Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
GÜNTER
(getauft
am 08.12.2011)
An der Südküste der
Insel Neufundland entstand am 08.12. ein neues Tiefdruckgebiet durch das
Zusammentreffen von feuchtwarmer Tropenluft aus dem Golf von Mexiko und extrem
kalter arktischer Festlandsluft aus Kanada. Da abzusehen war, dass dieses Tief
das Wetter in Europa beeinflussen würde, wurde es an diesem Tag in der Prognose
für den 09.12. auf den Namen GÜNTER getauft.
Das Tief lag am
nächsten Tag mit seinem Kern am Ostrand der kanadischen Provinz Quebec, in der
Nähe der Stadt Sept-Iles. Der Druck war innerhalb eines Tages rapide
abgefallen, auf etwa 958 hPa. Bereits an diesem Tag setzte der
Okklusionsprozess von Tief GÜNTER ein. Aufgrund der zyklonalen Drehung von Tief
GÜNTER, also der Drehung gegen den Uhrzeigersinn, muss die Kaltfront der
Warmfront folgen. Die Mischfront, die entsteht, wenn die Kaltfront die
Warmfront einholt, also okkludiert, wird Okklusionsfront genannt und führt zu
flächigen Niederschlägen im Frontenbereich. Die vom Kern aus westwärts und
bogenförmig über den Südrand der kanadischen Provinz Neufundland und Labrador
verlaufende Okklusionsfront reichte in etwa bis zur Küste des Atlantischen
Ozeans. Vom dortigen Okklusionspunkt gingen wieder eine Warm- und eine
Kaltfront aus. Während die Warmfront wellenartig in südöstlicher Richtung bis
weit auf den Atlantik führte, zog sich die Kaltfront bogenartig Richtung
Südosten, hinaus aus dem Bereich der Berliner Wetterkarte. Die Wetterstation am
Flughafen der Stadt Gander auf Neufundland hatte beim Durchzug der Kaltfront
von 0 Uhr UTC des Vortages bis 0 Uhr UTC des 09.12. Niederschlag gemeldet. Je
nach Temperatur fiel teilweise gefrierender Sprühregen oder Regen, der es in
dieser Zeitspanne insgesamt auf ungefähr 4 l/m² brachte.
Am darauffolgenden Tag, dem 10.12., hatte
das Tiefdruckgebiet GÜNTER wieder einige hundert Kilometer in Richtung
Nordosten zurückgelegt und lag nun mit seinem Kern über der Labradorsee, nahe
der Südküste von Grönland. Der Kerndruck der Zyklone hatte sich wieder leicht
auf etwa
963 hPa erhöht. Im Vergleich zum Vortag war das Frontensystem von Tief GÜNTER
durch das Hinzukommen einer weiteren Okklusionsfront um einiges komplexer
geworden. Die eigentliche Okklusionsfront begann etwa 100 km östlich des
Wirbels und verlief in einem Bogen in südwestlicher Richtung bis zu einem Punkt
über dem Atlantik, der etwa 2000 km westlich von Irland lag. Von diesem
Okklusionspunkt aus erstreckten sich eine bogenförmige Warmfront in Richtung
Osten bis ungefähr 1000 km vor die spanisch-portugiesische Westküste und eine
lange, bogenförmige Kaltfront, die zwischen zwei Hochdruckgebieten bis weit auf
den westlichen Atlantik hinaus verlief. Weiterhin existierte eine rücklaufende
Okklusionsfront, die 200 bis 300 km westlich vom Kern begann und dann nochmals
einige Hundert Kilometer in einem Bogen Richtung Süden verlief, wo sie in den
Charakter einer Kaltfront überging. Diese erstreckte sich, ebenfalls bogenartig
weiter in westlicher Richtung bis zur Westküste der Insel Neufundland.
Auch zum 11.12. hin riss die hohe
Zuggeschwindigkeit des Wirbels GÜNTER nicht ab. Das Zentrum des Tiefs befand
sich nunmehr, mit einem Kerndruck von mittlerweile etwa 977 hPa, etwa 500 km
südwestlich der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Der Kerndruck hatte sich so
stark erhöht, da die Warmluftzufuhr, die erst zur Entstehung des Tiefs geführt
hatte, an diesem Tag abgeschnitten wurde und somit eine leichte Abschwächung
des Wirbels eintrat. An diesem Tag war das Frontensystem von Tief GÜNTER daher
wieder weniger komplex. Die Okklusionsfront mit dem Kaltfrontcharakter hatte sich
innerhalb der letzten 24 Stunden vom System abgespalten und war auf den
Wetterkarten nur noch als Kaltfront über dem zentralen Nordatlantik zu sehen.
