Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet GRITT
(getauft am 01.04.2012)
Am 01. April 2012 bildete sich auf der
Rückseite des Tiefdruckgebietes FABIOLA, das mit seinem Zentrum bei den
Faröer-Inseln über dem Nordatlantik lag, ein neues Tiefdruckgebiet aufgrund
einer Verwirbelung an der Luftmassengrenze, die kalte von warmer Luft trennte.
Da abzusehen war, dass dieses Tief für Europa wetterwirksam werden würde, wurde
es in der Prognose für den Folgetag auf den Namen GRITT getauft wurde.
Am Morgen des 02. April lag der Kern des
Tiefdruckgebietes GRITT knapp südlich von Island. Dort herrschte ein Luftdruck
von etwas unter 1015 hPa. Nach Südosten zog sich eine Warmfront bis vor
die schottische Küste, um dort in die Kaltfront des Tiefs FABIOLA überzugehen,
während sich nordwestlich vom Zentrum des Tiefs GRITT eine Kaltfront bis vor
die grönländische Ostküste erstreckte.
Bis zum Morgen des Folgetages hatte sich das
Zentrum der Zyklone GRITT mit der vorherrschenden nordwestlichen bis westlichen
Höhenströmung in rund 5,5 km Höhe über den Norden der Britischen Inseln
verlagert und dabei auf einen Kerndruck von unter 1005 hPa verstärkt. Entsprechend
kam es besonders in Schottland zu Niederschlägen. In Edinburgh beispielsweise wurden
innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 03. April 8 l/m²
gemessen, an der Wetterstation Stornoway auf den Äußeren Hebriden, die Schottland
nordwestlich vorgelagert sind, waren es 11 l/m² im gleichen Zeitraum.
Während Stornoway zu dieser Zeit Schauer meldete, registrierte Edinburgh
Schneeregen. An der in den schottischen Highlands liegenden Wetterstation
Aviemore bildete sich sogar eine 19 cm dicke Schneedecke. Vom Kern des
Tiefdruckgebietes GRITT zog sich die Warmfront über die Nordsee und quer über
Deutschland hinweg bis über die Slowakei. Die Kaltfront reichte über den
nördlichen Nordatlantik bis ins Seegebiet zwischen Island und Grönland. Die
Warmfront machte sich in Mitteleuropa durch starke Temperaturunterschiede
bemerkbar. In Lübeck erreichte die Temperatur einen Höchstwert von 2,9°C,
während es in Magdeburg 14,6°C warm wurde. Die als scharfe Luftmassengrenze
ausgeprägte Warmfront brachte an einigen Orten zweistellige Niederschlagsummen
bis zum Morgen des 04. April. So fielen innerhalb von 24 Stunden in
Lüchow im niedersächsischen Wendland 17 l/m² und in Hannover 12 l/m².
Währenddessen verlagerte sich das Zentrum des Tiefs GRITT mit einem Kerndruck
von etwas unter 1005 hPa über Mittelengland. Über der Mitte Deutschlands
lag das „Schwestertief“ HEIDE, das mit dem Tiefdruckgebiet GRITT einen Dipol
bildete – beide beeinflussten das Wetter über Zentraleuropa. Etwa vom Kern des
Tiefs GRITT ging eine Warmfront aus, die über die Nordsee, Norddeutschland und
Polen bis über die Ukraine reichte. Ebenfalls ungefähr vom Kern des Tiefs GRITT
ausgehend, verlief eine Kaltfront entlang der ostenglischen Küste, über den
Ärmelkanal bis über die Bretagne und die Normandie und weiter auf den
Nordatlantik hinaus bis an den Rand eines Hochdruckgebietes südlich von Island.
Die Warmfront und die Kaltfront trafen sich am sogenannten Okklusionspunkt, von
dem aus die Okklusionsfront, eine Mischfront mit Warm– und
Kaltfronteigenschaften, bis zum Tiefdruckzentrum verlief. Die Okklusionsfront
war allerdings noch sehr kurz und kaum auf der Wetterkarte zu erkennen.
Bis zum Morgen des 05. April hatte sich der
Kern des Tiefdruckgebietes GRITT bis zur Biskaya verlagert. Damit folgte es in
seiner Bewegung einem in der Höhe befindlichen Tiefdruckgebiet, einem sogenannten
Kaltlufttropfen. Von dort reichte die schon länger gewordene Okklusionsfront
bis zum Ärmelkanal, wo sich die über Belgien bis nach Nordrhein-Westfalen
verlaufende Warmfront und die von Nord nach Süd über Frankreich reichende
Kaltfront trafen. Während die Warmfront im Osten Anschluss an das mittlerweile
über Weißrussland und der Ukraine aktive Tiefdruckgebiet HEIDE hatte, ging die
Kaltfront über Südfrankreich in die Warmfront eines unbenannten
Tiefdruckgebietes über dem Nordwesten der Iberischen Halbinsel über.
Am Morgen des 06. April lag der Kern des
Wirbels GRITT über dem Nordwesten der Iberischen Halbinsel. Von der spanischen
Region Galizien zunächst nach Süden über das nördliche Portugal reichend, erstreckte
sich die Okklusionsfront erst nach Westen, dann nach Norden über den Atlantik
und zog den Bogen weiter nach Osten bis zur Biskaya, wo sich der
Okklusionspunkt befand. Dort setzte eine Luftmassengrenze die Wirbelform fort,
die als Warmfront bis nach Nordspanien und dann als Kaltfront bis über den
Süden des Landes und weiter nach Marokko gekennzeichnet war, um schließlich
zwischen den Kanarischen Inseln und der Inselgruppe Madeira über den Atlantik
nach Nordwesten bis vor die Azoren zu reichen. Außerdem ging vom
Okklusionspunkt eine Warmfront bis nach Zentralfrankreich aus, die dort Anschluss
zu einer verwellten Luftmassengrenze hatte, die über Deutschland und Polen
reichte und ihrerseits über der Ukraine in die Kaltfront des über Rußland
liegenden Tiefs HEIDE überging.
