Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GUNNAR

(getauft am 22.05.2015)

 

Am 22.05.2015 wurde ein Tiefdruckgebiet über der Davisstraße südwestlich von Grönland aufgrund seines vorhergesagten Einflusses auf das mitteleuropäische Wettergeschehen in der Prognose für den Folgetag auf den Namen GUNNAR getauft.

Das Tief GUNNAR befand sich am 23.05. um 02 Uhr MESZ unterhalb eines Kurzwellentroges, d.h. eines Vorstoßes kalter Luft nach Süden in 5,5 km Höhe, über der Dänemarkstraße vor der Südostküste Grönlands. Vom Kern des Wirbels GUNNAR, welcher zu diesem Zeitpunkt einen Druck von knapp unter 995 hPa aufwies, führte eine kurze Okklusion nach Nordosten. Eine Okklusion entsteht, wenn die schneller ziehende Kaltfront die vor ihr laufende Warmfront am sogenannten Okklusionspunkt einholt und sich so eine Mischfront mit Eigenschaften beider Frontentypen bildet. Vom Okklusionspunkt etwa 500 km westlich von Island erstreckte sich eine Warmfront nach Südosten über den Südwesten der Nordatlantikinsel bis zur Irischen See, wo sie in die Kaltfront des Nordmeerwirbels FRIEDER überging. Außerdem verlief vom Okklusionspunkt eine Kaltfront bogenförmig nach Süden bis über den zentralen Nordatlantik. Unter fortschreitender Okkludierung und Ausbildung eines zweiten Tiefdruckkerns über dem Nordosten Islands zog der Wirbel GUNNAR im Laufe des Tages weiter nach Osten. Dabei überquerte die zugehörige Okklusion Island und sorgte dort für zum Teil schauerartige Niederschläge von beispielsweise je 8 l/m² Regen in Eyrarbakki und am Flugplatz Keflavik innerhalb von 15 Stunden bis 11 Uhr MESZ. Mit dem Durchzug der Warmfront über den Britischen Inseln gelangten Irland und Schottland in den sogenannten Warmsektor, also dem Bereich zwischen Warm- und Kaltfront. Durch die nun einfließenden gemäßigten Luftmassen konnte sich die Luft in diesem Gebiet um wenige Grad im Vergleich zum Vortag erhöhen, wobei Tageshöchstwerte von 18,9°C in Oak Park in Irland und 18,7°C in Edinburgh gemessen wurden. Gleichzeitig fiel frontal leichter bis mäßiger Regen, wodurch in 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ dieses Tages 6 l/m² an der Schottischen Station South Uist Range und 3 l/m² am Flughafen im irischen Connaught zusammen kamen.

Der Wirbel GUNNAR konnte am Folgetag um 02 Uhr MESZ mit seinen nun zwei Kernen westlich und östlich von Island analysiert werden. Beide Tiefdruckzentren wiesen dabei einen Kerndruck von rund 995 hPa auf und waren durch eine Okklusion miteinander verbunden. Des Weiteren verlief vom Tief GUNNAR II über dem Nordmeer eine weitere Okklusion nach Südosten bis östlich der Färöer-Inseln, wo sich ihr Okklusionspunkt befand. Von dort führte einerseits eine Warmfront über die Shetlandinseln bis nahe Birmingham und andererseits eine Kaltfront über Schottland und Irland bis zum östlichen Nordatlantik, wo sie sich mit der Warmfront eines unbenannten Tiefs verband. Im Bereich der Tiefdruckzentren kam es in Island erneut zu Niederschlägen, die in 15 Stunden bis 11 Uhr MESZ 10 l/m² an der Station Skjaldthingsstadir, 6 l/m² in Grimsstadir und 3 l/m² in Eyrarbakki mit sich brachten. Entlang der Ausläufer des Tiefs GUNNAR II wurden ebenfalls nennenswerte Regenmengen gemessen, wie 11 l/m² am Saint Bees Head oder jeweils 8 l/m² in Lerwick und an der Station Skye/Lusa in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ dieses Tages. Bereits bis 02 Uhr MESZ wurden in nur 6 Stunden am Flughafen in Kirkwall 16 l/m² registriert. Dabei konnten in Großbritannien im Bereich gemäßigter Luftmassen Höchsttemperaturen von beispielsweise 21,5°C im östlich von London gelegenen Gravesend erreicht werden. Bis zum Abend zog das Frontensystem des Tiefdrucksystems GUNNAR und damit verbunden auch das Niederschlagsfeld weiter nach Osten. Die Niederschläge fielen dabei jedoch noch gering aus. Es wurden 6-stündig bis 02 Uhr MESZ des Folgetages lediglich je 2 l/m² im französischen Rouen und im belgischen Munte und 1 l/m² im niederländischen Hoek van Holland registriert.