Vom Kern des Wirbels aus verlief die Okklusionsfront bogenförmig über
Schottland und Irland weiter bis etwa 300 bis 400 km südwestlich der irischen
Südküste. An diesen Okklusionspunkt schloss sich einerseits eine Richtung Süden
und etwa 200 km vom portugiesischen Festland verlaufende Warmfront an, die auf
der Breite von Lissabon in die Kaltfront eines vorangegangenen Frontensystems
überging. Andererseits erstreckte sich vom Okklusionspunkt aus eine Kaltfront
bogenartig in westlicher Richtung bis weit auf den Nordatlantik hinaus. Die
sich Europa rasch nähernden Ausläufer der Zyklone GÜNTER brachten in der Nacht
zum 12.12. an der Station Valentia, auf der gleichnamigen Insel südwestlich von
Irland, beim Durchzug der Okklusionsfront bereits geringe Regenschauer mit
Niederschlagsmengen von etwa 5 l/m².
Der Kern des Tiefs hatte sich bis zum
Morgen des 12.12. in zwei Teile mit einem Kerndruck von jeweils gleichbleibend
977 hPa aufgespaltet. Ein Kern lag nahe der Westküste Islands, während sich der
andere über der Südküste des Landes befand. Vom Letzteren ging bogenförmig
zuerst Richtung Osten und dann in südlicher Richtung die Okklusionsfront des
nahezu vollständig okkludierten Druckgebildes aus. Über der südlichen Nordsee
zwischen England und den Niederlanden wandelte sich die Okklusionsfront in eine
Kaltfront um. Diese verlief weiter in Richtung Südwest über Nordfrankreich bis
zum spanischen Gijon und zog noch am gleichen Tag über Frankreich und große
Teile Deutschlands hinweg. Dabei wurden beim Durchzug der Front einige
Niederschlagsfelder beobachtet. In Hessen, sowie dem südlichen Niedersachsen
fielen zum Teil zwischen 3 und 6 l/m² Regen innerhalb von 6 Stunden. Auf
Straßen, Gehwegen und Brücken in Berlin kam es zum ersten Glatteis der
Wintersaison, da warmer Sprühregen auf gefrorene Böden gefallen war.
Das aufgrund seiner Lage auch Islandtief
genannte Tiefdruckgebiet GÜNTER verlagerte sich am 13.12. mit seinem Zentrum
leicht weiter in östlicher Richtung und lag nun über der Südostküste Islands.
Der Kerndruck war mit ca. 970 hPa wieder ein wenig gesunken. Mittlerweile war
das Tief vollständig okkludiert, wobei das System wieder zwei Okklusionsfronten
besaß. Die erste erstreckte sich vom Zentrum aus wellenartig rund 800 km über
Südisland hinweg nach Westen. Die zweite verlief in einem Bogen über das
mittlere Skandinavien hinweg, weiter über Stockholm und Warschau bis nach
Budapest. Dort wechselte sie in den Charakter einer Warmfront, die ebenfalls in
einem Bogen bis über den südlichen Alpenrand reichte. Außerdem bildeten sich an
der norwegischen Westküste und bei Stockholm je eine weitere Warmfronten, die
in Richtung Osten verliefen. Die erste reichte in einem Bogen über den
nördlichen Bottnischen Meerbusen weiter bis zum Ladogasee, die zweite
erstreckte sich wellenartig über das lettische Riga, das ukrainische Odessa und
weiter Richtung Osten über das Schwarze Meer bis hinaus aus dem Analysebereich
der Berliner Wetterkarte.
Von Westen her näherte sich im Laufe des
13.12. rasch das ausgeprägte Tief HERGEN. Dieses konnte dadurch das
Tiefdruckgebiet GÜNTER im Laufe des Tages in seine Zirkulation mit einbeziehen.
Vorher gab es jedoch im Bereich der Warmfronten noch vereinzelt Niederschläge.
So fielen in Tallin, der Hauptstadt Estlands, während der Nacht zum 14.12. etwa
1 l/m² Regen.
Bereits am darauffolgenden Tag konnte der
Wirbel GÜNTER nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.
Lediglich ein paar Frontenreste über Osteuropa erinnern an diesem Tag noch an
das ehemalige Islandtief GÜNTER.
Geschrieben am 23.12.2011 von Gregor Meusel
Berliner Wetterkarte: 11.12.2011
Pate: Günter Schmidt-Franke