Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
GEBHARD
(getauft
am 12.03.2019)
Am Anfang der
zweiten Märzdekade 2019 zog ein Tiefdruckgebiet von Nordamerika aus im Bereich
des Starkwindbands in rund 5,5 km Höhe, des Jetstreams, Richtung Westeuropa.
Anhand der Prognosekarte für den 13.03.19 um 13 Uhr MEZ, was 12 Uhr UTC
entspricht, wurde das Tief auf den Namen GEBHARD getauft.
Am 12.03. um
01 Uhr MEZ lag das Zentrum mit einem Druck von knapp 995 hPa über der südlichen
Labrador-Halbinsel. Die hakenförmige Okklusion verlief über den südlichen Teil
dieser Halbinsel und wenige Kilometer östlich der kanadischen Küste über dem
westlichen Nordatlantik bis nach Neufundland. Dort trennten sich Warm- und
Kaltfront, die sich jeweils über dem Nordwestatlantik erstreckten. So fielen
über dem äußersten Osten Kanadas beispielsweise in St John’s 24-stündig bis 13
Uhr MEZ 27 l/m² oder im Terra Nova National Park 32 l/m² an Niederschlag. Da
sich nordwestlich der Azoren ein kräftiges Hochdruckgebiet befand, entstand ein
ausgeprägter Druckgradient. Dieser ließ den Wind auffrischen und es herrschte
zum Beispiel am Gander Airport auf Neufundland um 01 Uhr MEZ des 12.03. ein
mittlerer Wind der Stärke 8, mit einer Geschwindigkeit von 67 km/h.
Bis zum
nächsten Tag verlagerte sich die Zyklone GEBHARD in Richtung Nordosten, wo der
Kern um 01 Uhr MEZ an der Südspitze Grönlands lag. Dort wurde ein Luftdruck von
etwa 989 hPa gemessen. Die Mischfront befand sich über der südlichen
Labradorsee und dem nördlichen Atlantik, wo zudem der Okklusionspunkt lag. Insgesamt
wies die Okklusion eine Länge von circa 1500 km auf. Die kurze Warmfront und
die ungleich längere Kaltfront verliefen über dem nördlichen Atlantik. Rund 550
km südöstlich Neufundlands ging diese in eine Warmfront einer Wellenstörung
nordöstlich der Bermudainsel über. Unter Warmlufteinfluss regnete es im Süden
Grönlands, wodurch auf dem gefrorenen Boden Glatteis entstand. In Narsarsuaq wurden
maximale 3°C erreicht.
Am 14.03. um
01 Uhr MEZ befand sich das Zentrum des Tiefs GEBHARD über dem Südwesten
Islands. Mit einem Druck von rund 980 hPa hatte es sich im Vergleich zum Vortag
erneut verstärkt. Die bogenförmige Okklusion lag über dem Nordatlantik zwischen
Island und dem Norden Schottlands. Von dort verlief die Warmfront, wo eine
warme Luftmasse langsam über kühlere Luft aufglitt, quer über Schottland und
England bis zur Bretagne. Die Kaltfront, an der sich kalte Luft unter die
vorlaufende Warmluft schob, erstreckte sich im Bogen nordwestlich der
Britischen Inseln über dem Atlantik. Im weiteren Verlauf schloss sich die
Warmfront des jungen Tiefdruckgebietes HEINZ an. Bei verbreiteten Regenfälle
vor allem über dem Vereinigten Königreich und Irland konnte man 12-stündig bis
zu 16 l/m² in Glasgow, 24 l/m² in Keswick oder 32 l/m² im walisischen Capel
Curig bis 07 Uhr MEZ messen. Während vor der Kaltfront noch vereinzelt über
15°C erreicht wurden, wie zum Beispiel im Londoner St. James’s Park mit 16,1°C,
stiegen in kühlerer Luft die Höchstwerte in Cork auf nur 12,3°C und in
Blackpool lediglich auf 9,8°C. Zusätzlich herrschte über den Britischen Inseln
im Zusammenspiel mit dem Azorenhoch ein bedeutender Druckgradient, womit der
Wind bis ins Tiefland in Böen Sturmstärke erreichte.
Bis zum
darauffolgenden Tag, dem 15.03., war der Wirbel GEBHARD nach Osten gezogen und
war vollokkludiert, d. h. es war nur noch eine Okklusion vorhanden. Diese
wiederum war in zwei Teile zerfallen, womit auch zwei Teiltiefs auf der
Berliner Wetterkarte eingezeichnet waren. Die s-förmige Mischfront der
Teilzyklone GEBHARD I mit Kern über den Färöer-Inseln lag über dem Atlantik
zwischen Island und Südnorwegen. Im Bereich des niedrigsten Druckes, der bei
etwa 978 hPa lag, regnete es am stärksten. 12-stündig bis 07 Uhr MEZ kamen in
Tórshavn 11 l/m² an Niederschlägen zusammen, der auf dem kalten Boden zeitweise
sogar gefror. In Obrestad südlich von Stavanger waren es nur 3 l/m². In einer
arktischen Luftmasse stieg die Temperatur auf 2,8°C in Dalatangi ganz im Osten
von Island und 4,1°C in Bergen. Die Okklusion des Teiltiefs GEBHARD II verlief
von Südschweden und dem Westen Polens nach Süden und anschließend in einem
Bogen über Tschechien und die Po-Ebene bis zur Provence. Dort ging sie in die
Warmfront des Tief HEINZ über. Im selben Zeitraum fielen beispielsweise 11 l/m²
in Liberec, 12,3 l/m² in Saldenburg-Entschenreuth zwischen Deggendorf und
Passau sowie 7 l/m² in Linz. Im Nordstau der Alpen waren es sogar 20 l/m² in
Kufstein oder 21 l/m² in Jenbach. Dabei betrugen die Höchsttemperaturen 10°C in
Berlin-Dahlem, 11,3°C in Erfurt und 9,4°C in München. Mit einem Föhneffekt
wurden in Mailand 22,6°C und in Bergamo 20,6°C erreicht.
Die erwähnte
Teilzyklone GEBHARD II wurde im Tagesverlauf vom sich verstärkenden
nachfolgenden Tief HEINZ aufgenommen, weshalb sie nicht mehr als eigenständiges
Tiefdruckgebiet analysiert werden konnte. Das Tiefdruckgebiet GEBHARD bestand
also nur noch aus einer wellenförmigen Okklusion zwischen Island und dem Süden
Norwegens. Bei Island schloss sich die Mischfront eines Tiefs südwestlich der
Insel an. Die Kaltluft hatte in diesem Gebiet die wärmere Luftmasse komplett
vom Boden gehoben. Das Zentrum hatte sich in südöstliche Richtung verlagert und
lag über den Shetland-Inseln mit einem Druck von rund 985 hPa. Der meiste Regen
fiel dabei im Südwesten Norwegens. Spitzenreiter in der genannten Zeitspanne
war der norwegische Ferienort Nedre Vats mit 11 l/m². In einer polaren
Luftmasse lag die Höchsttemperatur an dieser Station bei 6,5°C, in Lerwick bei
7,1°C und in Tórshavn bei 5,3°C.
Infolge der
Entwicklung des Wirbels IGOR zum Sturmtief wurde auf seiner Nordseite das Tief
GEBHARD in die Sturmzirkulation aufgenommen, so dass letzteres auf der Berliner
Wetterkarte vom 17.03. nicht mehr zu erkennen war.