Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GÜNTER

(getauft am 12.03.2015)

 

Am 11.03.2015 befand sich über der Balkan-Halbinsel in der mittleren Troposphäre in einer Höhe von etwa 5,5 km ein ausgeprägter Höhenwirbel, der sich bereits im Laufe der vorangegangen Tage von der Höhenströmung, welche vom zentralen Nordatlantik über das Nordmeer und Skandinavien bis zum Ural führte, abgespalten hatte. Nun begann sich der Wirbel mitsamt der eingelagerten und auch bis in niedrige Atmosphärenschichten reichende Kaltluft wieder anzuschließen, wodurch sich neben dem Hauptarm über Nordeuropa eine zweite Strömung ausbildete, die von Frankreich über Tunesien, Libyen und Ägypten bis zur Türkei und von dort weiter bis über den Süden Russlands verlief. Im Bodenniveau entwickelte sich dabei in den Mittagsstunden dieses Tages im Bereich zwischen der Hochdruckzelle LUISA über Mitteleuropa und einer unbenannten Antizyklone über Südrussland ein Tiefdruckgebiet aus. Dieses bildete sich über der südlichen Ukraine zwischen der Stadt Odessa und dem Grenzbereich zum Südosten der Republik Moldau, wobei es sich bis zur Nacht mit einem weiteren Tiefdruckkern zusammenschloss, der wenig später über den Ostkarpaten entstand. Da die Zyklone auch Einfluss auf das Wettergeschehen in Mitteleuropa nehmen sollte, wurde es am 12.03. auf den Namen GÜNTER getauft.

Das Tief GÜNTER befand sich um 01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von etwa 1013 hPa nahe Kischinau. Westlich des Kerns verlief eine kurze Okklusion bogenförmig nach Nordosten und nahm ab Mariupol den Charakter einer Kaltfront an, bevor sie über der südlichen Schwarzmeerküste in die Warmfront eines unbenannten Wirbels südöstlich von Zypern überging. Eine Okklusion stellt dabei eine Mischform aus Warm- und Kaltfront dar, welche die Eigenschaften beider Frontenarten in sich vereint. Diese entsteht, wenn die Warmfront von der schneller ziehenden und ihr nachfolgenden Kaltfront am sogenannten Okklusionspunkt eingeholt wird. Aufgrund der Strömungsrichtung des Tiefs GÜNTER gegen und der des Hochs LUISA mit dem Uhrzeigersinn flossen mitunter erwärmte subpolare Luftmassen nach Mitteleuropa sowie nach Ost- und Südosteuropa ein und führten vielerorts zu einem Absinken der Temperatur. In Klagenfurt und Bratislava fiel der Höchstwert im Vergleich zum Vortag um 2 Grad auf 10 bzw. 8°C. In Poprad und am Plattensee wurden jeweils nur 6°C erreicht, wobei dort tags zuvor noch 10 und 12°C verzeichnet werden konnten. In Kaschau sank das Maximum um 7 Grad und in Belgrad wurden mit 5°C insgesamt 9 Grad weniger gemessen. Im Bereich des Wirbels GÜNTER kam es zu aufsteigenden Luftbewegungen, die hochreichende Bewölkung und damit vermehrt schauerartige Niederschläge bedingten. So fielen bis 07 Uhr MEZ dieses Tages innerhalb von 12 Stunden im serbischen Kopaonik 7 l/m², in Kischinau 10 l/m² und an den ukrainischen Stationen Zmerinka und Nova Ushytsia sowie im rumänischen Darabani jeweils 14 l/m² Niederschlag, der oftmals schauerartig, teils als Schnee oder Regen, mitunter aber auch als Schneeregen auftrat. Während die Niederschläge über der Republik Moldau und Rumänien bis zum Abend allgemein nachließen und nur noch 12-stündige Mengen von maximal 7 l/m² in Steiu auftraten, intensivierten sie sich über Serbien und der Ukraine nochmals. Bis 19 Uhr MEZ konnten in 12 Stunden 12 l/m² in Kraljevo, jeweils 13 l/m² in Belgrad und Loznica, 14 l/m² in Bolehov und 20 l/m² in Kolomyia registriert werden.

