Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GRAINNE

(getauft am 07.09.2012)

 

Am 07. September 2012 wurde ein Tiefdruckgebiet über dem westlichen Nordatlantik einige Hundert Kilometer östlich von Neufundland auf den Namen GRAINNE getauft. Es entstand als sogenannter Kaltlufttropfen, einem Höhentief am Südrand des Jetstreams, eines ausgedehnten Starkwindbandes in den höheren Schichten der Atmosphäre. Zum Zeitpunkt der Taufe betrug der Kerndruck im Zentrum des Wirbels GRAINNE knapp 1000 hPa und von dort gingen mehrere Fronten aus. Zum einen reichte eine kurze Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, eine sogenannte Okklusionsfront, nach Südwesten, zum anderen zogen sich in östlicher und südöstlicher Richtung je eine Warm- und eine Kaltfront, zwischen denen sich der Warmluftsektor aufspannte. Die Warmfront des Tiefs GRAINNE ging an ihrem östlichen Ende in die Kaltfront eines Tiefdrucksystems über Nordeuropa über, während die Kaltfront im Gebiet südwestlich der Azoren Anschluss zur Warmfront des Hurrikans MICHAEL hatte.

Am Morgen des Folgetages hatte sich das Zentrum des Tiefs GRAINNE etwas weiter nach Nordosten verlagert. Nun betrug der Kerndruck knapp
unter 995 hPa, das Tiefdruckgebiet hatte sich also noch etwas verstärkt. Vom Zentrum der Zyklone GRAINNE ging eine wenige Hundert Kilometer lange Okklusionsfront in nordöstlicher Richtung aus. An ihrem östlichen Ende, dem Okklusionspunkt, trafen die bis über Schottland reichende Warmfront und die nach Süden bis westlich der Azoren verlaufende Kaltfront zusammen. Die zum Tief GRAINNE gehörende Warmfront brachte im Norden der Britischen Inseln etwas Regen oder Sprühregen. Mit Zufuhr sehr warmer Luftmassen stieg die Temperatur an der Wetterstation Lajes auf den Azoren auf 28°C an, womit es deutlich wärmer als am Vortag war, als lediglich 23°C erreicht wurden.

Am 09. September lag das Tiefdruckgebiet GRAINNE westlich der Britischen Inseln und südlich von Island. Es war mit seinem Zentrum über einige Hundert Kilometer in Nord-Süd-Richtung ausgedehnt, wobei in seinem südlichen Teil ein Kern von knapp unter 1000 hPa Luftdruck beobachtet wurde und im Norden ein Zentrum mit ca. 995 hPa. Von diesem ausgehend, verlief eine langgestreckte Kaltfront in südlicher bis südwestlicher Richtung bis zu den Azoren, um dort in die Warmfront eines unbenannten Tiefs über dem westlichen Nordatlantik überzugehen. Außerdem ging vom südlichen Kern des Tiefs GRAINNE eine kurze Warmfront nach Norden aus, die bald in die Kaltfront des nördlicheren Kerns überging. Dieser befand sich vor der isländischen Südküste. Vom nördlichen Kern ging eine lange Warmfront in südöstlicher Richtung aus. Sie verlief entlang der Faröer-Inseln, südlich an Norwegen vorbei, überquerte Dänemark und den äußersten Nordosten Deutschlands bis über Ostpolen. Die zum Tief GRAINNE gehörenden Fronten brachten gebietsweise Niederschlag. Auf den Azoren fielen so zum Beispiel 3 Liter Niederschlag pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des Folgetages. Im gleichen Zeitraum kamen an den schottischen Stationen Glasgow und Stornoway auf den Äußeren Hebriden jeweils 2 l/m² zusammen. Auf der Vorderseite des Tiefdruckgebietes GRAINNE wurde im Warmluftsektor zudem sehr warme Luft von Südwesten nach Mitteleuropa herangeführt, so auch nach Deutschland. An diesem Tag wurde am Flughafen Münster-Osnabrück ein Höchstwert von 30,8°C erreicht, und damit war das Kriterium für einen heißen Tag nach meteorologischer Definition erfüllt. Selbst der Brocken im Harz, immerhin 1142 Meter hoch, meldete eine Höchsttemperatur von 19,2°C.

