Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GORAN

(getauft am 15.01.2021)

 

Am 15. Januar 2021 bildete sich vor der nordamerikanischen Küste ein neues Tiefdruckgebiet aus. Südlich der Neufundlandinseln auf dem 65. westlichen Längengrad entstand ein deutlich erkennbares Tiefdruckgebiet, welches am 15.01. das erste Mal von der Berliner Wetterkarte analysiert und aufgrund seiner Verlagerung nach Osten in der Prognose für den 16.01. auf den Namen GORAN getauft wurde. In diesem Gebiet entstehen regelmäßig neue Tiefdruckgebiete. Der Grund dafür ist, dass hier die kühlen, subpolaren Luftmassen aus dem Norden auf die warmen, subtropischen Luftmassen des Westatlantiks aus dem Süden treffen. Laut Bodenwetterkarte betrugen die Temperaturen der subtropischen Luftmasse um die 20°C. Ihr gegenüber standen Temperaturen der subpolaren Luftmasse von 5°C bis -12°C, welche durch die nach Süden gerichtete Strömung transportiert wurde. Grund für die Entstehung des Tiefs GORAN dürfte eine lokale Störung gewesen sein, welche die Zyklogenese ausgelöst hat. Der Luftdruck im Zentrum ist deutlich gefallen (1005 hPa) und das Tief bewegte sich langsam ostwärts. Um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, befand sich der Kern 400 bis 600 km südlich der Neufundlandinseln und knapp 1000 km östlich der nordamerikanischen Küste. Zum gleichen Zeitpunkt wurden zwei Fronten analysiert. Eine Kaltfront, welche sich südwestwärts an der Ostküste Nordamerikas bewegte und eine Warmfront. Die Warmfront erstreckte sich vom Zentrum ausgehend ostwärts über den mittleren Nordatlantik und ging auf Höhe von Grönland in die vorherrschende Okklusionsfront des bestehenden Tiefs FALVIU über. Zwischen den beiden Tiefdruckgebieten FLAVIU und GORAN stieg der Luftdruck in Folge deutlich an, so dass sich das Hochdruckgebiet DRAGICA bildete. Geblockt von DRAGICA verlagerte sich GORAN daraufhin nur noch langsam in Richtung Osten. In den Tagen darauf ist der Luftdruck noch deutlich gesunken und das Tief näherte sich immer weiter Europa.

 

Am 16. Januar erschien dann Tief GORAN erstmals namentlich auf der Bodenwetterkarte mit einem Luftdruck von ca. 990 hPa im Zentrum und Windgeschwindigkeiten von mehr als 40 Knoten (1 Knoten = 1 Seemeile/h = 1,8 km/h), was einer Windstärke von 8 Beaufort entspricht und somit laut Definition als Sturm einzuordnen ist. Die hohen Windgeschwindigkeiten wurden überwiegend südlich des Tiefs gemessen. Nördlich vom Tief betrugen die Geschwindigkeiten circa 30 Knoten. Die Temperaturen erreichten um das Zentrum herum 15°C bis 20°C. Jedoch bildete sich eine Okklusionsfront, also eine Mischfront, die durch das Einholen der Warmfront durch die Kaltfront entstanden ist, hinter der vorherrschenden Kaltfront mit derselben Zugrichtung, diese war aber noch nicht so weit ausgedehnt. Die Warmfront hatte sich etwas nach Norden verlagert, konnte jedoch auch als nahezu stationär betrachtet werden. Nördlich der Azoren ging die Warmfront weiterhin in die Okklusionsfront des Tiefs FLAVIU über. Infolgedessen hat sich Hoch DRAGICA verstärkt. 

 

Am 17. Januar fiel der Kerndruck von Tief GORAN weiter auf 985 hPa, ein temporäres Minimum. Das Tief näherte sich immer weiter Europa, hatte aber noch keinen Einfluss auf das Wetter vor Ort. Das Frontensystem von GORAN war nun nahezu vollständig okkludiert und es folgte eine Phase leichter Abschwächung. Der Wind nahm weiter an Geschwindigkeit zu und dabei fiel Niederschlag nördlich vom Tief über den Azoren. Die Stationen auf den Azoren haben an diesem Tag 18 mm Niederschlag in flüssiger Form gemessen. Doch bereits am Tag darauf hörte der Niederschlag wieder auf.

 

Am 18. Januar schien sich die Lage etwas zu entspannen, der Wind nahm an Geschwindigkeit ab und der Luftdruck im Zentrum stieg wieder auf 995 hPa an. Das Tief GORAN hatte noch immer keinen Einfluss auf Europa, aber in den Vorhersagen war schon sein Potential zu erkennen und die Behörden warnten vor dem Sturmtief für die bevorstehenden Tage. Grund dafür war, dass sich erneut eine Warmfront auf der Vorderseite bildete und somit möglicherweise eine erneute Zyklogenese einsetzen konnte. Zudem verlagerte sich Hoch DRAGICA nach Süden, so dass sich GORAN auf den Spuren von Tief FLAVIU rasch auf den Weg nach Europa machen konnte.

