Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
GODEHARD
(getauft am
03.11.2013)
Von
der Ostküste Nordamerikas über Mitteleuropa bis zum Ural herrschte mit Ausnahme
eines kleinen Höhentiefs vor der Westküste Irlands am 02.11. eine fast
einheitliche West-Ost-Strömung in der mittleren Troposphäre, was etwa einer
Höhe von rund 5500 m entspricht, vor. Diese trennte kalte Höhenluft im Norden
von warmer Höhenluft im Süden, wobei sich der Grenzbereich etwa zwischen dem
40. und 55. nördlichen Breitengrad befand. Im Bodenniveau bildete sich im
östlichen Bereich eines kräftigen Tiefdruckgebietes mit Zentrum über dem
kanadischen Bundesstaat Quebec vor der Ostküste Neufundlands ein neues
Tiefdruckgebiet, welches am folgenden Tag auf den Namen GODEHARD getauft wurde.
Das
Tiefdruckgebiet GODEHARD wurde zu Beginn des 03.11. etwa in der Mitte der
Entfernung zwischen Neufundland und Irland über dem Nordatlantik analysiert. Es
besaß einen anfänglichen Kerndruck von etwa 990 hPa und verlagerte sich rasch
weiter nach Osten. Das Tief GODEHARD war weiterhin Teil des kräftigen
Tiefdruckgebietes, welches sich hinaus auf die Labradorsee verlagert hatte.
Beide Tiefdruckgebiete waren mit einer Okklusionsfront verbunden. Erst vom
Zentrum des Wirbels GODEHARD aus teilte sich diese in eine kurze Warmfront, die
etwa 500 km nach Südosten verlief, und eine kurze Kaltfront, die sich vom
Zentrum aus erst nach Süden und dann in einem Bogen nach Westen erstreckte.
Am
späten Abend erreichte das Zentrum von Tief GODEHARD über Irland hinweg den
Süden Englands. Dabei fielen im Bereich des Zentrums ergiebige Regenmengen, die
sich bis um 07 Uhr MEZ am nächsten Morgen beispielsweise am Flughafen
London-Heathrow auf 15 l/m² summierten, in Bournemouth
waren es 21 l/m² und in Plymouth 19 l/m². Bis zu diesem Termin erreichte das
Regengebiet auch den Küstenbereich der Niederlande, sodass zum Beispiel aus
Amsterdam eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 30 l/m² und aus Rotterdam 17
l/m² gemeldet wurden. Zudem wurden in Rotterdam Böen mit etwa 18 m/s gemessen,
was in der Beaufortskala Windstärke 8 entspricht.
Im
Laufe des 04.11. zog das Tief GODEHARD über Norddeutschland hinweg auf die
Ostsee. Um 13 Uhr MEZ befand sich das Zentrum über Bremen, von wo aus die
Warmfront südostwärts bis nach Tschechien verlief. Die
Kaltfront erstreckte sich südwestwärts über Belgien bis
nach Frankreich. Auf dem Brocken wurden von 09 bis 19 Uhr MEZ fast durchgehend
Orkanböen mit Geschwindigkeiten um 120 km/h registriert. Dabei fiel
nordwestlich einer Linie Saarland-Rügen lang anhaltender und verbreitet
intensiver Regen. Die höchste Menge innerhalb von 12 Stunden meldete der
Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel mit 26 l/m². Aus Bremen
und Bremerhaven wurden jeweils 17 l/m² gemeldet. In der Osthälfte Deutschlands
fielen beim Durchzug der Kaltfront von GODEHARD nur noch geringe Mengen, da
sich das Regengebiet erheblich abgeschwächt hatte. Außerhalb Deutschlands
meldeten die höchsten 24-stündigen Niederschlagssummen Bornholm mit 20 l/m²,
Genf mit 18 l/m² und Rom mit 27 l/m². Rom wurde hierbei durch einen über Norditalien
neu gebildeten Ableger von Tief GODEHARD beeinflusst, welcher den Namen
GODEHARD II erhielt.
