Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GEBHARD

(getauft am 03.06.2019)

 

Die Wellenstörung, die sich im Bereich des Jetstreams, dem Starkwindband in der oberen Troposphäre, über dem Nordosten der USA bildete, erreichte Anfang Juni 2019 das europäische Festland. Anhand der Analysekarte vom 03.06.2019 um 02 Uhr MESZ wurde diese Zyklone auf den Namen GEBHARD getauft.

Zwischen der Kaltfront des Tiefs FRANK und der Warmfront eines Tiefdruckgebietes bei Nova Scotia befand sich der Wirbel GEBHARD mit dem Zentrum rund 600 km nördlich der Azoren, wo ein Druck von knapp 1018 hPa herrschte. Die Okklusion und die Warmfront lagen um 02 Uhr MESZ nördlich bzw. nordöstlich der Azoren. Okklusion bezeichnet hierbei den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront aufgrund ihrer verschiedenen Verlagerungsgeschwindigkeiten mit dem Okklusionspunkt als den Ort, an dem sie zusammentreffen. Die bogenförmige Kaltfront lag vom Okklusionspunkt in der Nähe des Kerns circa 1000 km in westlicher Richtung über dem zentralen Nordatlantik. Aus dieser Front fiel aber nur sehr wenig Regen. Auf den Azoren lag die höchste 12-stündige Regenmenge bei 0,2 l/m² in Ponta Delgada bei maximal 22,8°C in Horta oder 23,2°C in Angra.

Bis zum darauffolgenden Tag verlagerte sich das Tief GEBHARD unter Verstärkung deutlich nach Osten. Am 04.06. um 02 Uhr MESZ lag das Zentrum mit einem Druck von ungefähr 1007 hPa über der westlichen Biskaya. Die Warmfront, an der langsam warme Luft über eine vorlaufende Kaltluftmasse aufstieg, verlief von dieser Meeresbucht nach Nordosten quer über Frankreich bis zum Jura, wo sich die kurze Kaltfront einer kleinen Welle anschloss. Die lange Kaltfront erstreckte sich in einem großen Bogen über dem nördlichen Atlantik südlich der Azoren. Rund 800 km westlich der Inselgruppe ging diese in die Warmfront eines Tiefdruckgebietes bei Neufundland über. Bei der Ankunft der Kaltfront in Galicien fielen innerhalb von 12 Stunden bis zu 5,8 l/m² in Vimianzo-Castrelo und 14 l/m² in Casas Do Porto. Ähnliche Niederschlagssummen wurden auch entlang der Warmfront im Süden Emglands auf Scilly Islands an der Station St. Mary mit 14 l/m² gemessen. Während vor der Warmfront und hinter der Kaltfront Maximaltemperaturen von 15,8°C in Plymouth, 16,4°C in Brest oder 19,2°C in La Coruña gemessen wurden, stieg die Temperatur mit dem Transport heißer Luft aus Nordafrika im Warmsektor, welcher zwischen Warm- und Kaltfront liegt, auf bis zu 34,6°C in Clermont-Ferrand, 34,8°C in Saragossa und 35,3°C in Murcia.

Neben dem Kern über der Irischen See bildete sich bis zum nächsten Tag rund 500 km weiter östlich ein zweites Zentrum über der Nordsee aus, die untereinander mit der Okklusion über den Britischen Inseln verbunden waren. Beide wiesen einen minimalen Druck von knapp 1000 hPa auf. Vom Okklusionspunkt des Wirbels GEBHARD über der Nordsee erstreckte sich die Warmfront wellenförmig über Dänemark, dem Süden Schwedens und Finnland. Dort ging sie in die Kaltfront der Zyklone FRANK II über. Die doppelt ausgeprägte Kaltfront verlief im Bogen über Westeuropa von der Nordsee und Großbritannien im Norden bis zu den Pyrenäen im Süden, wo sich wiederum die zweifach ausgeprägte Warmfront des Tiefdruckgebietes HEIKO anschloss. Im Bereich der Mischfront über den Britischen Inseln regnete es beispielsweise innerhalb von 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ in Ballyhaise 21 l/m². Weniger Regen fiel an der Warmfront in Dänemark. Im selben Zeitraum waren es 6 l/m² in Isenvad und 5 l/m² in Silstrup. Entlang der Kaltfront entstanden mit der einströmenden Kaltluft und der damit verbundenen Konvektion Schauer und Gewitter. Vereinzelt kamen so bis zu 15 l/m² in 3 Stunden zusammen, wie in Limoges und Cognac. Subtropische Luft ließ die Temperatur vor der Kaltfront auf bis zu 34,8°C in Demker südlich von Stendal, 34,6°C in Bernburg/Saale oder 34,7°C in Lenzen/Elbe steigen. Vielerorts wurden dabei neue Temperaturrekorde für den Juni aufgestellt. Hinter der Kaltfront kam es währenddessen zu einem regelrechten Temperatursturz. So betrugen die Höchstwerte in Tours nur noch 13,4°C oder 15,4°C in Rouen.