Am 10. September hatte sich das Tiefdruckgebiet GRAINNE weiter nach Nordosten verlagert. Östlich von Island lag der Kern mit einem Luftdruck von knapp unter 980 hPa. Das Tief GRAINNE hatte sich somit noch einmal deutlich verstärkt. Vom Tiefdruckzentrum ging eine Warmfront aus, die in einem Bogen über das Nordmeer und Skandinavien, sowie die Ostsee und Polen bis über die Karpatenregion verlief, um dort in die Kaltfront des Tiefs FEE überzugehen. Vom Kern des Wirbels GRAINNE zog sich außerdem eine Kaltfront über Schottland und den Norden Irlands bis einige Hundert Kilometer südwestlich Irlands. Etwas östlich der Shetland-Inseln begann zudem eine innerhalb des Warmluftsektors gelegene Okklusionsfront, die über die Nordsee und den Südosten Englands verlief und über dem Ärmelkanal in eine Kaltfront überging, die über die Bretagne bis zur westlichen Biskaya weiterreichte, wo sie in die Warmfront eines unbenannten Wirbels westlich der Iberischen Halbinsel überging. Entlang der Okklusionsfront bildeten sich über der Nordsee teils kräftige Schauer und einzelne Gewitter. An der Wetterstation Schleswig fielen bis zum nächsten Morgen 6 l/m². Im irischen Shannon kamen 11 l/m² zusammen und im norwegischen Bergen waren es durch Staueffekte der von Westen heranziehenden Wolken und Niederschlagsgebiete am Gebirge 33 l/m². Gleichzeitig war hinter den Fronten des Tiefs GRAINNE deutlich kühlere Luft angelangt. In Glasgow erreichte die Temperatur an diesem Tag lediglich 14°C, während es im norwegischen Trondheim 21°C warm wurde.

Die Lage des Tiefdruckkerns des Wirbels GRAINNE hatte sich bis zum 11. September kaum verändert, und auch der Kerndruck lag mit etwas unter 980 hPa ungefähr auf dem Niveau des Vortages. Die zugehörigen Fronten hatten sich allerdings weiter verlagert und das Tief war zum Teil okkludiert, das heißt die Kaltfront hatte die Warmfront zum Teil eingeholt. Dementsprechend zog sich vom Tiefdruckkern eine Okklusionsfront in nördlicher Richtung über die Insel Jan Mayen bis zum Okklusionspunkt auf der geographischen Breite des Nordkaps. Von dort erstreckte sich eine Warmfront über Lappland bis zum nördlichen Ende des Bottnischen Meerbusens. Die Kaltfront lief entlang der norwegischen Küste bis über den zentralen Nordatlantik. Auf Jan Mayen äußerte sich die Okklusionsfront durch zeitweiligen Regen und Sprühregen, der bis zum Morgen des Folgetages eine Niederschlagssumme von 2 l/m² zur Folge hatte. Im norwegischen Bergen fielen weitere 21 l/m² Regen.

