Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet GORDON
(getauft am 27.01.2017)
Unter normalen Bedingungen führt der Austausch
zwischen kalten Luftmassen vom Pol und warmer Luft aus Äquatornähe zu einer
globalen Zirkulation, welche in unseren Breiten überwiegend zu Westwinden
führt. Bestimmte Wetterlagen sorgen allerdings dafür, dass die treibenden
Westwinde der mittleren Troposphäre, genannt Jetstreams, nach Norden und Süden abgelenkt werden. Diese
sogenannten Blockierungswetterlagen
bestehen allgemein aus einem starken und großräumigen Hochdruckgebiet, welches
sich bis in die obere Troposphäre durchsetzt. Eine solche Blockierung hatte
sich Ende Januar über Europa entwickelt. Stromaufwärts des Hochdruckkeils
befand sich über dem Nordostatlantik ein ebenfalls recht kräftiges Höhentief,
auf dessen Vorderseite immer wieder Zyklogenesen, also Tiefdruckentwicklungen,
stattfanden.
Einer dieser Tiefdruckkerne zog in der Nacht zum 27.
Januar von Irland in Richtung Island und wurde von den Meteorologen der
Berliner Wetterkarte in der Analyse auf den Namen GORDON getauft. Durch die
zyklonale Luftbewegung, also gegen den Uhrzeigersinn gerichtet, um das Tief
GORDON wurde auf dessen Südseite kalte Luft nach Osten transportiert, weshalb
sich dort vom Kern nach Süden über Irland und bis zur Biskaya eine Kaltfront
bildete. Nach Norden wurde ebenfalls eine Kaltfront analysiert, welche von
einem weiteren Tief nordöstlich von Island gesteuert wurde. Durch die Hebung
entlang der Fronten bildeten sich dichte Wolkenbänder und Niederschlag, welcher
in der milden Atlantikluft mit Tageshöchsttemperaturen bis 10°C als Regen fiel.
Zwischen 07 und 19 Uhr MEZ registrierten beispielsweise die Flughafen-Stationen
von Shannon 3 l/m², Belfast 1 l/m² und Jersey ebenfalls 3 l/m².
Im Tagesverlauf verstärkte sich Tiefdruckgebiet GORDON
von 995 auf 985 hPa und vereinigte sich dabei bis 01 Uhr MEZ des Folgetages mit
einem weiteren Tiefdrucksystem zu Tief GORDON I etwa 400 km südöstlich von
Island. Des Weiteren bildete sich eine neue Welle entlang der Kaltfront über
Wales. Dieser neue Kern wurde in der Bodenanalyse des 28. Januars als Kern
GORDON II benannt. Das Frontensystem bestand, dort wo die Kaltfront bereits den
Warmluftsektor angehoben hatte, aus einer eingedrehten Okklusion vom Kern des
Tiefs GORDON I nach Nordwesten bis Island. Diese Struktur war sehr gut in den
spiralförmigen Wolkenbändern im Satellitenbild erkennbar. Anschließend trennte
sich die Front am sogenannten Okklusionspunkt in eine Warmfront und eine
Kaltfront auf. Die Warmfront verlief nach Nordosten über das Europäische
Nordmeer bis Norwegen. Die Kaltfront zog sich in einem Bogen nach Osten und
dann nach Süden bis Schottland, wo sie in die Warmfront der Zyklone GORDON II
überging. Diese neue Welle über Wales hatte zu diesem Zeitpunkt einen Kerndruck
von etwa 1005 hPa und steuerte außer der Warmfront über Großbritannien auch eine
Kaltfront, welche nach Süden bis zur französisch-spanischen Grenze reichte. Da
die Blockierung in Form des Hochs DORIS mit Zentrum über Ungarn weiterhin
vorhanden war, wurde der Tiefdruckkomplex GORDON im Tagesverlauf nach Nordosten
abgelenkt. Tief GORDON II mit seiner Kaltfront überquerte dabei England und
Frankreich mit leichtem bis mäßigem Regen. Zwölfstündig wurden bis 07 Uhr MEZ
in Aberporth 10 l/m², in Plymouth 11 l/m² und in
Nantes 2
l/m² gemessen. In den folgenden 12 Stunden registrierten
Aberdeen 5, Carlisle 10 und Avord
3 l/m². Westdeutschland wurde in der Nacht zum 29. Januar von dem
Frontensystem nur leicht gestreift. Die größte Menge Regen wurde in Essen mit immerhin
2,6 l/m²
in den folgenden 6 Stunden nach 19 Uhr MEZ gemessen.
