Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet GONG
(getauft
am 18.01.2013)
Nachdem sich am 17.
Januar bei Island ein Tiefdruckgebiet mit einem umfangreichen Frontensystem
etablieren konnte, sorgte die rückseitige Zufuhr sehr kalter Luft aus der
Polarregion zu einer kurzfristigen Verschärfung der Luftdruckgegensätze über
dem Nordatlantik. Zwischen dem Islandtief und einem Hoch über der Insel
Madeira, führte dieser Gegensatz zu einer sehr kräftigen Windströmung in einer
Höhe von etwa 5,5 km. Aufgrund der starken Strömung begann sich am Abend des
17. Januar allmählich ein kleines Tiefdruckgebiet zu entwickeln, welches
sich bis zum frühen Morgen des 18. Dezember rasch verstärkte. Aufgrund dieser
Entwicklung wurde es noch am selben Tag auf den Namen GONG getauft. Zu diesem
Zeitpunkt befand sich der Kern der noch jungen Zyklone zentral über dem
Nordatlantik zwischen Portugal und Neufundland. Der Druck betrug zum
Analysezeitpunkt etwa 1000 hPa. Es besaß ein Frontensystem, welches sich aus
einer Warm- und Kaltfront zusammensetzte und im Kern miteinander verbunden war.
Die Warmfront reichte dabei einige Hundert Kilometer in östlicher Richtung,
während die Kaltfront sich in westliche Richtung mit einer ähnlichen Länge
erstreckte.
Das Tief GONG
behielt im Verlauf des Tages seine hohe Verlagerungsgeschwindigkeit bei und
verstärkte sich zudem deutlich. Bereits am Folgetag, dem frühen Morgen des 19.
Januar, erreichte es mit einem Kerndruck von rund 975 hPa Nordportugal und
wurde damit auf dem europäischen Festland wetterwirksam. Im Bereich des Kerns
entwickelte sich eine Okklusionsfront, die eine Mischform aus Warm- und
Kaltfront darstellt, welche in kurzer Erstreckung über Nordwestspanien reichte.
Am Ende dieser Front befand sich der sogenannte Okklusionspunkt, welcher die
Verbindungsstelle der zusammenlaufenden Warm- und Kaltfront darstellt. Von dort
zog sich die Warmfront bis zum westlichen Alpenbogen. Die Kaltfront erstreckte
sich hingegen vom Okklusionspunkt hakenförmig über das spanische Galicien nach
Südwesten und reichte bis über den mittleren Nordatlantik.
Typisch für eine
zügige Tiefdruckentwicklung, sorgten die mit den Fronten verbundenen
Niederschlagsgebiete für teilweise erhebliche Regenmengen in ihrem
Einflussbereich. Besonders ergiebig fiel der Regen nahe des Okklusionspunktes
aus, der mit der östlichen Verlagerungsrichtung des Systems über Zentralspanien
zog. So wurden innerhalb von 12 Stunden 20 l/m² in Malaga und 22 l/m² in
Gibraltar registriert. Mit außergewöhnlichen 47 l/m² innerhalb desselben
Zeitraumes wurde im nordspanischen Oviedo die
Höchstmenge im Einflussbereich der Zyklone ermittelt. Neben den kräftigen
Regenfällen sorgte der starke Wind auf der Rückseite des Tiefs für schwere
Sturmböen und vereinzelt sogar orkanartige Böen auf der Iberischen Halbinsel.
In Porto registrierte man z.B. 115 km/h. In Malaga wurden 107 km/h ermittelt.
