Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GERNOT  

(getauft am 28.12.2017) 

 

Ende Dezember 2017 lag über Mitteleuropa ein gut ausgeprägter Trog. Ein Trog bezeichnet in der Meteorologie ein Gebiet tiefen Luftdruckes. Dieser zeichnete sich besonders in der 500 hPa-Fläche aus, dies entspricht einer Höhe von ca. 5500 m über NN, wodurch es sich um einen sogenannten Höhentrog handelte. In ihm eingebettet zogen immer wieder Tiefdruckgebiete von West nach Ost über Mitteleuropa. Deutschland befand sich dabei über den Weihnachtstagen im Einflussbereich von Tief DIETHELM und vom 27. bis 29. Dezember im Einfluss von Tief EDILBERT. Grund für diese Westwindströmung war ein Hochdruckgebiet über Kanada. Dort sammelte sich Kaltluft über einen längeren Zeitraum an. Kalte Luft ist schwerer als warme und durch Ansammlung der kalten Luft am Boden stieg auch der Luftdruck an. Es bildete sich ein kaltes Bodenhoch. Hochdruckgebiete oder Antizyklonen drehen sich im Uhrzeigersinn, Tiefdruckgebiete dementsprechend gegen den Uhrzeigersinn. Dadurch konnte arktische Kaltluft am östlichen Rand des Hochs nach Süden transportiert werden und über dem vom Golfstrom erwärmten Nordatlantik immer wieder für Tiefdruckneubildungen, sogenannten Zyklogenesen, sorgen. Bereits am 25. Dezember kam es zu einer Zyklogenese knapp östlich von Washington. Diese Zyklone verstärkte sich rasch und lag am 26. Dezember mit einem Kerndruck von unter 985 hPa über Neufundland. Nachfolgend verlagerte sich das Tief unter leichter Verstärkung nach Osten und wurde am 28. Dezember in der Prognose auf den Namen GERNOT getauft. Erstmalig erscheint das Tief auf der Berliner Wetterkarte am 29. Dezember um 01 Uhr MEZ. Die Zyklone spaltete sich, sodass zwei Kerne analysiert werden konnten, die knapp südöstlich von Grönland mit einem Druck von ca. 974 hPa lagen.

Ein Tiefdruckgebiet besteht aus einer Warm- und einer Kaltfront. Meist in südöstlicher Richtung verläuft die Warmfront, in südwestlicher Richtung die Kaltfront. Da die Kaltfront eine höhere Zuggeschwindigkeit aufweist, holt sie die Warmfront ein und es entsteht eine Mischfront, welche als Okklusion bezeichnet wird. Das Frontensystem von Tief GERNOT erstreckte sich vom Kern bis nach Nordafrika und erreichte damit eine Länge von über 4000 km. So überquerten am 29. Dezember die Ausläufer Großbritannien, Westdeutschland, die Benelux-Staaten, Frankreich und Teile der Iberischen Halbinsel. Die 24-stündigen Regenmengen beliefen sich dabei bis 30. Dezember 07 Uhr MEZ besonders in England, Frankreich und den Benelux-Staaten verbreitet auf 10 bis örtlich 35 mm. So fielen in Rotterdam 12,1 mm, in Paris 17,3 mm, in Plymouth 22,2 mm und in Maurs im Zentralmassiv 32,6 mm. Die höchste Tagesmenge vermeldete der walisische Ort Libanus mit 34,8 mm. In Deutschland konnten von Schleswig-Holstein bis Bayern 1 bis 9 mm, in der Eifel örtlich 10 mm gemessen werden. Besonders am Okklusionspunkt, der Punkt an dem sich Warm- und Kaltfront vereinigen, konnten im südlichen England und in Nordfrankreich stärkere Windböen verzeichnet werden. So wurde gegen Mitternacht an der Station Seven Stones im südwestlichen England mit 119 km/h eine Orkanböe verzeichnet. Auch in der Bretagne und am Ärmelkanal wurden gebietsweise 90 bis 110 km/h gemessen. In Barfleur, im Norden Frankreichs, konnte am frühen Morgen mit 120 km/h ebenfalls Windstärke 12 erreicht werden. Mit dem Wind wurde auch milde Luft vom Atlantik heran transportiert. In Südwestengland und Westfrankreich stiegen die Werte auf sehr milde 10 bis 15°C, in Spanien im Bereich des Warmluftsektors auf 16 bis örtlich knapp 25°C. In Aguilas wurde mit 25,0°C sogar ein Sommertag erreicht. Ein Sommertag in der Meteorologie bezeichnet einen Tag an dem eine Temperatur von mindestens 25,0°C zu verzeichnen ist. Der Warmluftsektor beschreibt die Zone zwischen Warm- und Kaltfront. Auch in Madrid wurden mit 17,6°C sehr milde Temperaturen gemessen, im Durchschnitt werden als Höchstwert im Dezember 11°C erwartet.

