Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
FÜRCHTEGOTT
(getauft
am 04.05.2021)
Im
Laufe des 03.05.2021 begann sich über dem Atlantik im Grenzbereich zwischen
polarer Kaltluft im Norden und subtropischen Luftmassen im Süden entlang des
sich wellenförmig deformierenden Frontensystems des Großbritannientiefs EUGEN
ein neuer Tiefdruckwirbel zu formieren, der anhand der Analysekarte für 00 UTC
des 04.05. auf den Namen FÜRCHTEGOTT getauft wurde. Sein Zentrum befand sich zu
diesem Zeitpunkt mit einem Druck von unter 1015 hPa auf der gedachten
Schnittlinie von Reykjavík und London. Von seinem Kern ausgehend erstreckten
sich 3 Fronten über den Atlantik: Eine sich westlich der Bretagne mit dem
Frontensystem des Tiefs EUGEN verbindende Warmfront erstreckte sich gen Osten,
eine Kaltfront in einem Bogen nach Südwesten, sowie eine Okklusionsfront nach
Nordwesten. Eine Okklusionsfront beschreibt dabei den Zusammenschluss einer
Warm- mit der ihr nachfolgenden Kaltfront und ist häufig durch ergiebige
Regenfälle gekennzeichnet. Südlich des steuernden Großbritannienwirbels EUGEN
wurde Tief FÜRCHTEGOTT zügig nach Osten geführt und überquerte dabei zunächst den
Norden Frankreichs. Hebungsprozesse
im Kernbereich des Wirbels als auch entlang seines sich ausprägenden
Frontensystems ließen dabei die bodennahen, feuchten Luftmassen in deutlich
kühlere Luftschichten aufsteigen, was die Entwicklung eines markanten Niederschlagsfeldes
zur Folge hatte. Dieses traf bereits in den Vormittagsstunden auf die Küsten
Frankreichs und weitete sich anschließend auf den westlichen Alpenraum aus.
Beim Auftreffen der Luftmassen auf das sie blockierende Gebirge und dem damit
einhergehenden erzwungenen Aufgleiten sowie durch Stauprozesse erfuhren die
Niederschläge dort noch zusätzliche Intensivierung. Während es in Paris trotz
dichter Wolkenfelder mit 0,2 mm annähernd trocken blieb, führte der
aufziehende, teils schauerartig verstärkte Regen innerhalb von 24 Stunden bei
Nancy 12,3 mm, in Besançon 20,8 mm und in Romorantin bis zu 27,6 mm mit sich.
An der Südflanke des Großbritannientiefs EUGEN hatte der Wind bereits tags
zuvor deutlich aufgefrischt und hielt auch im Einflussbereich des aufziehenden
Tiefs FÜRCHTEGOTT weiter an. Entlang der Küsten, als auch in exponierten Lagen
der Gebirge, konnten schwere Sturmböen der Stärke 10 gemessen werden. So
beispielsweise in Colmar (Elsass) mit Spitzengeschwindigkeiten von 90,1 km/h
oder bei Boulogne-sur-Mer am Ärmelkanal mit 100,9 km/h. In der vorangegangenen
Nacht traten entlang des Ärmelkanals am Rande des Tiefs EUGEN vereinzelt auch
Orkanböen auf. Ab den Mittagsstunden griffen die Ausläufer des sich aus Westen
nähernden Wirbels FÜRCHTEGOTT auch auf Deutschland über. Zusammen mit den
ebenfalls aufziehenden Niederschlägen des Tiefs EUGEN wurden dabei vor allem im
Nordwesten sowie in Teilen Baden-Württembergs vielerorts Regenmengen über 15 mm
in 24 Stunden gemessen. So Beispielsweise in Emden mit 14,9 mm, in Schleswig
mit 23,2 mm oder aber in Freudenstadt mit bis zu 25,4 mm, wobei das Gros der
Niederschläge in oftmals unter 12 Stunden fiel. Der Wind erreichte mit Böen
zwischen 60 und 70 Stundenkilometern vielerorts Stärke 8. Am Leuchtturm Alte
Weser in der Deutschen Bucht sowie auf dem Weinbiet wurden mit
Geschwindigkeiten von 104,5 beziehungsweise 115,3 km/h auch orkanartige- und
auf dem Feldberg sowie dem Brocken mit 122,5 und 136,9 km/h sogar Orkanböen
beobachtet. Mit dem Kaltfrontdurchgang des Tiefdruckkomplexes EUGEN-FÜRCHTEGOTT
war ebenfalls ein markanter Temperaturrückgang verbunden. Stieg die Temperatur
vor ihrem Eintreffen in Süddeutschland noch auf Höchstwerte um oder knapp unter
20°C, vermochte das Quecksilber in der hinter der Front einfließenden maritimen
Polarluft die 10°C-Marke nur knapp zu überschreiten. Wurde in Regensburg ein
Höchstwert von 18,2°C und in Simbach am Inn von 20°C gemessen, wurden in
Saarbrücken maximal 9,8°C und in Schleswig 11,9°C erreicht.