Bis zum Morgen des 07. April verlagerte sich
das Tiefdruckgebiet GRITT über den Südwesten Frankreichs und die vorgelagerten
Gebiete der Biskaya. Einige Hundert Kilometer zog sich einerseits nach Westen
eine parallel zur spanischen Nordküste verlaufende Okklusionsfront,
andererseits erstreckte sich nach Osten bis etwa zum Zentralmassiv eine weitere
Okklusionsfront. An diese Okklusion schlossen sich
eine bis über die Westalpen reichende Warmfront, sowie eine über Südfrankreich
und westlich vor Korsika bis nach Algerien verlaufende Kaltfront an. Die
Warmfront hatte wiederum Anschluss zu einer verwellten Luftmassengrenze, die
sich über die Südalpen und das östliche Mitteleuropa und Rußland bis zum Ural
zog. Bis um 08 Uhr MESZ fielen im Bereich des Tiefdruckkerns und der
Okklusionsfronten die größten Niederschlagsmengen, wie beispielsweise 25 l/m²
in Bordeaux. In Toulouse summierte sich der Niederschlag auf 12 l/m². Korsika
wurde am Morgen des 07. April auch von der Kaltfront überquert, sodass bis
08 Uhr MESZ 14 l/m² gemessen wurden, wovon der meiste
Niederschlag zwischen 06 und 08 Uhr MESZ und zwar in Form von gewittrigen
Schauern fiel. Auch in Genf, in der Nähe der Warmfront, kamen innerhalb von
24 Stunden mit 10 l/m² recht große Mengen zusammen.
Am 08. April lag der Kern des Tiefdruckgebietes
GRITT mit einem Luftdruck von etwas unter 1000 hPa über Norditalien. Dort
lag auch der Okklusionspunkt. Von diesem zog sich eine Okklusionsfront nach
Westen über Südfrankreich. Dazu reichte eine kurze Warmfront über die Adria bis
nach Kroatien, um dort in eine weiter nach Nordosten verlaufende, verwellte
Luftmassengrenze überzugehen. Zusätzlich erstreckte sich, vom Okklusionspunkt
und somit nahe dem Zentrum des Tiefdruckgebietes GRITT ausgehend, eine
Kaltfront, die über die Adria und das Ägäische Meer bis vor die libysche Küste
reichte. Die Wetterstation Ajaccio auf Korsika meldete in den zurückliegenden
24 Stunden bis 08 Uhr MESZ weitere 13 l/m², ebenso wie
Venedig, und im südkroatischen Dubrovnik kamen im gleichen Zeitraum 17 l/m²
zusammen. In Neapel wurden 22 l/m² gemessen. Die Niederschläge in diesen
Regionen waren wiederum konvektiv, also als Schauer und teils auch Gewitter
ausgeprägt.
Bis zum Morgen des 09. April hatte sich der
Kern des Tiefs GRITT, in dem weiterhin ein Luftdruck von knapp 1000 hPa
gemessen wurde, nach Apulien im Süden Italiens und zum Ionischen Meer verlagert.
Nach Osten verlief eine Warmfront bis ins griechisch-albanische Grenzgebiet, wo
die Verbindung zu weiteren Tiefdruckgebieten über dem südöstlichen und
östlichen Europa in Form einer Kaltfront bestand. Nach Westen zog sich über
Apulien bis zum Tyrrhenischen Meer eine Kaltfront. Entsprechend waren die Gebiete
der stärksten Niederschläge verteilt, die zum Teil wieder als gewittrige Schauer
auftraten. In Neapel betrug die Niederschlagsmenge der vergangenen
24 Stunden 11 l/m², und auf der nordwestgriechischen Insel Korfu, auch
Kerkyra genannt, waren es 21 l/m².
Am 10. April hatte das Zentrum des Wirbels
GRITT die Ägäis erreicht. Der Kerndruck betrug ungefähr 1005 hPa. Zum
einen zog sich vom Tiefdruckzentrum eine Warmfront über die zentrale bis über
die nördliche Türkei, wo sie in die über das Schwarze Meer reichende Kaltfront
eines Tiefs über der Ukraine überging. Zum anderen verlief vom Kern des
Tiefdruckgebietes GRITT eine Kaltfront über die türkische Südküste und das
östliche Mittelmeer bis nach Ägypten. Während die Niederschlagsmengen der
letzten 24 Stunden in Griechenland mit 8 l/m² in Athen und mit
5 l/m² in Thessaloniki eher moderat ausfielen, regnete es in der Westtürkei
kräftiger. In Izmir kamen 21 l/m² durch Regen, teils schauerartig
verstärkt, zusammen.
Bis zum Morgen des 11. April brachte die
feuchte, labil geschichtete Luft über dem östlichen Mittelmeer gebietsweise
weitere Niederschläge, wie
die 24–stündigen Niederschlagsmengen der Region
zeigen. Im zyprischen Larnaca wurden 6 l/m² gemessen, in Izmir 9 l/m²
und in Heraklion auf Kreta 16 l/m². Das Tiefdruckgebiet GRITT war zu
diesem Zeitpunkt zum letzten Mal als bereits frontenloser Wirbel über der Türkischen
Riviera auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen, da es sich nachfolgend
auflöste und daher nicht mehr analysiert werden konnte.
Geschrieben am 14.6.2012 von Heiko Wiese
Berliner Wetterkarte: 03.04.2012
Pate: Gritt Schmidt-Gödelitz