Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GUNNAR

(getauft am 19.06.2011)

 

Am 19. Juni 2011 wurde ein Tiefdruckgebiet über dem Nordatlantik, ungefähr 1000 Kilometer südlich von Grönland, auf den Namen GUNNAR getauft. Vom Kern ausgehend, in dem ein Druck von unter 1005 hPa herrschte, zog sich über einige Hundert Kilometer eine Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, an die sich eine Warmfront bis kurz vor die portugiesische Atlantikküste sowie eine Kaltfront, welche einen Bogen nördlich an den Azoren vorbei bis weit südwestlich des Tiefdruckzentrums beschrieb, anschlossen. Bis zum Morgen des 20. Juni war der Wirbel GUNNAR weiter nach Osten gezogen und lag mit seinem Kern, in dem ein Druck von knapp unter 1000 hPa gemessen wurde, südlich von Island. Vom Zentrum des Tiefs GUNNAR ausgehend erstreckte sich die Okklusionsfront bis kurz vor die südirische Küste. Von dort reichte die Warmfront über den Ärmelkanal und Nordfrankreich bis in die BeNeLux-Länder und machte sich dort durch vielerorts dichte Wolken und Regen bemerkbar. Beispielsweise regnete es an Stationen im englischen Bournemouth, in Brüssel und in Luxemburg. Die Kaltfront verlief über den Atlantik bis zu den Azoren. An der dortigen Wetterstation Lajes wurde, für eine Kaltfront eher untypisch, Sprühregen gemeldet, wohingegen typischer Kaltfrontniederschlag in Form von Schauern fällt. Zwischen der Warmfront und der Kaltfront war der sogenannte Warmluftsektor aufgespannt, der an einigen Orten im Tagesverlauf für eine leichte Erwärmung im Vergleich zum Vortag sorgte. Paris meldete am 20. Juni eine um drei Grad höhere Temperatur als am Vortag. Bis zum Morgen des   21. Juni zog der Kern des Tiefdruckgebietes GUNNAR nur wenig weiter nach Osten voran. Von ihm ausgehend reichte die Okklusionsfront bis nach Mittelengland, von wo die Warmfront bis in den Westen Deutschlands und die Kaltfront über die Bretagne, die Biskaya und die Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel bis östlich der Azoren reichten. Im Bereich des sogenannten Okklusionspunktes, wo die Kaltfront die Warmfront eingeholt hatte, gab es bei starker Bewölkung teils länger anhaltenden Regen. In Paris kamen beispielsweise 13 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis um 8 Uhr Ortszeit zusammen. Im Tagesverlauf des 21. Juni verlagerte sich der Warmluftsektor weiter nach Osten und sorgte in Mitteleuropa für warmes Wetter. Dabei wurden die höchsten Temperaturen in der Schweiz und im Südwesten Deutschlands gemessen. In Zürich lag die Höchsttemperatur mit 29°C, nahe an einem sogenannten Heißen Tag, der ab einer Maximaltemperatur von 30°C registriert wird. Im Gegensatz dazu reichte das Maximum von Bendorf am Mittelrhein mit exakt 25°C gerade noch für einen sogenannten Sommertag. Gleichzeitig okkludierte das Tief GUNNAR weiter. Am Morgen des 22. Juni befand sich der Kern des Tiefs mit einem Druck von etwas unter 1005 hPa über dem Norden der Britischen Inseln, sowie der nördlichen Nordsee. Von Irland erstreckte sich die Okklusionsfront über Schottland, die Nordspitze Dänemarks und Südschweden bis nach Mittelpolen, von wo aus die kurze Warmfront bis in den Osten des Landes reichte, während die Kaltfront über Tschechien bis nach Tirol verlief. Im Bereich des Tiefdruckzentrums und unter Einfluss der Okklusionsfront gab es zum Teil ergiebigen Regen. Bis 7 Uhr Ortszeit wurde im schottischen Glasgow eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 25 l/m² gemessen, in Edinburgh waren es sogar 48 l/m² im gleichen Zeitraum. Tagsüber verstärkte sich ein südwestlich an die Kaltfront anschließendes, über dem Süden Frankreichs liegendes Wellentief und sorgte zusammen mit den Fronten des Haupttiefs GUNNAR für wechselhaftes Wetter und mancherorts kräftige Regenschauer und Gewitter. Bis zum Morgen des 23. Juni kamen in Glasgow weitere 15 l/m² zusammen, in Kopenhagen 25 l/m², und auch in Deutschland regnete es zum Teil ergiebig. Dazu gab es in Böen mitunter stürmischen Wind, wie in Berlin-Dahlem, wo am 22. Juni nachmittags Windspitzen von 20,3 m/s, d.h. Windstärke 8, auftraten. Ebenso gab es einen Verdacht auf einen Tornado