Mittlerweile hatten sich zwei Zentren des Tiefdruckgebietes GRAINNE gebildet. Der Wirbel GRAINNE I war das südlicher gelegene Teiltief und befand sich mit einem Kerndruck von etwas unter 985 hPa auf einer Position etwa 500 km westlich von Trondheim. Das nördlichere Teiltief GRAINNE II lag mit einem ähnlichen Kerndruck vor der nordnorwegischen Küste auf der Breite des Polarkreises. Vom Teiltief GRAINNE I ging eine Okklusionsfront zunächst in südwestlicher, dann bald über Westen auf nördliche Richtung drehend aus und lief östlich von Jan Mayen bis über das Seegebiet zwischen Grönland und Spitzbergen zum Okklusionspunkt. Von dort zog sich eine Okklusion in einem Bogen über Spitzbergen nach Süden bis zu einem weiteren Okklusionspunkt knapp südlich der arktischen Inselgruppe. Von dort verlief eine Warmfront in südöstlicher Richtung über Lappland bis über den Nordwesten Russlands knapp nördlich von Moskau. Vom letztgenannten Okklusionspunkt ging außerdem eine weitere kurze Okklusionsfront aus, die bis zum Teiltief GRAINNE II reichte, von wo wiederum eine kurze Kaltfront bis nach Nordnorwegen ausging, um dort in die Warmfront eines nordskandinavischen, unbenannten Tiefs überzugehen. Außerdem reichte eine teils verwellte Kaltfront über Norwegen und Schweden, Stockholm, die Ostsee, Prag, Genf, Bordeaux und Nordspanien bis einige Hundert Kilometer hinaus auf den Nordatlantik. Die im Zusammenhang mit dem Tiefdrucksystem GRAINNE I und II aktiven Fronten brachten auf Jan Mayen bis zum Morgen des nächsten Tages 12 l/m² und in Trondheim 2 l/m² Niederschlag. Insbesondere an der lang gezogenen Kaltfront entwickelten sich auch teilweise Gewitter, die mit Sturmböen der Stärke 10 einher gingen, wie z.B. mit 51 kn im fränkischen Selb. In ganz Deutschland fielen beim Durchzug der Kaltfront verbreitet mehr als 20 l/m², wie beispielsweise in Groß Lüsewitz mit 22 l/m², Chemnitz mit 30 l/m² und Plauen mit 36 l/m² in 24 Stunden.

Am 13. September war ein einzelner Kern des Wirbels GRAINNE über dem Nordmeer zwischen Jan Mayen und Norwegen aktiv. Der Kerndruck betrug etwas unter 990 hPa. Von dort zog sich eine Okklusionsfront nach Nordosten bis zum Okklusionspunkt nördlich von Jan Mayen, von wo eine Warmfront weiter nach Norden verlief und eine weitere Okklusionsfront in einem Bogen nach Südosten bis Lappland reichte, wo sich ein weiterer Okklusionspunkt befand. Dort trafen eine Warmfront und eine Kaltfront zusammen. Die Warmfront verlief nach Südosten über Russland bis zum Ural. Die Kaltfront reichte über Karelien und den Raum St. Petersburg, sowie das östliche Baltikum und weiter über Ostpolen bis zur Slowakei, wo sie in eine Warmfront des Norditalientiefs HERMINE überging. Auf Jan Mayen fielen weitere 2 l/m² Niederschlag, in Murmansk in Nordwestrussland kamen 12 l/m² zusammen und in der polnischen Hauptstadt Warschau waren es 10 l/m².

Am 14. September lag das Tiefdruckgebiet GRAINNE mit einem Kerndruck von ungefähr 990 hPa südlich von Spitzbergen, von wo eine Okklusionsfront über Nordrussland bis zum Okklusionspunkt bei Archangelsk reichte, an dem eine kurze Warmfront, sowie eine Kaltfront, die nach Süden über das westliche Russland, Weißrussland bis zur westliche Ukraine reichte, zusammentrafen.

Bis zum nächsten Tag blieb die Lage des Tiefs GRAINNE und seiner Fronten nahezu unverändert, bis auf die Tatsache, dass die Kaltfront etwas weiter nach Osten vorangekommen war und in Moskau für Niederschlag sorgte.

Am 15. September war das Tiefdruckgebiet GRAINNE zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.

 


Geschrieben am 13.11.2012 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 09.09.2012

Pate: Grainne Dempsey