Am Folgetag wurde das Tief GÜNTER mit seinem Zentrum um 01 Uhr MEZ östlich der Krim analysiert und konnte zu diesem Zeitpunkt einen verstärkten Druck von knapp unter 1010 hPa aufweisen. Vom Kern erstreckten sich einerseits eine bogenförmige Kaltfront nach Südosten über das östliche Schwarze Meer bis über die westliche Türkei und andererseits eine kurze Warmfront nach Norden, wo sie den Anschluss an die Kaltfront eines anderen Frontensystems fand, wobei jenes im weiteren Verlauf vom Wirbel GÜNTER aufgenommen wurde. Das zugehörige Niederschlagsgebiet schwächte sich etwas ab und konzentrierte sich dabei auf die Ukraine. Bis 07 Uhr MEZ wurden in 12 Stunden durch weitere schauerartige Niederschläge in Znamianka 13 l/m² und in Dnipropetrowsk 14 l/m² verzeichnet. Da sich das Hoch LUISA weiter nach Nordosten bis östlich von St. Petersburg verlagerte, stellte sich zwischen der Antizyklone und dem Wirbel GÜNTER eine östliche Strömung über Osteuropa ein, welche weiterhin zum Teil erwärmte Subpolarluft mit sich führte. Dadurch blieben einerseits verbreitet die Temperaturen im gleichen Niveau wie zuvor, andererseits fielen die Höchstwerte an einigen Orten, welche zuvor nicht unter den Einfluss kühlerer Luftmassen standen, nun ebenfalls um einige Grad. So konnte beispielsweise in Warschau, wo tags zuvor noch ein Maximum von 10°C registriert wurde, nur eine Höchsttemperatur von 4°C erreicht werden. In Kiew und Wolgograd wurden mit 5 bzw. 6°C sogar jeweils 6 Grad weniger als am Vortag gemeldet. Währenddessen nahm die Schauertätigkeit im Bereich des Tiefs GÜNTER ab, jedoch setzte folgend länger anhaltender Regen ein, wodurch die sich Niederschläge in und auch außerhalb der Ukraine nochmals intensivieren konnten. Dabei wurden bis 19 Uhr MEZ 12-stündige Niederschlagssummen von 4 l/m² in Kischinau, 7 l/m² im rumänischen Barnova, 8 l/m² in Darabani, 15 l/m² im ukrainischen Lozova und 25 l/m² in Dnipropetrowsk gemessen.

Die Zyklone GÜNTER blieb bis zum 14.03. weitestgehend stationär und konnte zum Nachttermin dieses Tages abermals nahe Kischinau analysiert werden. Das Tief schwächte sich dabei stark ab und besaß nur noch einen Kerndruck von 1018 hPa. Vom Zentrum ging jeweils eine nur in der Höhe analysierbare Okklusion nach Nordwesten bis über Westpolen und nach Südosten bis zum Asowschen Meer aus, wo diese Warmfrontcharakter annahm und über der Ostküste des Schwarzen Meeres endete. An den ukrainischen Stationen in Lviv, Sarny und Olevsk konnten nochmals bis 07 Uhr MEZ 7 l/m² Niederschlag in 12 Stunden registriert werden.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich jedoch die Luftdruckgegensätze um das Tief GÜNTER so weit abgeschwächt, dass es in der Folge nicht weiter analysiert und auf der Berliner Wetterkarte namentlich verzeichnet werden konnte.

 

 

Geschrieben am 21.04.2015 von Sebastian Wölk

Berliner Wetterkarte: 13.03.2015

Pate: Günter Vieweg