Der Bewegung des Kurzwellentroges folgend verlagerte sich der Wirbel GUNNAR bis zum 25.05. weiter nach Osten bzw. Südosten. Dabei befand sich das Tief GUNNAR I um 02 Uhr MESZ mit einem Kerndruck von ca. 1001 hPa nordöstlich von Island und das Tief GUNNAR II mit einem Kerndruck von 1006 hPa knapp nördlich von Oslo. Beide Kerne waren weiterhin durch eine Okklusion verbunden. Vom Kern der Zyklone GUNNAR II erstreckte sich anschließend eine Kaltfront, welche in der Höhe als Okklusion analysiert wurde, über Dänemark, den Nordwesten Deutschlands, die Niederlande, Belgien und die Bretagne, bis sie westlich von Portugal über dem Ostatlantik endete. In Norwegen fielen hierbei die höchsten Niederschlagsmengen im Bereich des Kerns des Tiefs GUNNAR II. So wurden 24-stündig bis 08 Uhr MESZ 21,4 l/m² aus Fossmark, 23,0 l/m² aus Furuneset und 25,2 l/m² aus Liarvatn gemeldet. Vor der Luftmassengrenze über West- und Mitteleuropa bildete sich des Weiteren eine sogenannte Konvergenzlinie von den Vogesen bis zum Harz, an welcher die Luft verstärkt zusammenfließt und dann zum Aufsteigen gezwungen wird. Dabei traten vereinzelt Gewitter auf, wie in Koblenz, Würzburg oder am Hohenpeißenberg. Lokal konnten beim Durchzug der Ausläufer Regenmengen von über 15 l/m² in 12 Stunden registriert werden, wie in Öhringen mit 22 l/m², auf dem Feldberg im Schwarzwald mit 18 l/m² und in Aachen-Orsbach mit 16 l/m², wobei dort 15 l/m² allein innerhalb von 3 Stunden zusammen kamen. Während vor der Luftmassengrenze erwärmte Subpolarluft nach Mitteleuropa einfloss und so für Tageshöchstwerte von bis zu 23,5°C in Berlin-Tempelhof und Potsdam sorgte, fiel die Temperatur hinter der Front im Bereich maritimer Luftmassen subpolaren Ursprungs um einige Grad herab, wodurch in Gravesend nur noch maximal 16,3°C erreicht wurden.

Die beiden Kerne des Tiefdruckgebiets GUNNAR verblieben bis zum Folgetag mit nahezu unverändertem Kerndruck fast stationär nordöstlich von Island bzw. über Südskandinavien. Vom Tief GUNNAR II südöstlich von Oslo verlief eine Okklusion nach Norden, beschrieb dann einen Bogen über Stockholm und die Ostsee nach Süden und führte dann ab der Ostseeküste Polens den Charakter einer Kaltfront annehmend über Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg bis über den Osten Frankreichs. Außerdem spaltete sich südlich von Östersund eine weitere Okklusion nach Nordwesten ab, die über der norwegischen Nordmeerküste den Anschluss an die Okklusion des Tiefs GUNNAR I fand, welche sich bis zu dessen Kern zog. Bis 20 Uhr MESZ dieses Tages fielen innerhalb von 24 Stunden im Bereich des Tiefs GUNNAR II und an dessen Ausläufern 13,7 l/m² in Alvdalen, 14,1 l/m² in Sveg in Schweden, 16,0 l/m² in Drevsjo und 16,2 l/m² in Haugedalshogda in Norwegen. Im Laufe des Tages kam es in Polen zu teils kräftigen Schauern und Gewittern, wodurch mitunter sehr hohe Niederschlagsmengen erreicht wurden. Dabei konnten in 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ 16 l/m² in Kielce, 25 l/m² in Bielsko-Biala, 34 l/m² in Zakopane und 47 l/m² auf dem knapp 2000 m hohen Kasprowy Wierch gemessen werden. In Deutschland befanden sich die Niederschlagswerte meist im Bereich zwischen 1 und 5 l/m², wobei hier vor allem in höheren Lagen im selben Zeitraum wie zuvor nennenswerte zweistellige Mengen von beispielsweise 18,0 l/m² in Altenstadt, 18,7 l/m² in Oberstdorf, 19,0 l/m² auf der Zugspitze und 23,1 l/m² auf dem Hohenpeißenberg verzeichnet werden konnten. Gleichzeitig sank die Temperatur durch die einströmende Polarluft um einige Grad herab. Dadurch konnten in Berlin-Tempelhof und Potsdam nur noch 17,4°C als Maximum registriert werden. In Stuttgart und Bremen wurden sogar nur 14,6°C erreicht. Am wärmsten war es noch in Cottbus mit 19,0°C.