Am 19. Januar änderte sich die Wetterlage in Europa durch den Einfluss von Tief GORAN. Die vorhergehenden Tage waren noch winterlich in Deutschland, vor allem im Süden des Landes. Doch durch die starken Winde wurde die warme Atlantikluft in einem breiten Strom immer weiter Richtung Europas Westküste transportiert. An den Küsten Spaniens, Frankreichs und der Britischen Inseln wurden zweistellige Plusgrade gemessen. In den folgenden Tagen konnte sich GORAN nochmals deutlich zu einem Sturmwirbel entwickeln. 

 

Dabei verlagerte sich das Tief weiter Richtung Nordosten und befand sich am 20. Januar um Mitternacht über den Britischen Inseln. Der Luftdruck verstärkte sich erneut auf 985 hPa und es herrschten weiterhin sehr starke Windverhältnisse. Die absolute Höchstgeschwindigkeit wurde an der französischen Station Ouría de Taramundi (in 340 m Höhe) mit 58 Knoten (107 km/h) gemessen. Hierbei ist aber zu erwähnen, dass sich die Station in Nähe der Küste befindet und deutlich höher gelegen ist als viele andere Stationen. Im Durchschnitt waren es europaweit Windgeschwindigkeiten von 20 bis 38 Knoten. Darüber hinaus brachte das Tief warme Luft mit sich, was dazu führte, dass es in Deutschland nochmals milder wurde. Vor allem im Westen des Landes sowie im Alpenvorland kam es positiven zweistelligen Temperaturen. Dabei fiel nur vereinzelt Niederschlag im Gebiet der Alpen. Garmisch-Partenkirchen-Kanter (920m) meldete 12 mm Niederschlag am Nachmittag des 20. Januars. Über Großbritannien fiel deutlich mehr Niederschlag. 45 mm registrierte die Station Capel Curiq (216 m) in England, welche als nassester Ort der Britischen Inseln angesehen wird, in den restlichen Teilen des Landes lag der Durchschnitt der Niederschlagssumme bei circa 10 mm.

 

Am 21. Januar lag das Zentrum von Tief GORAN über der Ostküste der Britischen Inseln und erreichte ein neues Luftdruck-Minimum von 970 hPa. Die Warmfront verlief vom Zentrum des Tiefs ausgehend über Skandinavien bis in den Westen Russlands. Über Deutschland lag eine Okklusionsfront. Die Temperaturen waren weiterhin mild und mit einer Höchsttemperatur von 13,3°C vergleichsweise warm für Januar. Der Wind war stürmisch und erreichte zum Beispiel auf dem schottischen Bergpass Bealach na (773 m) eine Geschwindigkeit von 70 Knoten. Über Westeuropa wurde vereinzelt Niederschlag gemessen von wenigen Millimetern bis hin zu 20 mm. Der meiste Niederschlag fiel an der Warmfront über Norwegen in Eik Hove (65 m) mit einer enormen Summe von 115 mm innerhalb 24 Stunden. Im Frontenbereich über Deutschland hatte die Sonne kaum Chancen durch die Wolkenschicht zu dringen. Vor und hinter der Front war es teilweise freundlich.

Das Tief verlagerte sich weiter Richtung Skandinavien. Am 22. Januar lag Tief GORAN über der Westküste Skandinaviens und erreichte seine maximale Entwicklung. Der Luftdruck betrug 960 hPa. Es bildete sich eine ausgeprägte Okklusionsfront, welche sich über der Nordsee einkringelte und dann weiter über den mittleren Teil Skandinaviens bis nach Russland reichte. Niederschlag fiel vor allem in Zentrumsnähe. Die Station Eik Hove (65 m) meldete an diesem Tag 24-stündig nochmals etwas mehr als 23 mm, noch höhere Summen fielen allerdings in Bergen mit knapp 39 mm und in Fossmark mit über 50 mm. Der Sturm hielt weiter an und sorgte für große Aufregung in Deutschland. In Nord- und Westdeutschland war die Feuerwehr im Dauereinsatz, um Bäume zu beseitigen und Straßen freizulegen. Die Temperaturen blieben weiterhin mild mit durchschnittlichen 10°C. Positiv auf die hohen Temperaturen wirkte sich auch die lange Sonnenscheindauer aus. Gebietsweise traten 30-40 Minuten Sonnenschein pro Stunde auf.