Während das Teiltief GEBHARD II an der Westflanke des Hochs QUEENIE innerhalb des nächsten Tages nach Nordosten zog und mit dem Zentrum 400 km südwestlich der Lofoten sowie einen Kerndruck von rund 1009 hPa lag, verblieb die Mischfront der Zyklone GEBHARD I über Nordirland, Schottland und der Nordsee. Bei der Isle of Man betrug der minimale Luftdruck knapp 1005 hPa. Im weiteren Verlauf der Okklusion schloss sich das Tiefdruckgebiet HEIKO an. Vom erwähnten Zentrum des Tiefs GEBHARD II verlief die Okklusion bogenförmig über dem Norden Skandinaviens bis zum Okklusionspunkt über dem Norden des Bottnischen Meerbusens. Die Warmfront erstreckte sich von dort nach Südosten bis zum Onegasee im Nordwesten Russlands, wo noch immer die Verbindung zur Kaltfront des Wirbels FRANK II bestand. Die Kaltfront verlief über Mittel- und Südschweden bis an die Stelle, wo sie in die Warmfront des Tiefs HEIKO überging. Im Allgemeinen ließ die Niederschlagstätigkeit im Bereich der Fronten der beiden Teilzyklonen jedoch etwas nach. Selten wurden noch 12-stündige Regenmengen bis 08 Uhr MESZ über 10 l/m² gemessen, wie an der irischen Station Knock/Connaught mit 19 l/m² oder 11 l/m² in Glasgow. Die heiße Luft, die schon am Vortag für Rekorde sorgte, kam weiter nach Norden voran, sodass in Teilen des Baltikums und im Süden Finnlands über 30°C erreicht wurden. So lag die Höchsttemperatur in Tallinn bei 31,1°C, in Turku bei 30,6°C und in St. Petersburg bei 31,4°C. In maritimer Polarluft erwärmte sich die Luft auf den Britischen Inseln auf 15,3°C in Dublin oder 17,3°C in Edinburgh.

Um 02 Uhr MESZ des 07.06. lag die hakenförmige Okklusion des Tiefs GEBHARD I im Küstenbereich westlich bis nordwestlich der Britischen Inseln mit dem Kern über dem Westen Irlands bei einem unveränderten Minimaldruck. Die Regenmengen an dieser Front, wo die warme Luft am Boden komplett von der Kaltluft verdrängt wurde, lagen zwischen 20 Uhr MESZ am Vortag und 08 Uhr MESZ nur noch bei 3 l/m² an der irischen Station Mace Head oder 7 l/m² im schottischen Aultbea bei Höchstwerten von 14,2°C bzw. 17,3°C. Noch weniger wetterwirksam war der Wirbel GEBHARD II, dessen Zentrum mit einem Druck von fast 1015 hPa zur gleichen Zeit über der südlichen Barentssee lag. Die Fronten verliefen dabei über dem Nordwesten Russlands, wobei die Warmfront bei Moskau in eine Kaltfront überging und sich an die Kaltfront des Tiefdruckgebietes GEBHARD II zwischen dem Weißen Meer und Finnland die Warmfront der Zyklone HEIKO anschloss. Die Niederschlagsmenge im Einflussbereich der Fronten im genannten Zeitraum betrug lediglich maximal 1 l/m², wie in Raznavolok. Dazu stieg die Temperatur auf beispielsweise 26,9°C in Wologda.

Das Hochdruckgebiet QUEENIE verstärkte sich in weiteren Verlauf über dem Westen Russlands, wodurch sich das Tief GEBHARD II bis zum nächsten Tag auflöste. Das andere Teiltief GEBHARD I verschwand aufgrund der Verstärkung des Wirbels IVAN und der räumlichen Annäherung an das Tief HEIKO von der Berliner Wetterkarte des 08.06.2019.