Während sich das Tief GUNNAR I mit unverändertem Kerndruck bis zum 27.05. nur wenig nach Osten bis über Ostisland verlagerte, zog die Zyklone GUNNAR II nach Nordosten und konnte mit ihrem Zentrum und einem leicht verstärkten Druck von ca. 1005 hPa um 02 Uhr MESZ über dem Bottnischen Meerbusen auf Breite der finnischen Stadt Vaasa analysiert werden. Vom Tief GUNNAR I verlief eine lang gezogene Okklusion vom Kern des Wirbels über das Nordmeer, Südnorwegen und Dänemark bis nach Niedersachsen. Dabei fielen 12-stündig bis 08 Uhr MESZ entlang der Front je 9 l/m² in Kvamskogen-Jonshogdi und Fiskabygd, 10 l/m² in Fossmark und 17 l/m² in Liarvatn. In Dänemark und im Norden bzw. in der Mitte Deutschlands war der Einfluss der Front nicht so ausgeprägt, wodurch zumeist nur wenige Zehntel Liter an Regen registriert wurden. Das Frontensystem des Tiefs GUNNAR II bestand währenddessen aus einer südwestlich des Kerns ausgehenden Okklusion, die nach kurzem Verlauf über der finnischen Westküste den Charakter einer Kaltfront annahm und weiter über das Baltikum, Polen, Ungarn, Kroatien und dem Norden Italiens bis nach Marseille führte. In 24 Stunden bis 08 Uhr MESZ konnten im Bereich des Tiefs 10 l/m² Regen im estnischen Tartu, 11 l/m² im lettischen Priekuli, 14 l/m² im litauischen Utena und 18 l/m² an der Station Vaasa Klemettila verzeichnet werden. Auch auf den Süden Deutschlands hatte das Tief GUNNAR II noch Einfluss und sorgte dort für 12-stündige Niederschlagsmengen von je 4 l/m² in Oberstdorf und in Leutkirch-Herlazhofen, 7 l/m² in Garmisch-Partenkirchen und 8 l/m² auf der Zugspitze. In Polen fielen die Niederschläge kräftiger aus, da hier warme Subtropikluft auf feuchte Luftmassen subpolaren Ursprungs traf und dadurch verbreitet Schauer und Gewitter entstanden. Im Tagesverlauf wurden somit 6-stündige Regenmengen von beispielsweise jeweils 32 l/m² aus Bialystok sowie Lublin Radawiec, 45 l/m² aus Zamosc und 51 l/m² aus Terespol gemeldet.

Während das Tief GUNNAR I bereits in der Nacht zum Folgetag in die Zirkulation des herannahenden Wirbels HUBERTUS aufgenommen wurde, zog das ursprüngliche Tief GUNNAR II weiter nach Norden bis über die schwedisch-finnische Grenze nahe der Stadt Haparanda und wurde im weiteren Verlauf nur noch als Tief GUNNAR bezeichnet. Vom Kern mit einem leicht verstärkten Druck von etwa 1000 hPa verlief eine Okklusion nach Osten und spaltete sich am Okklusionspunkt über dem russischen Teil Lapplands in eine über Archangelsk und dem Südural bis nach Westsibirien reichende Warmfront sowie in eine sich nach Süden über Weißrussland bis zur Südukraine erstreckende Kaltfront auf. Im Bereich des Tiefdruckkerns summierten sich die Niederschläge in Schweden und Finnland auf Werte von beispielsweise 13,3 l/m² im finnischen Kemijärvi, 21,4 l/m² im schwedischen Buresjön und 34 l/m² in Jokkmokk innerhalb von 24 Stunden bis 08 Uhr MESZ. Im selben Zeitraum konnten indes entlang der Fronten in St. Petersburg 16 l/m², im weißrussischen Lyntupy 25 l/m², im russischen Nikolaevskoe 28 l/m² und im ukrainischen Kovel 34 l/m² registriert werden.

Am 29.05. befand sich das Tief GUNNAR um 02 Uhr MESZ über dem Norden Finnlands und besaß einen Kerndruck von weiterhin ca. 1000 hPa. Im Bereich des Okklusionspunktes hatte sich ein weiterer Tiefdruckkern über dem Weißen Meer herausgebildet, wobei beide Zentren mit einer Okklusion verbunden waren. Des Weiteren schloss sich an das Teiltief eine kurze Okklusion an, die sich in eine Warm- und eine Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront führte nach Südosten bis nach Westsibirien und die Kaltfront verlief nach Süden bis nördlich von Moskau. Nochmals wurden 24-stündig je 4 l/m² an den finnischen Stationen Muonio, Kittilä und Sodankylä sowie 22 l/m² auf der im Weißen Meer gelegenen Morschowez-Insel gemessen.

Nach weiterer Verlagerung nach Norden konnte das Tief GUNNAR am 30.05. östlich von Spitzbergen mit einem Kerndruck von 1000 hPa analysiert werden. Dabei trennte sich das Frontensystem bereits im Laufe des Vortages vom Tiefdruckkern und verlagerte sich weiter nach Osten. Bis zum Abend löste sich der Wirbel GUNNAR endgültig auf und wurde durch ein anderes Tiefdruckgebiet über der Barentssee abgelöst.

 

Geschrieben am 22.08.2015 von Sebastian Wölk

Berliner Wetterkarte: 25.05.2015

Pate: R. & K. Schifan