im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg. Im niederbayerischen Gottfrieding wurde mit genau 30,0°C ein Heißer Tag erreicht, gleichzeitig war dies auch der wärmste Ort in Deutschland. Am 23. Juni waren zwei Teiltiefs des Tiefdrucksystems GUNNAR auf der Wetterkarte zu sehen. Das Tief GUNNAR I lag über dem südlichen Norwegen, von dort gingen je eine Okklusionsfront bis zum Finnischen Meerbusen und bis nach Nordengland aus. Der Wirbel GUNNAR II befand sich über Südschweden, von wo aus eine Okklusionsfront bis in die Gegend von Warschau reichte. Daran anschließend erstreckten sich eine Warmfront bis in die westliche Ukraine und eine Kaltfront bis über die Alpen. Hinter dieser Kaltfront war weiter wechselhaftes Wetter in Mitteleuropa vorherrschend, wobei zunehmend kühlere Luft von Nordwesten herangeführt wurde. In Cottbus wurde mit 25,4°C offiziell ein Sommertag erreicht, in Hannover waren es bereits kühlere 21,0°C und in Aachen sogar nur 19,7°C. Die höchsten 24-stündigen Niederschlagssummen kamen bis zum Morgen des 24. Juni zum einen im Süden Bayerns zusammen, wie an der Station Hohenpeißenberg mit 16 l/m², zum anderen gab es auch im Nordwesten Regenmengen über 10 l/m², so z.B. auf der Nordseeinsel Norderney mit 18 l/m². Mittlerweile gab es wieder einen einzigen Kern des Tiefdruckgebietes GUNNAR, der sich über dem Süden Finnlands befand, und von dem je eine Okklusion bis in den Raum Oslo sowie über Weißrussland bis in die Ukraine ausging, wo sich eine Kaltfront bis nach Norditalien anschloss. Am 24. Juni erhitzte sich die Luft tagsüber vor dieser Kaltfront in Rumänien auf Werte um 35°C und in der folgenden Nacht entluden sich örtlich kräftige Gewitter, die bis zu 28 l/m² innerhalb von 12 Stunden brachten. Am 25. Juni war das Zentrum des Tiefdruckgebietes GUNNAR über Lappland zu erkennen. Zwei Okklusionsfronten schlossen sich bis zum Kattegat und bis kurz nördlich von Moskau an, wobei vom Ende der östlicher gelegenen Okklusionsfront eine Warmfront bis nach Kasachstan und eine Kaltfront bis zum zentralen Mittelmeer ausgingen. Die Kaltfront sorgte im Südosten Europas für weitere Schauer und Gewitter. Vor der Kaltfront wurde in Istanbul eine Tageshöchsttemperatur von 28°C erreicht, in Kiew dagegen in der kühleren Luft nur 19°C. In Nordosteuropa war es im Bereich des Tiefdruckzentrums häufig wolkig oder stark bewölkt, wie im nordrussischen Archangelsk, während es weiter westlich hinter den Fronten wie in Oslo leicht bewölkt oder wie in Skagen an der Nordspitze Dänemarks sogar wolkenlos war. Zum 26. Juni hatte das Tief GUNNAR seinen Kern über die Region der Barentssee verlagert, von wo sich ein komplexes System aus zahlreichen Fronten nach Süden zog und unter anderem eine Tiefdruckrinne bildete, die über Russland und das Schwarze Meer bis zum östlichen Mittelmeer verlief. Während in Istanbul in kühlerer Luft nur noch eine Tageshöchsttemperatur von 23°C erreicht wurde, und es auch in Kiew mit einem Maximum von 17°C kühler war als am Vortag, stieg das Quecksilber östlich der Tiefdruckrinne auf sommerliche, teils hochsommerliche Werte. In Archangelsk wurden 28°C erreicht, in Wolgograd im Süden Russlands waren es sogar 31°C. Mit dieser Tiefdruckrinne und den erwähnten Fronten verbunden waren wiederum Schauer und örtliche Gewitter. In Odessa in der Ukraine am Schwarzen Meer fielen bis zum Morgen des     27. Juni 45 l/m² Niederschlag innerhalb von 24 Stunden. Tagsüber blieb die Tiefdruckrinne weiter bestehen, wobei der Kern des Tiefs GUNNAR über der nordrussischen Inselgruppe Nowaja Semlja lag. Weiterhin gab es große Temperaturunterschiede im Bereich des Tiefdrucksystems, die Temperaturgegensätze waren zum Teil sehr groß, wie z.B Wolgograd mit 33°C im Gegensatz zu Kiew mit 15°C. Am 28. Juni war das Tiefdruckgebiet GUNNAR zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte im Bereich der Mündung des Flusses Ob in das Nordpolarmeer zu erkennen, ehe es sich weiter nach Nordosten verlagerte und somit aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte zog.


Lebensgeschichte geschrieben am 09.08.2011 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 23.06.2011

Pate: Auskunft.de