Besonders starker Wind ging mit dem Durchzug des Systems GORDON nicht einher,
da die Gradienten des Drucks verhältnismäßig niedrig waren. Mit Ausnahme
einiger Sturmböen bis 100 km/h an den ungeschützten Küsten Englands und
Norwegens wurden kaum nennenswerte Windereignisse registriert.
Am Morgen des 29. Januar lag der Kern des Tiefs GORDON
I mit weiterhin rund 985 hPa über dem Europäischen Nordmeer etwa 700 km
nordöstlich von Island. Von dort zog sich eine Okklusion nach Süden und ging
über in eine Kaltfront nach Südosten. Außerdem verlief eine Warmfront nach
Osten bis zu den Fronten eines Randtiefs über dem Weißen Meer. Etwa 200 km
nordöstlich des Kerns trennte sich eine weitere Kaltfront nach Süden von der
Warmfront ab, bevor sie im Einflussbereich des Wirbels GORDON II in eine
Warmfront überging. Die Zyklone GORDON II war mit etwa 1000 hPa Kerndruck am
Boden deutlich schwächer ausgeprägt, setzte sich allerdings in der Höhe bis
ungefähr 5 km als Höhentief fort. Dadurch wurde südlich dieser
Tiefdruckanomalie kalte Luft vom Atlantik nach Mitteleuropa transportiert. Auf
der Vorderseite war diese polare Meeresluft von einer Kaltfront vom Kern aus
über die Nordsee, Belgien und Frankreich bis Andorra begrenzt. Tief GORDON II
befand sich an diesem Tag bereits wieder in Auflösung, sorgte jedoch besonders
am Vormittag, also zwischen 07 und 13 Uhr MEZ mit seiner Kaltfront, welche über
Norddeutschland, Dänemark und Südschweden zog, noch für beispielsweise 1 l/m²
Regen in Brüssel, 1,5 l/m² in Cuxhaven und am Nachmittag 1,1 l/m² in Kiel. An der Nordseeküste Norwegens führte zusätzliche Hebung im
Kerngebiet des Tiefs sowie an der steilen Küste zu bis zu 28 l/m² in 12 Stunden, wie in Eik Hove.
Hinter der Front sorgte die polare Luftmasse für sinkende, allerdings kaum
winterliche Temperaturen. Da die Luft vom milden Ozean advehiert, also
herangeführt, wurde, konnten beispielsweise in Antwerpen auch am 29. Januar
noch 7°C als Höchsttemperatur registriert werden. Am Vortag waren es in der
kontinentalen Luft noch 11,6°C.
Zum 01 Uhr MEZ-Termin des 30. Januar zeigte die
Bodenanalyse nur noch ein Tiefdruckgebiet GORDON über der nord-norwegischen
Küste als Teil einer Tiefdruckbrücke bis zur russischen Südinsel. Das Frontensystem
bestand jeweils ausgehend vom Kern aus einer kurzen Okklusion nach Südwesten,
einer Kaltfront entlang der norwegischen Küste und einer Warmfront nach
Nordosten. Weiterhin wurde eine Höhenkaltfront über dem Bottnischen Meerbusen
und der Ostsee von der großräumigen Zirkulation um die Zyklone GORDON
gesteuert. Das gesamte Frontensystem produzierte nun nur noch geringe
Niederschlagsmengen. In Helsinki wurden 3 l/m², in St. Petersburg 0,7 l/m² und
in Tromsø
1 l/m²
in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ gemessen. Allerdings fiel
der Niederschlag in diesen nördlicheren Gebieten aufgrund von Temperaturen um
den Gefrierpunkt überwiegend als Schnee. Das kann die Messung der
Niederschlagsmenge verfälschen, da je nach Schneebeschaffenheit und
Messverfahren nicht die komplette Menge registriert wird.
Bis zum 31. Januar zog der Wirbel GORDON weiter nach
Nordosten bis über die zum Nordpolarmeer gehörende Karasee. Dabei verstärkte
sich der Kerndruck noch weiter auf 975 hPa. An der Front, welche um 01 Uhr MEZ
vom Kern bis etwa St. Petersburg als Okklusion und von dort bis Stockholm als
Kaltfront analysiert wurde, kamen über Westrussland und dem Baltikum noch
einmal Schneemengen bis 1 l/m² in 12 Stunden zusammen, was die Schneehöhen von
vielerorts bis zu 40 cm jedoch nur um wenige Zentimeter erhöhte. Schließlich
entfernte sich das Tiefdruckgebiet GORDON im Tagesverlauf noch weiter nach
Nordosten und verschwand damit aus dem Darstellungsbereich der Berliner
Wetterkarte.
Geschrieben am 16.03.2017 von Jannick
Fischer
Berliner Wetterkarte: 28.01.2017
Pate: Gordon Brodte