Bis
00 UTC des 05.05. hatte sich das Zentrum des sich verstärkenden Tiefs
FÜRCHTEGOTT nach Süddeutschland verlagert. Es befand sich mit einen auf 1010
hPa gefallenen Druck nahe des Bodensees und damit auch weiterhin südlich des
ihn steuernden Zentraltiefs EUGEN. Eine nordöstlich des Kerns ausgehende
Warmfront verband sich über Bayern mit dem Frontensystem des nach Dänemark
gezogenen Zentraltiefs, die ihr folgende Kaltfront erstreckte sich dagegen
südwestlich des Kerns beginnend über Genf und Bordeaux in Richtung der Azoren.
Während der Norden Deutschlands im Einflussbereich des Wirbels EUGEN lag, war
Tief FÜRCHTEGOTT für Süddeutschland und den Alpenraum wetterbestimmend
geworden, sodass in weiten Regionen Mitteleuropas ein windiger und durch teils
ergiebige Niederschläge geprägter Wettercharakter dominierte. Zwar hatte der
Wind leicht nachgelassen, orkanartige Böen wurden nur noch auf dem Brocken
registriert, doch erreichte der vorwiegend aus West kommende Wind bis auf
wenigen Ausnahmen nunmehr an fast allen Messstationen Deutschlands in Böen
Stärke 8 bis 9. Schwere Sturmböen der Stärke 10 wurden im Bereich der Deutschen
Bucht als auch in Teilen Brandenburgs und Sachsens sowie Bayerns und
Baden-Württembergs beobachtet. So maßen die Anemometer in Chemnitz und
Ingolstadt Spitzengeschwindigkeiten von jeweils 93,7 km/h, in Potsdam sowie am
Leuchtturm Alte Weser je 100,9 km/h und auf dem Brocken orkanartige Böen bis
108,1 km/h. Die Niederschläge hielten ebenfalls weiter an. Während in der Mitte
des Landes anhaltender, leichter und lokal auch schauerartig verstärkter Regen
zumeist zwischen einem und sechs Millimetern brachte, waren im Umfeld der
Deutschen Bucht in Itzehoe 14,0 mm, bei Kiel 14,9 mm und in Schleswig 17,0 mm
gefallen. Auch wenn der schauerartige und teils auch gewittrige Regen im
Alpenraum mitunter intensiver ausgeprägt war, wurden aufgrund der zügigen
Ostverlagerung des Tiefs FÜRCHTEGOTT mit samt seinen Ausläufern Regenmengen wie
am Vortag nur selten beobachtet: In Chieming waren vierundzwanzigstündig 10,3
mm und in Oberstdorf 11,3 mm gemessen. Ähnliche Messwerte wurden auch aus der
Schweiz und Österreich gemeldet: In Ranshofen waren 10,0 mm, bei Gersau 14,2 mm
und auf dem Feuerkogel 15,6 mm gefallen. Auf den Säntis waren es dagegen 19,6
mm und in Kalwang sowie in Eisenstadt bis zu 20,0 mm. Der Westwind erreichte
auch im Alpenraum vielerorts Böen der Stärke 8 bis 9 und wie auf dem Feuerkogel
oder dem Säntis mit Geschwindigkeiten von 104,5 km/h beziehungsweise 114,9 km/h
in exponierten Lagen auch Stärke 11. Das Niederschlagsband des Wirbels schritt
im Tagesverlauf über die Slowakei und Südpolen nach Nordosten voran. Die
einsetzenden schauerartigen Niederschläge und lokale Gewitter brachten dabei
auch dort mancherorts Regenmengen zwischen 10 und 15 mm und örtlich auch über
20 mm in oftmals unter 24 Stunden. Die hinter der Kaltfront nach Deutschland
eingeflossene Kaltluft konnte sich unter schwachen Zwischenhocheinfluss leicht
erwärmen. In den meisten Regionen stieg die Temperatur auf Maximalwerte
zwischen 10°C und 12°C. Am wärmsten war es noch in Brandenburg sowie in Teilen
Bayerns. So wurde die höchste Temperatur des Tages in Regensburg mit 14,9°C
gemessen, gefolgt von Cottbus mit 14,7°C. Am kühlsten war es weiter entlang der
Küsten. In Rostock stieg das Quecksilber auf maximal 9,3°C und in Ostenfeld bei
Schleswig auf lediglich 7,4°C.