Am 30. Dezember bildete sich über dem westlichen Europa und dem Nordatlantik ein Tiefdruckkomplex aus. Insgesamt konnten drei Kerne Tief GERNOT zugeordnet werden: Kern I und III südlich von Island und Kern II über dem nördlichen England. Nordwestlich der Azoren konnte sich währenddessen das Tief HORST neu ausbilden. Um 01 Uhr MEZ verlief eine Okklusion von Kern I durch Kern II bis zum Alpenraum. Vom Kern III erstreckte sich ebenfalls eine Okklusion nach Südwesten, wobei sich der Okklusionspunkt zwischen Wales und Irland befand. Von dort aus erstreckte sich die Kaltfront über den Atlantik, die Warmfront reichte bis zu den Pyrenäen. Im Tagesverlauf lösten sich die Fronten an den Kernen I und III auf und aus dem Kern II, der sich ursprünglich über Nordengland befand, entwickelte sich eine eigenständige Zyklone, die im Tagesverlauf in Richtung Norddeutschland gezogen ist. Bis zum 31. Dezember um 07 Uhr MEZ konnten 24-stündig von Frankreich über Deutschland bis Polen und den Alpenraum Niederschläge von 1 bis zu 20 mm, besonders in den westlichen Alpen sowie im Südwesten Deutschlands 30 bis örtlich über 50 mm gemessen werden. Todtmoos im Schwarzwald vermeldete 45,2 mm, währenddessen Freiburg, welches knapp südwestlich der Front lag, nur 0,7 mm verzeichnete. Deborence in der Schweiz stellte mit 67,3 mm die höchste Tagesmenge auf. Verbreitet setzte sich somit bis in Lagen über 2000 m Tauwetter durch, oberhalb stieg die Lawinengefahr besonders in der Schweiz enorm an. Keine Wetterstation in Deutschland blieb trocken, überall konnte Niederschlag am 30. Dezember registriert werden. Von NRW über Hessen, dem nördlichen Baden-Württemberg bis Bayern fielen verbreitet 10 bis 20 mm. Sonst blieben die Mengen geringer wie beispielsweise in Hamburg mit 2,4 mm oder Berlin-Tegel mit 2,9 mm. Auch im Westen Englands fielen 10 bis 25 mm, dort zogen aber die Ausläufer von Tief HORST bereits auf. Besonders nahe dem Tiefdruckkern im Norden frischte der Wind deutlich auf. An Nord- und Ostsee traten Spitzenböen von 60 bis 80 km/h, auf Helgoland 91 km/h und in Hamburg-Veddel sogar 100 km/h auf. Rückseitig der Frontensysteme wurden mit südwestlicher Strömung subtropische Luftmassen weiter nach Nordosten geführt. In Frankreich wurden erneut 10 bis 15°C, im Südwesten sogar bis 20°C erreicht. Auch im südlichen England stellten sich ungewöhnlich milde Temperaturen ein. London erreichte mit 14,2°C ähnliche Werte wie Southampton mit 14,1°C. Paris vermeldete an diesem Tag 15,1°C. In Deutschland konnten von Niedersachsen bis Baden-Württemberg zweistellige Höchstwerte beobachtet werden. Spitzenreiter war Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz mit 14,9°C. Deutlich kälter blieb es im Vorfeld der aufziehenden Fronten. Während Magdeburg bereits 8,4°C vermeldete, konnten in Berlin-Tegel nur 4,5°C gemessen werden. Am kältesten blieb es in Göhren auf Usedom mit nur 2,1°C.

Am 31. Dezember um 01 Uhr MEZ konnte das Tief GERNOT II über der Ostsee nahe Bornholm mit einem Druck von 993 hPa analysiert werden. Die Kerne I und III blieben über dem Atlantik südlich von Island ohne Fronten wenig wetteraktiv. Die Zyklone GERNOT II verlagerte sich am Silvestertag nach Osten und löste sich am Abend nahe der Litauischen Ostseeküste auf. Die verzeichneten Regenmengen blieben mit meist 1 bis 3 mm in Polen im Vergleich zu den Vortagen gering. Deutschland wurde bereits vom nachfolgenden Tief HORST beeinflusst, welches sich mit sehr milder Luft bundesweit durchsetzte. Letztmalig war Tief GERNOT am 01. Januar 2018 um 01 Uhr MEZ auf der Wetterkarte verzeichnet. Die ehemaligen Kerne I und III südlich von Island schlossen sich zu einem Kern zusammen. Dieser lag mit einem Druck von ca. 979 hPa 300 km westlich von Schottland. Tief GERNOT löste mit einer labilen Luftmasse nochmals zahlreiche Schauer aus, welche bis 19 Uhr MEZ 12-stündig 1 bis maximal 8 mm in Schottland und dem nördlichen England mit sich brachten. Der Kern zog im Verlauf des Tages rasch nach Südosten, bevor er sich am Abend in der Nähe von Glasgow auflöste.

 


Geschrieben am: 04.03.2018 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 30.12.2017

Wetterpate: Gernot Bappert