Auf
der Bodenwetterkarte wurde am 05.11. das ursprüngliche Tief GODEHARD in
GODEHARD I umbenannt und mit einem Kerndruck von knapp unter 980 hPa über der
zentralen Ostsee mit Zugrichtung Nordost analysiert. Das Teiltief GODEHARD II
befand sich mit seinem Zentrum und einem Kerndruck von etwa 996 hPa über der
nördlichen Adria. Sowohl in der Höhe als auch am Boden sorgte die kräftige
südwestliche Höhenströmung in den Bereichen der beiden Teiltiefs GODEHARD I und
II für einen Transport subtropischer Luftmassen bis in den Westen Russlands. In
zahlreichen Regionen von Südosteuropa bis nach Russland wurden für die
Jahreszeit ungewöhnliche Höchstwerte registriert. So meldete Kiew 18°C, Cherson 21°C und Simferopol auf
der Halbinsel Krim sogar 25°C.
Die
höchsten Niederschlagsmengen im Bereich des Tiefs GODEHARD I wurden in
Weißrussland und der Slowakei verzeichnet, z.B. in Minsk mit 23 l/m², Kaschau mit 35 l/m² und Poprad, am Fuße der Hohen Tatra
gelegen, mit 24 l/m² innerhalb von 24 Stunden. Bei der Ostverlagerung der
Kaltfront von Teiltief GODEHARD II bildeten sich von der Adria bis nach Libyen
Schauer und Gewitter, wobei vereinzelt sehr ergiebige Mengen fielen. Beispielsweise
meldete Dubrovnik 81 l/m², in Tripolis, der Hauptstadt von Libyen, waren es
sogar 133 l/m² innerhalb von 24 Stunden.
Am
06.11. bildeten die Teiltiefs GODEHARD I und II ein langgestrecktes,
zusammenhängendes Frontensystem. Ausgehend von dem über Finnland gelegenen
Zentrum der Zyklone GODEHARD I verlief die aus einer kurzen Okklusionsfront
bestehende Front über Weißrussland bis nahe Minsk, wo sie ihren Charakter in
den einer Kaltfront änderte, die sich weiter nach Süden über Griechenland bis
nach Libyen erstreckte. Im Laufe des Tages kam der langgezogene
Tiefdruckkomplex weiter nach Osten voran. Dabei wurden in Murmansk 9 l/m²
innerhalb von 24 Stunden gemessen, in Kiew waren es 31 l/m² und in Athen 12
l/m². In Kiew erreichte außerdem die Höchsttemperatur vor der Front nochmals
17°C, in Simferopol waren es 24°C.
Am
folgenden Tag befanden sich die beiden Orte auf die Rückseite der Kaltfront,
sodass in Kiew nur noch 8°C und in Simferopol 13°C
als Höchsttemperatur verzeichnet wurden. Dabei kam das weiterhin aus den beiden
Teiltiefs GODEHARD I und II bestehende Tiefdrucksystem weiter nach Osten voran
und erstreckte sich vom Weißen Meer bis nach Ägypten. Der Wirbel GODEHARD I
hatte einen Kerndruck von etwa 989 hPa, die Zyklone GODEHARD II wies einen
Druck von etwa 1004 hPa auf. Nennenswerte Niederschlagsmengen fielen nur noch
in Moskau, Simferopol und Heraklion
mit 9 bis 10 l/m² innerhalb von 24 Stunden.
Im
Laufe des Tages lösten sich sowohl die beiden Tiefdruckzentren von GODEHARD als
auch die Fronten weitgehend auf, sodass GODEHARD I und II am 07.11. nach einer
Lebensdauer von 6 Tagen letztmalig auf der Berliner Wetterkarte erschienen.
Geschrieben
am 05.01.2014 von Matthias Treinzen
Wetterkarte: 04.11.2013
Pate: Godehard Fischer