Am 23. Januar änderte sich einiges über Europa. Die Tiefdruckgebiete JUSSUF und IREK nahmen immer mehr Einfluss auf das Wetter über Deutschland und Gesamteuropa. Währenddessen zog das Tief GORAN weiter nach Norden. Sein Zentrum lag nur teilweise über dem Skandinavischen Festland, der Großteil jedoch über der Nordsee westlich vor der Küste Norwegens. Der Luftdruck stieg langsam auf 980 hPa an und die Fronten schwächten sich ab. Vom Zentrum ausgehend erstreckte sich eine Okklusionsfront nach Norden und endete über der Barentssee. Das wirkte sich auch auf die Temperaturen aus. Es strömte nur noch wenig warme Luft nach. In Ostdeutschland betrugen die Temperaturen nur noch niedrige Plusgrade. In Berlin Dahlem (51 m) wurde im Einflussbereich von Tief IREK lediglich 2,7°C gemessen. Im Westen hingegen blieb es währenddessen etwas milder mit 6,7°C in Duisburg-Baerl. Ausschlaggebend dafür war auch der Unterschied der Sonnenscheindauer über Berlin. Im Westen von Deutschland war es gebietsweise sonnig, wobei der Osten gar keine Sonne hatte an diesem Tag. Niederschlag fiel über Deutschland wenig, außer in Süddeutschland, da wurden große Mengen Niederschlag gemessen, dieser war ebenfalls durch das Frontensystem von Tief IREK ausgelöst. Beispielsweise wurde an der Station Cansiglio-Tramedere (1022 m) in Italien eine Niederschlagssumme von 93 mm gemeldet. Das Tief GORAN sorgte währenddessen für teils zweistellige Niederschlagswerte an Norwegens Westküste. So meldete die Station Furuneset über 17 mm und Hitra, eine Insel, die dem Trondheimsfjord vorgelagert ist, bekam immerhin noch 14,5 mm 24-stündig bis zum Morgen des 24. Januars zusammen. In diesen Regionen war es auch weiterhin sehr windig, jedoch wurden die sturmartigen Geschwindigkeiten nicht mehr vom Tief GORAN hervorgebracht, sondern durch die nachrückenden Tiefdruckgebiete. Durchschnittlich waren es Geschwindigkeiten um die 27 Knoten. Zu erwähnen ist aber, dass die Station Kvamskogen-Jonshogdi (455m) 50 Knoten meldete, was aber durchaus mit der Höhenlage zu tun haben könnte. In großen Teilen Deutschlands war es jetzt nass kalt geworden.

Am 24. Januar ließ sich der Trend immer besser erkennen. Der Luftdruck im Zentrum stieg auf 990 hPa an. Tief GORAN hatte kaum bis keinen Einfluss mehr auf Deutschland. Nur noch der nördliche Teil der Britischen Inseln und die Westküste Norwegens standen unter dessen Einfluss. Des Weiteren beeinflusste das Tief die Windgeschwindigkeiten auf Island. Auf den isländischen Inseln war es stürmisch, die Station Lómagnúpur (55 m) meldete 51 Knoten. Nur im Landesinneren war es mit durchschnittlich 20 Knoten etwas ruhiger. In Schottland wurden an der Station Cairnwell (933 m) 35 Knoten gemeldet. An der Westküste Norwegens war es etwas ruhiger, aber dennoch sehr windig mit knapp 25 Knoten im Mittel. Der Niederschlag ließ nach. Åfjord, eine Kommune 80 km nordwestlich von Trondheim vermeldete knapp 5 mm, nur an der isländischen Station Setur kam mit knapp 18 mm noch etwas mehr Niederschlag zusammen.

 

Der Luftdruck betrug nur noch 995 hPa am 25. Januar und die Ausdehnung des Tiefs GORAN hatte deutlich abgenommen. Das Tief lag über den Shetlandinseln und die Fronten hatten sich komplett aufgelöst, beziehungsweise sind in andere Frontensysteme übergegangen. Die Temperaturen sowie der Wind blieben unverändert. Auch fiel kein Niederschlag in den Gebieten, welche vom Tief GORAN noch hätten beeinflusst werden können.

 

In den frühen Morgenstunden des 26. Januars wurde das Tief GORAN das letzte Mal in der Karte analysiert. Der Luftdruck betrug zu dem Zeitpunkt 1005 hPa. Europa stand schon länger unter dem Einfluss vom Tief ELKE und Tief LARS. Im Tagesverlauf löste sich GORAN letztendlich vollständig auf. Mit einer Lebensspanne von insgesamt 11 Tagen auf der Berliner Wetterkarte hatte das Tief jedoch gegenüber anderen Tiefdrucksystemen ein ungewöhnlich langes Leben.