruckwirbel löste sich zunehmend auf. Somit schwächte sich auch das Bodentief FRIEDERIKE mehr und mehr ab und in ganz Deutschland setzte sich wieder trockeneres Frühsommerwetter durch, was in vielen Landesteilen, aber vor allem im bayerisch-österreichischen Raum, für ein Ende der steigenden Pegelstände sorgte. Um 00 Uhr UTC des 4. Juni lag das Tief FRIEDERIKE unverändert weiterhin stationär über Deutschland, in etwa auf Höhe von Stuttgart. Auch im Tagesverlauf verlagerte sich die abgeschwächte Tiefdruckzelle mit einem Kerndruck von 1011 hPa kaum. Von den synoptischen Stationen des Deutschen Wetterdienstes meldeten Freudenstadt, der Feldberg und Freiburg mit 22 mm, 26 mm und 28 mm die höchsten 24-stündigen Niederschlagsmengen bis 00 Uhr UTC des Folgetages. Doppelt so hoch waren die Niederschlagsmengen im Salzburger Land, wo der Flughafen von Salzburg bis zum gleichen Termin 44 mm meldete. Im Norden Deutschlands gab es dagegen bedingt durch Hoch TOBIAS erneut viel Sonnenschein, wobei man an der Nord- und Ostseeküste örtlich mehr als 16 Stunden registrierte, während in der Südhälfte gebietsweise nur 1 bis 2 Stunden verzeichnet wurden.

Am Folgetag lag das kleine Höhentief mit seinem Zentrum noch immer unverändert über der Schweiz. Dennoch stieg der Druck in diesem Niveau dort leicht an, was dafür spricht, dass sich das Tief zunehmend abschwächt und in den nächsten Tagen nicht mehr als eigenständiges Höhentief, sondern nur noch als Höhentrog, also ein Kaltluftvorstoß nach Süden, erkennbar sein wird. Am 5. Juni sorgte Tief FRIEDERIKE in der Südhälfte Deutschlands noch einmal für weitere, teils schwere Gewitter, mit Starkregen. Somit meldeten mehrere Stationen mehr als 20 mm Niederschlag innerhalb 24 Stunden bis zum Nachttermin des Folgetages. So auch der Flughafen in Salzburg, der eine Niederschlagsmenge von 25 mm verzeichnete.

Im Laufe des Tages löste sich das auf bereits 1015 hPa abgeschwächte Tief FRIEDERIKE gänzlich auf. Infolgedessen konnte das Tief FRIEDERIKE am 5. Juni das letzte Mal als eigenständiges Tiefdruckgebilde auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden. Durch die durchgängig feucht-labile Schichtung der Luftmassen und die stationäre Lage des Tiefs über Deutschland besaß dieses Tief enormes Unwetterpotential, was besonders in Südbayern zu ergiebigen Niederschlagsmengen führte.

 


Geschrieben am 08.08.2016 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 02.06.2016

Pate: Friederike Gauert-Held