An
der Südflanke des sich nach Südschweden verlagernden, sich jedoch zunehmend
abschwächenden Tiefs EUGEN wurde der Tiefdruckwirbel FÜRCHTEGOTT rasch weiter
nach Osten gelenkt und befand sich mit weiter fallenden Druck am 06.05. bereits
über Weißrussland, nahe Minsk. Er hatte damit innerhalb von nur 24 Stunden eine
Strecke von gut 1400 Kilometern zurückgelegt, sein Kerndruck war währenddessen
auf unter 1000 hPa gefallen. Von seinem Zentrum zog sich gegen 00 UTC sowohl
eine Warmfront nach Norden, die bei St. Petersburg in das Frontensystem des
sich im Tagesverlauf auflösenden Tiefs EUGEN überging, als auch eine Kaltfront
über die westliche Ukraine und Rumänien nach Serbien. Dort verband sie sich
anschließend mit dem Frontensystem eines kurzlebigen, flachen Bodentiefs bei
Genua, welches sich am Vorabend am Rande des Tiefs FÜRCHTEGOTT hat entwickeln
können, sich im Tagesverlauf jedoch wieder auflöste. Für Mitteleuropa wurde der
vom Atlantik aufziehende Wirbel GREGOR wetterbestimmend, wodurch sich in
Deutschland auch nach Abzug des Tiefs FÜRCHTEGOTT der wechselhafte
Wettercharakter fortsetzte. Das ihm zuzuordnende Niederschlagsband erstreckte
sich mit seinen höheren Intensitäten nunmehr von Südfinnland bis in den Norden
der Ukraine und zog im Laufe des Tages mit dem Tief in den Westen Russlands.
Über Russland verloren die Niederschläge dabei allgemein an Intensität und
gingen zunehmend in Schnee über. Dennoch konnten sie vor allem im Bereich des
nach Norden abdrehenden Kerns sowie entlang seiner sich ausprägenden
Okklusionsfront lokal weiter recht ergiebig ausfallen: Waren im westlich von
Moskau gelegenem Gagarin 4,0 und in St. Petersburg 8,0 mm gefallen, wurden
weiter nördlich durch schauerartigen Schnee oder Schneeregen aus Kalewala 16,0
mm und aus Reboly 23,0 mm gemeldet. Ehe der schauerartige Regen aus dem
Baltikum abzog, wurden in Litauen und Lettland zumeist um oder unter 5 mm
registriert, in Rucava und Telsiai waren es jeweils noch knapp 9 mm und im
weißrussischen Vitebsk 11,9 mm. Etwas ergiebiger gestalteten sich die
Niederschläge dagegen in Estland. Im Zusammenspiel mit dem über die Ostsee
aufziehenden und sich über Estland auflösenden Tiefs EUGEN, dessen
Niederschlagsfeld sich im Tagesverlauf mit jenem des Tiefs FÜRCHTEGOTT
vereinigte, waren bei Viljandi 11,1 mm, in Tallin 14,4 und an der Station
Kuusiku noch bis zu 22,5 mm gefallen. Der Wind begann zwar ebenfalls zögerlich
nachzulassen, konnte aber dennoch entlang der Ost- und Nordflanke weiterhin in
Böen Stärke 7 bis 8 sowie in exponierten Lagen auch Stärke 9 erreichen.
