Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GÜNTHER

(getauft am 01.04.2011)

 

Am 01. April bildete sich entlang einer ausgedehnten Luftmassengrenze über dem Nordatlantik, die kalte Luft im Norden von wärmerer Luft im Süden trennte, eine Welle, aus der sich ein Tiefdruckgebiet entwickelte, welches auf den Namen GÜNTHER getauft wurde. Der östliche Teil der Luftmassengrenze bildete die Warmfront des Tiefs GÜNTHER, während der westliche Teil der Luftmassengrenze die Kaltfront darstellte. Die Warmfront lag morgens über Irland und Großbritannien und brachte unter anderem an den Wetterstationen in Stornoway auf den zu Schottland gehörenden Äußeren Hebriden und in Glasgow Regen, im südenglischen Bournemoth gab es Sprühregen. Die Kaltfront verlief über dem östlichen Nordatlantik und sorgte auf der Inselgruppe der Azoren für Regenfälle. Im Warmsektor zwischen der Warm- und der Kaltfront strömte maritime Subtropikluft nach Nordosten in Richtung der Britischen Inseln. Mittags hatte die Warmfront Deutschland erreicht und verlief von den Ostfriesischen Inseln über den Harz bis zum Erzgebirge. An den Stationen Freiburg im Breisgau und Lahr im Oberrheingraben stieg die Temperatur tagsüber in der gelenkten milden Luft am höchsten und erreichte 20,2°C bzw. 20,0°C.

Da in der Höhe von ca. 5,5 Kilometern, im 500 hPa-Druckniveau, eine kräftige Südwestströmung herrschte, und Bodentiefdruckgebiete sich entlang solcher Höhenströmungen verlagern, zog der Wirbel GÜNTHER bis zum Morgen des 2. April mit seinem Kern bis vor die Ostküste von Island. Die Warmfront reichte über Südnorwegen und das Kattegat bis nach Polen und zur Slowakei. Die Kaltfront erstreckte sich über das Europäische Nordmeer bis nach Nordschottland, wo eine neue Wellentiefbildung einsetzte. Hinter der Warmfront strömte warme Luft aus Süden nach Deutschland, unterstützt durch das Hochdruckgebiet PEGGY über dem östlichen Mitteleuropa. So stieg die Temperatur verbreitet über 20°C, und an einigen Stationen im Westen und Südwesten gab es mit Werten von 25°C oder leicht darüber einen Sommertag. In Bendorf am Mittelrhein betrug die Höchsttemperatur exakt 25,0°C, in Rheinstetten südwestlich von Karlsruhe 25,2°C und in Freiburg 25,6°C im Breisgau. In Nordeuropa machte sich das Tiefdruckgebiet GÜNTHER durch teils kräftige Niederschläge bemerkbar. So im norwegischen Bergen, wo bis zum Morgen des 03. April innerhalb von 24 Stunden 19 l/m² Regen fielen. Im westlichen Mitteleuropa kam es in derselben Nacht an der Kaltfront zwischen der warmen Luft über dem deutschsprachigen Raum und der kalten Luft über Westeuropa zu Schauern und, wie in Brüssel und auch in Düsseldorf, zu Gewittern. Der Schwerpunkt der registrierten Niederschläge in Deutschland lag am Niederrhein, wo in Xanten 6 l/m² innerhalb von 24 Stunden gemessen wurden. Tagsüber, der Wirbel GÜNTHER befand sich mit seinem Zentrum zwischen der Insel Jan Mayen und Spitzbergen und hatte einen Kerndruck von unter 970 hPa, kam es zwischen der Grönlandsee und dem Weißen Meer im Bereich der Warmfront zu Schneefällen. Entlang der Kaltfront gab es von Skandinavien über Deutschland bis zur Biskaya teils schauerartig verstärkten Regen, in Südwestfrankreich auch Gewitter. Die Hauptaktivität der Niederschläge in Deutschland lässt sich anhand der größten 24-stündigen Regenmengen bis zum Morgen des 04. April nachvollziehen. In Ueckermünde am Oderhaff waren es 26 l/m², am Flughafen von Hannover 24 l/m² und in Freiburg im Breisgau 16 l/m². Zu beachten ist, dass es entlang der Kaltfront nicht flächendeckend zu diesen großen Niederschlagsmengen kam, vielmehr repräsentieren die genannten Werte nur die höchsten Intensitäten der Wetteraktivität. Im Tagesverlauf hatte sich die Position des Kerns der Zyklone kaum verändert. Die Fronten waren okkludiert, das heißt, die schnellere Kaltfront holte die langsamere Warmfront mehr und mehr ein, und es bildete sich eine Mischfront, die sogenannte Okklusion. Das Tiefdruckgebiet GÜNTHER brachte mit dieser Okklusionsfront auf Spitzbergen Schneefälle und zog nach Osten zur Barentssee, wo es am 05. April zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen war.

 


Lebensgeschichte geschrieben am 14.05.2011 von Heiko Wiese

Ausgewählte Berliner Wetterkarte: 01.04.2011

Pate: Günther Wiedemann