Im weiteren Verlauf
des Tages verlagerte sich die Zyklone GONG unter leichter Abschwächung nach
Osten. Am frühen Morgen des 20. Januar wurde der Kern des Tiefs über Toulouse
in Südwestfrankreich lokalisiert, wobei der Druck etwa 985 hPa betrug. Vom Kern
zogen sich zwei Okklusionsfronten in südliche Richtungen. Eine erstreckte sich
vom Kern ausgehend in südwestliche Richtung bis knapp vor die afrikanische
Küste südlich von Malaga. Die zweite zog sich bogenförmig nach Südosten bis
Sardinien. Am dort gelegenen Okklusionspunkt teilte sich die Front in eine
Warm- und Kaltfront auf. Während die Warmfront nach Osten fast bis Zypern
reichte, erstreckte sich die Kaltfront Richtung Südwesten über Algerien aus dem
Analysebereich der Berliner Wetterkarte hinaus. Daneben besaß das Tief eine
weitere, rückläufige Warmfront, die vom Kern ausgehend zunächst nach Norden und
über dem Zentralmassiv nach Nordosten bis Zürich reichte.
Der Schwerpunkt der
Niederschlagsaktivität hatte sich nach Südfrankreich in die Nähe des Tiefkerns
verlagert und sich dabei etwas abgeschwächt. In der Nacht zuvor regnete es
besonders im französischen Vorland der Pyrenäen noch stark. In Toulouse sind
zwischen 01 Uhr und 07 Uhr MEZ 20 l/m² gefallen. Nur in der unweit von Toulouse
gelegenen Stadt Tarbes konnte diesen Messwert mit 26
l/m² im identischen Zeitraum sogar übertreffen. Mit der weiteren Verlagerung
des Tiefkomplexes nach Osten geriet auch Italien und
die an der Adria gelegenen Staaten in den Einfluss der starken
Niederschlagsgebiete. So fielen im italienischen Azerro
innerhalb von 24 Stunden 48 l/m². Besonders herausragende Mengen konnten
aber in Kroatien ermittelt werden: an der Station des Berges Zavizan wurden 77 l/m² bis zum Folgetag registriert.
Zwar konzentrierte
sich der intensive Regen zunächst über der Adria und zog anschließend nach
Norden, allerdings verlagerte sich das Zentrum des Tiefs bis zum frühen Morgen
des 21. Januar nur geringfügig. In der Berliner Wetterkarte wurde es mit einem
Kerndruck von knapp unter 955 hPa über dem Golf von Genua analysiert. Es besaß
dabei eine weitreichende Warmfront, die sich vom Kern ausgehend über
Norditalien und den östlichen Alpen etwa bis Wien erstreckte. Dort teilte sich
die Warmfront auf, ein Teil reichte von dort nach Südosten bis über das
Schwarze Meer, der andere Teil verlief in östliche Richtung bis nach Kiew. Die
Kaltfront des Systems hingegen beeinflusste nach wie vor das Mittelmeer und
Teile Nordafrikas. Sie erstreckte sich über Norditalien und Sizilien bis nach
Libyen, wo es den Analysebereich der Wetterkarte verließ.
Beim Herannahen der
Kaltfront an die kroatische Küste verursachten die mit der Front verbundenen
Hebungsvorgänge und der Stau am Dinarischen Gebirge erneut kräftige Regenfälle.
Durch den Einfluss des verhältnismäßig warmen und feuchten Mittelmeeres waren
diese örtlich mit Gewittern durchsetzt. In dem bereits erwähnten Zavizan fielen zwischen 07 Uhr und 19 Uhr MEZ weitere
71 l/m². Mit 67 l/m² fielen im unweit davon gelegenen Senj
innerhalb des gleichen Zeitraumes ähnliche Regenmengen. Abseits der Luvseite,
der windzugewandten Seite, des Dinarischen Gebirges,
also in Zentralkroatien und auch -slowenien, wurden
meist um 10 bis 25 l/m² in einem Zeitraum von 24 Stunden ermittelt. Auch das
Warmfrontsystem von Tief GONG führte verbreitet zu Regen- und Schneefällen im
Einflussgebiet. Betroffen war beispielsweise Polen. An der Station in Krakau fielen
10 l/m² in 24 Stunden als Regen. An den weiter nördlich und westlich davon
gelegenen Stationen fiel dagegen Schnee. Besonders im östlichen Deutschland
konnten Schneefälle ab dem späten Abend beobachtet werden, die meist für
Neuschneemengen um 5 bis 10 cm bis zum Folgetag sorgten.