Mit
einem Druck von nunmehr 990 hPa befand sich das Tief FÜRCHTEGOTT um 00 UTC des
07.05. südlich des Weißen Meeres über Nordrussland und hatte die Reste des
Wirbels EUGEN, an dessen Rande es sich hat einst entwickeln können, in seine
Zirkulation aufgenommen. Teile seiner nach Norden voranschreitenden Warmfront
waren von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt worden. Die daraus
resultierende Okklusionsfront erstreckte sich nördlich seines Kerns bis zu
ihrem Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander
übergehen, bei Archangelsk. Von dort reichte die Warmfront weiter über den
Norden Russlands bis an das Uralgebirge nahe Perm, als auch eine Kaltfront in
einem weiten Bogen über Woronesch (Westrussland) und Sewastopol (Krim) über das
Schwarze Meer in Richtung der Donaumündung. Über Rumänien verband sie sich
anschließend mit der Warmfront des vom Atlantik nach Tschechien gezogenen und
sich zunehmend Richtung Russland verlagernden Tiefs GREGOR. Während die
Niederschläge im Bereich der gen Ural schreitenden Kaltfront an Intensität
weitgehend nachgelassen hatten und Regenmengen jenseits der 5 mm Marke die
Ausnahme bildeten, fielen sie trotz ebenfalls einsetzender Abschwächung an der
Nordflanke des in den äußersten Norden Russlands ziehenden Wirbels etwas
ergiebiger aus. Waren im Raum Vologda um 3 mm und in Syktywkar gar nur einzelne
Tropfen gemessen worden, brachte anhaltender Schneefall im nordnorwegischen
Hammerfest 5,0 mm, in Monchegorsk südlich von Murmansk 8,0 und an der
finnischen Station Saariselka 11,2 mm. Der einst stürmische Wind flaute im
Tagesverlauf ab. Lediglich im Norden blieb der böige Wettercharakter erhalten.
Der dort aus östlichen Richtungen kommende Wind erreichte mit Spitzen zwischen
40 und 60 Stundenkilometern von der Kola-Halbinsel über Lappland bis in den
äußersten Norden Norwegens vielerorts Stärken 7 bis 8. Sturmböen der Stärke 9
wurden hingegen nur noch vereinzelt in der Finnmark registriert: So auf dem
Iskoras oder am Leuchtturm der vorgelagerten Insel Fruholmen mit jeweils 75,6
km/h.
Um 00 UTC des
08.05. befand sich das Zentrum des Tiefs bei Murmansk, im äußersten Norden
Russlands. Entlang seiner sich weiter ausprägenden Okklusionsfront hatte
Kaltluft begonnen in den Kern des Tiefs einzufließen und somit den Wirbel
langsam aufzufüllen. Sein Druck war in der Zwischenzeit auf 995 hPa leicht
angestiegen. Jene Okklusionsfront erstreckte sich östlich des Kerns beginnend
bis zu ihrem Okklusionspunkt nahe Nischnjaja Pjoscha, nordöstlich von
Archangelsk. Kaum noch wetterwirksam zog sich von dort eine Warmfront nach
Südosten und eine Kaltfront in einem Bogen nach Südwesten. Nahe seines Kerns
hielten die leichten Schneefälle weiter an. Teils mit Regen durchmischt und von
Böen der Stärken 6 und 7 begleitet waren in Tromsø 3,7 mm und in Andøya 8,6 mm
gefallen. Auf Tief FÜRCHTEGOTT folge alsbald der Wirbel GREGOR, der erneut
teils intensive Niederschläge in die Region führte. Zum Vergleich: Waren in
Murmansk in 24 Stunden lediglich 0,9 mm registriert worden, führten die am
Rande des Tiefs GREGOR aufziehenden Schneeschauer im nur knapp 130 Kilometer
südöstlich davon gelegenem Lowosero binnen 12 Stunden 12,0 mm mit sich.
Mit
einem auf 1005 hPa angestiegenen Kerndruck lag das Zentrum des in
vorangeschrittener Auflösung befindlichen Tiefs FÜRCHTEGOTT am 09.05. über
Nordnorwegen, unweit von Tromsø. Seine Okklusionsfront verband dessen Kern in
nordöstlicher Richtung mit einem neuen, unbenannten Tief mit Zentrum südlich
der arktischen Doppelinsel Nowaja Semlja, welches sich im Laufe des
vorangegangenen Tages entlang seines Frontensystems hat entwickeln können. Der
einstige Sturmwirbel schwächte sich bereits in den Morgen- und
Vormittagsstunden soweit ab, dass Tief FÜRCHTEGOTT anschließend nicht mehr auf
der Berliner Wetterkarte als eigenständiges Tiefdruckgebiet analysiert und
somit auch nicht mehr auf jener namentlich verzeichnet werden konnte. Seine
Reste gingen in die Zirkulation des ihm auf einer ähnlichen Zugbahn folgenden
und über Finnland auf die Barentssee hinausziehenden Wirbels GREGOR über, der
bereits ab den frühen Mittagsstunden begann den Wettercharakter der Region zu
bestimmen. Somit hielten die leichten Schneefälle zwar weiter an, sie konnten
mit Annäherung des nachfolgenden Wirbels vorübergehen an Intensität teils auch
gewinnen, nennenswerte, dem Tief FÜRCHTEGOTT direkt zuzuordnende Niederschläge
fielen jedoch keine mehr.