Die
Verlagerungsgeschwindigkeit der Zyklone GONG reduzierte sich im Tagesverlauf
etwas weiter, wobei es sich nach wie vor ostwärts verlagerte und etwas
abschwächte. Das Druckzentrum wurde am Morgen des 22. Januar mit einem Druck
von rund 1000 hPa über dem Golf von Venedig lokalisiert. Die ursprüngliche
Warmfront über Polen und der Slowakei hatte sich zu einer Okklusion entwickelt.
Sie reichte vom nördlichen Ende des Dinarischen Gebirges über Budapest bis zum
östlichen Karpatenbogen, wo sich der Okklusionspunkt befand. Von dort aus verlief
die Warmfront nach Osten bis über den südlichen Don in Russland. Die sich am
Okklusionspunkt anschließende Kaltfront reichte in südlicher Erstreckung über
Bulgarien, dem Ägäischen Meer sowie dem Mittelmeer bis nach Westägypten über
den Analysebereich der Berliner Wetterkarte hinaus.
Die mit den Fronten
korrespondierenden Wetteraktivitäten, in erster Linie Regenfälle, verlagerten
sich ebenfalls ostwärts. Während in Südostpolen und der Westukraine meist
24-Stunden-Werte von 3 bis 6 l/m² zusammenkamen, konnten in der Slowakei, z.B.
in Sliac mit 16 l/m², höhere Niederschlagsmengen
registriert werden. Der Kaltfrontdurchgang in Südeuropa war vor allem mit
teilweise kräftigen Böen begleitet. An einer Wetterstation auf der griechischen
Insel Rhodos wurde beispielsweise eine Maximalböe von 83 km/h gemessen.
Im Tagesverlauf
steigerte sich die Verlagerungsgeschwindigkeit der Zyklone GONG wieder etwas
und so zog diese in Richtung Nordosten weiter. Mit einem Kerndruck von etwas
weniger als 1005 hPa konnte sie am Morgen des 23. Januar über dem Dnepr südlich
von Kiew analysiert werden. Das Frontensystem bestand u.a.
aus einer Okklusionsfront, die sich rückseitig des Tiefs befand. Sie reichte
vom Okklusionspunkt, der sich im Tiefzentrum befand, in westliche Richtung bis
Nordrumänien. Auf der gegenüberliegenden Ostseite des Tiefs teilte sich die
Okklusion auf. Eine Warmfront reichte nach Osten aus dem Bereich der Berliner
Wetterkarte hinaus. Die Kaltfront erstreckte sich hingegen bogenförmig über das
östliche Schwarze Meer bis über die Nordosttürkei.
Besonders nördlich
des Okklusionspunktes, also in der Ukraine, regnete und schneite es nun am
stärksten im Einflussbereich der Zyklone. Während in den Städten Donetsk mit 6 l/m² und Kiew mit 3 l/m² innerhalb von
24 Stunden der Niederschlag relativ gering ausfiel, konnten lokal deutlich
höhere Mengen registriert werden. So wurde in der am Dnepr gelegenen Stadt Dnepropetrowsk bis zum nächsten Morgen 11 l/m² gemessen,
was zu einer 19 cm hohen Neuschneedecke führte.
Das Tief schwächte
sich nun allmählich ab und setzte dabei seine östliche Verlagerungsrichtung
fort und verließ dabei den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte,
wodurch es am nachfolgenden Tag nicht mehr analysiert werden konnte.
Geschrieben am 11.04.2013 von Alexander Bütow
Berliner Wetterkarte: 20.01.2013
Pate: Frank Beyhl